Natürlich wäre es besser, am Abend die Laufschuhe anzuziehen und zu Joggen, statt ermattet vor den Fernseher zu sinken. Hinlänglich bekannt ist, dass Bewegung lebensverlängernd ist, weil es typischen Volkskrankheiten wie Übergewicht und Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugt. Auch wissen wir, dass Schokolade nicht zu den gesunden und vitaminreichen Pausensnacks zählt, Pommes mit Majo viel zu fettig sind und auf dem Grill besser Gemüseberge landen würden statt Fleisch. Trotzdem entscheiden sich die meisten immer wieder für den ungesunden Weg.
Wie ein Fluch liegt das ständige Laster auf uns: Es ist der Aufzug, der uns nach oben befördert, statt der gesündere und bewegungsaktive Weg übers Treppenhaus. So ließe sich die Liste der Schwächen, die wir so gerne überwinden würden, beinahe unendlich fortsetzen. Warum eigentlich?
Darum nehmen wir den Aufzug statt die Treppe
Die Antwort weiß Gesundheitspsychologin Prof. Britta Renner von der Universität Konstanz: "Es ist einfach zu viel verlangt." Und sie weiß noch mehr Gutes über den veränderungswilligen Menschen zu sagen: "Wenn man uns insgesamt betrachtet, sind wir gut an unsere Umgebung angepasst und machen eine Menge richtig."
Aber irgendwas offensichtlich eben auch nicht, sonst wäre aus dem eigenen Vorsatz, sich gesund zu ernähren, doch längst Wirklichkeit geworden. Hier kommt die Absolution aus der amerikanischen Universität Cornell. Pro Tag treffen wir Studien nach über 200 hundert Entscheidungen übers Essen. Im Jahr sind das satte 81.000 Entscheidungen, die nur unsere Ernährung betreffen. Viele davon fällen wir automatisiert. "In Anbetracht dieser Summe scheint die Empfehlung 'Ändern Sie das mal kurz‘ vollkommen unrealistisch", fasst Prof. Britta Renner zusammen.
Machen Sie den Selbsttest
Mit einfachen Vorhaben lassen sich solch komplexe Verhaltensweisen nicht einfach ändern. Es brauche eine ungeheuere Anstrengung, etwas umzustellen. Gezielt müsse man die Aufmerksamkeit darauf lenken. Das ist bei Dingen, die man automatisch macht, eine zusätzliche Herausforderung. Das lässt sich im Selbsttest leicht erleben, wenn man sich einen Abend lang vor eine volle Schale Chips setzt und versucht, nicht hineinzugreifen. In einem Moment der Ablenkung, einem Gespräch zum Beispiel, greift man doch hinein.
Oft betrifft es Bereiche wie Ernährung oder Sport, in denen Vorsätze zunächst gefasst werden, dann aber derbe baden gehen, weil es an Willensstärke oder der Fähigkeit zur Selbstregulation mangelt, wenn es darum geht, "eigene Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen zielgerichtet zu steuern", sagt Dr. Daniela Zahn vom Psychologischen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Ist die Disziplin nicht groß genug, nehmen wir im besten Falle zwar wie vorgenommen ab, um zur schönen Bikinifigur zu kommen, dann aber ebenso schnell wieder zu, weil wir die gefasste Ernährungsumstellung nicht durchhalten.
Mangelnde Willenskraft ist wie ein schlaffer Muskel
Psychologen wie der amerikanische Motivationstrainer Roy F. Baumeister sind diesem Phänomen nachgegangen und haben eine Theorie aufgestellt, die erklärt, warum Willenskraft oft in Kraftlosigkeit mündet. Der Grund: Wie ein Muskel kann auch der Wille zur Veränderung einfach überanstrengt werden. Das passiert immer dann, wenn wir unser Kraftreservoir zu sehr beanspruchen.
Trotz dieser ernüchternden Annahme aber besteht nach Auffassung der Psychologen Hoffnung. Denn "nach einer gewissen Zeit können wir dann wieder volle Leistung zeigen", sagt Gesundheitspsychologin Zahn. Was dahinter steckt, fand Baumeister in einem Experiment heraus. Er setzte zwei Probandengruppen vor duftende Kekse und Radieschen. Die einen durften bei den Plätzchen zulangen, die anderen sollten sich an das Knabbergemüse halten. Im Anschluss musste jede Gruppe ein geometrisches Puzzle lösen.
Dabei zeigte sich, dass die Radieschen-Esser nach acht Minuten auf gaben, die Keks-Esser hingegen 20 Minuten lang knobelten. Daraus schloss er, dass die Menschen, die zuvor schon ihre Willenskraft durch den Verzicht auf die Plätzchen unter Beweis stellen mussten, bereits dabei so viel Energie gelassen hatten, dass sie nun an der Folgeaufgabe scheiterten.
Er plädiert darum für Pausen, in denen man weniger Disziplin aufbringen muss und hält außerdem eine gute Nachricht bereit: Durchhaltevermögen lässt sich trainieren und so unser persönlicher Autopilot wieder auf eine Spur mit unseren Wunschvorstellungen bringen.
Der Marshmallow-Test
Wie sehr sich der harte Kampf gegen mangelnde Disziplin auszahlt , das fand schon in den 1960er Jahren der Psychologe Walter Mischel heraus. Er machte im Experiment Kindern das Leben schwer, indem er sie vor einen Teller setzte, auf dem ein zuckerig duftendes, weißes Marshmallow stand. Er stellte dem Nachwuchs frei das klebrige Süß sofort zu verspeisen oder aber 15 Minuten zu warten und zur Belohnung ein zweites zu bekommen.
In späteren Beobachtungen zeigte sich, dass die Kinder, die diszipliniert wiederstanden und abwarteten als Erwachsene eine höhere Selbstachtung hatten, besser mit Stress umgehen konnten, solidere Beziehungen führten und auch Drogen besser widerstanden.
Wie die fetteste Stadt in den USA eine Millionen Pfund abnahm
Nur vor Risiken eines ungesunden Lebensstils zu warnen, hilft allerdings wissenschaftlich erwiesen wenig. Mehr bringen würde es, statt der Risiken, die positiven Fähigkeiten der Veränderungswilligen anzusprechen und sie darin zu bestärken, eine Wandel herbeiführen zu können. Genau das tat der Bürgermeister von Oklahoma City, Mick Cornett, nachdem seine Stadt im Jahr 2007 in einem amerikanischen Journal in einem Ranking der fettesten amerikanischen Städte auftauchte. Er startete kurzerhand die Website ThisCityIsGoingOnADiet.com, auf der er das gemeinschaftliche Ziel verkündete, gemeinsam eine Million Pfund – also das Gewicht von zehn Elefanten – abzunehmen.
Beteiligen konnte sich an der Aktion jeder und dort die eigene Gewichtsabnahme eintragen, die dann abgezogen wurde. Auch Cornett selbst speckte ab und ging an seine 220 Pfund. Im Januar 2012 war das gemeinsame Ziel erreicht. Nicht nur er selber hatte abgespeckt, sondern unglaubliches in Sachen bürgerschaftlichen Engagements auf die Beine gebracht.
Hier erzählt er darüber:
"Das zeigt, wie erfolgreich es sein kann, Unterstützung im sozialen Umfeld zu bekommen", sagt Gesundheitspsychologin Britta Renner von der Universität Konstanz. Diesen Trick nutzen auch Diätgruppen. Allerdings mit nicht zwangsläufig positivem Effekt. Denn das gemeinsame Ziel, Pfunde zu verlieren, gibt zwar Ansporn, kann aber auch genau das Gegenteil bewirken, wenn man von den anderen abgehängt wird oder sich ein schlechtes Gewissen macht, weil man gesündigt hat.
Besser ist es, so die Konstanzer Psychologin, sich kleine Ziele zu setzen, die man in kurzen Etappen erreichen und daraus positive Energie schöpfen kann. In Sachen Bewegung kann es zum Beispiel ein Schrittzähler sein, der den Auftakt zu mehr körperlicher Aktivität setzt. "Er bringt schnell sichtbare Erfolge", sagt Gesundheitspsychologin Renner. Dieser positive Anreiz erinnert uns daran, welches Ziel man vor Augen hat und macht dann vielleicht Lust auf mehr.