Gesellschaftskritik: Über Verlobungen

Die Piratin Marina Weisband gab kürzlich via Twitter ihre Verlobung bekannt. Ganz schön bürgerlich und überhaupt nicht freibeutermäßig, findet Tina Hildebrandt.

Marina Weisband

Marina Weisband

Im Januar gab Marina Weisband, die »schönste Piratin Deutschlands« (Bild), bekannt, dass sie sich aus der Politik zurückziehen werde. Die Begründung der 24-Jährigen lautete zusammengefasst: Zu anstrengend. Mit einem Burn-out habe das allerdings nichts zu tun, betonte die Psychologie-Studentin. Vielleicht eher mit einem Bore-out (vgl. hierzu: wenn Langeweile krank macht) oder der Schwierigkeit, sich vom Scheinwerfer der Öffentlichkeit zu verabschieden (vgl. Guttenberg). Seither jedenfalls hört man von Weisband mehr denn je. Über ihre blonde Perücke: Trage ich aus Spaß an der Verwandlung. Über die Piraten als Koalitionspartner: Nervtötend. Über Talkshows: Da geht es darum, dicke Eier zu haben.

Womöglich in Ermangelung ebensolcher brach Weisband kurz vor einer Sendung der Talkfrau Maybrit Illner im Studio zusammen, ein Phänomen, das bislang vor allem aus der Fauna bekannt ist: Opossums, aber auch Spinnen und andere Tiere stellen sich tot, wenn ein Steppen-Burn-out oder ein anderer Feind naht. Kaum wieder erwacht, ließ Weisband verlauten, kleine Kreislaufschwächen seien bei ihr völlig normal.

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Die nächste Nachricht erreichte die Öffentlichkeit standesgemäß via Twitter: He did it. He ist der Freund der Piratin. It ist der Heiratsantrag, den er seiner Liebsten machte, wobei er offenbar einen Verlobungsring überbrachte, der nun im Netz zu sehen ist. Weisband trägt ihn nach alter Väter Sitte links, weil dort das Herz schlägt. Während bei den Hollywoodstars Brad Pitt und Angelina Jolie, die sich kürzlich ebenfalls verlobten, der Schwarm der Deuter nur eine Spur verfolgt (wie viel Karat?), stellen sich im Fall der malenden, zwitschernden, bis zum Zusammenbruch ihr Innerstes nach außen kehrenden Jungpiratin ganz andere Fragen: Wen interessiert’s? Funktioniert LiquidFeedback auch zu zweit? Vor allem aber: Warum überhaupt verloben? Ursprünglich verlobte man sich, um ohne Ärger Händchen halten zu dürfen. Erst 1998 wurde das Kranzgeld abgeschafft, eine Entschädigung, die fällig wurde, wenn es zu vorehelichem Sex gekommen war, auf den aber weder Glücksgefühle noch Heirat, sondern eine schnöde Entlobung folgte. Ferner galt die Verlobung in Pre-post-Gender-Zeiten als erster Erfolg bei dem Versuch, notorisch bindungsängstliche Exemplare vom Typ Mann anzuleinen. Übersetzt bedeutet Verlobung schließlich drittens: Wir hätten gerne einen Toaster, ein Kaffeeservice, eine Bodenvase. Alles drei recht bürgerliche Wünsche, die man von Freibeutern nicht unbedingt erwartet.

  • Piraten Partei
  • Im Bundestagswahlkampf 2009 fuhren die Piraten auf dem Floß zu ihrer Abschlusskundgebung in Berlin.

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