„Gehe mit gutem Gefühl“

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Heute 11:00:00
Rotenburg. 

(r/hm). Nach 40 Dienstjahren wird Professor Dr. Burkhard Stahl in den Ruhestand verabschiedet. „Ich gehe mit einem guten Gefühl“, sagt der Leiter des Fachbereichs Psychologie der Rotenburger Werke. Er freut sich über viele positive Entwicklungen in diesem Arbeitsfeld seit seinem Dienstantritt 1974.



„Damals waren wir zwei Kollegen und betreuten je 56 Kinder und Jugendliche“, erinnert sich der 65-Jährige. Psychologische Arbeit wurde nur in junge Menschen investiert. Das wurde erst Jahre später geändert. Der Fachbereich ist seitdem kontinuierlich gewachsen. Heute besetzen neun Personen 7,3 Stellen des Bereichs Psychologie. Stahl führt das nicht nur auf einen wachsenden Bedarf zurück, sondern auch auf die gute Arbeit des Teams.

„Wir merken, dass die Mitarbeitenden unsere Angebote annehmen“, freut sich der Psychologe. „Ich bin dankbar für die vertrauensvolle Arbeit der vergangenen Jahre. Da ist etwas gewachsen, was zukunftsfähig ist.“ Krisenintervention gehört genauso dazu wie Supervision für Mitarbeiter, die Durchführung von internen Fortbildungen, Hilfen bei der Beantragung von Kostenübernahmen oder ganz konkrete Arbeit mit Bewohnern.

Obwohl eine psychologische Betreuung in Behinderteneinrichtungen vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben ist, hält Stahl sie für absolut notwendig. „Während in der Durchschnittsbevölkerung drei bis fünf Prozent der Menschen psychisch erkrankt sind, liegt diese Zahl bei Menschen mit geistiger Behinderung bei rund 30 Prozent. Das hat vielfältige Ursachen“, sagt der Fachmann.

„Eine gute psychologische Betreuung in einer Behinderteneinrichtung ist ein Qualitätsvorteil“, sagt Stahl, der sich immer für die Weiterentwicklung seines Fachbereichs in den Rotenburger Werken eingesetzt hatte. Zuletzt wurde im vergangenen Jahr eine neuropsychologische Praxis für Menschen mit erworbener Hirnschädigung eröffnet.

Neben seiner praktischen Arbeit in den Rotenburger Werken hat Stahl immer auch ein Standbein in der Wissenschaft behalten. Berufsbegleitend schrieb er an seiner Doktorarbeit und besuchte zahlreiche Fortbildungen. Seit 1999 ist er Honorarprofessor an der Universität Bremen für das Gebiet „Diagnostik der geistig behinderten Menschen“ im Fachbereich Erziehungswissenschaften. 60 bis 70 Stunden Arbeit pro Woche waren keine Seltenheit. Doch ein Berufsbild allein hätte ihm nicht gereicht: „Hatte ich Frust an einem Schreibtisch, konnte ich mich an den anderen setzen. Diese Freiheit habe ich genossen.“

In Fachkreisen ist er bekannt als Organisator zahlreicher Fachtagungen. Zuletzt hatte er in den Rotenburger Werken eine dreitätige Veranstaltung zum Thema „Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe“ organisiert. Knapp 200 Teilnehmer aus ganz Deutschland und Österreich waren gekommen. Zwei Fachbücher hat er mit verfasst, die an den Universitäten längst zu Standardlehrbüchern geworden sind.

Wenn er jetzt in den Ruhestand geht, möchte sich Stahl zunächst verstärkt seinen Hobbys und seiner Familie samt Enkelkindern widmen. Fotografieren und Wandertouren stehen auf dem Programm. Von E-Mails und Terminkalendern will der Vielbeschäftigte nichts mehr wissen. „Das ist die Pest der Neuzeit“, ist er sich sicher. Doch wie lange ihm ein Leben ohne inhaltliche Aufgaben gefällt, lässt er offen. „Wenn das Vakuum zu groß wird, suche ich mir etwas Neues.“
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