Fusionen sind zu 95 Prozent Psychologie

Vest. Als Weihbischof Dieter Geerlings im Februar nach Recklinghausen kam und von den Plänen des Bistums berichtete, Gemeinden im gesamten Kreisdekanat müssten zu neuen Großpfarreien zusammengelegt und die immer weniger werdenden Katholiken künftig auf größerem Raum – bildlich gesprochen – enger zusammenrücken, ging ein Wehklagen durch die Gemeinden. Zehn Monate später wird die Strukturreform immer noch nicht bejubelt. „Aber es gibt die Einsicht, dass wir keine Alternative haben“, sagt Kreisdekan Jürgen Quante.

Das Bistum habe signalisiert, 2020 werde es deutlich weniger Geld haben („im Moment haben wir kein Geldproblem“) und schon früher wird sich die immer geringere Zahl an Priestern bemerkbar machen. Seelsorger sind rar. Und sie müssen in Zukunft immer größere Einheiten betreuen. Pastorale Räume heißt das im „Neu-Katholisch“. Gemeint sind jene Großpfarreien sowie dazu gehörige, andere kirchliche Einrichtungen.

185 Pastorale Räume soll es im Bistum geben. Zwölf von ihnen sollen mehr als 20 000 Katholiken umfassen; zwei im hiesigen Dekanat: Haltern mit seiner schon gegründeten Stadtkirche und 24 000 Gläubigen; und Marl, wo die Gemeinden St. Georg, St. Pius und St. Josef auf 22 500 Gläubige kämen. Aber Marl ist noch eines von drei Sorgenkindern des Bistums. So wie in Dülmen und Duisburg-Rheinhausen müssen dort noch die „Zielperspektiven“, wie es im Bistum heißt, der Strukturreform erarbeitet werden.

Überall sonst sind die Fusionen entweder erfolgt, 79 Pfarreien bestehen bereits im Bistum Münster. 56 weitere stehen im Fusionsprozess, zehn Pastorale Räume sollen noch einen Aufschub über das Jahr 2015 erhalten. Dazu könnten Marl und Dorsten gehören, in beiden Städten gibt es Widerstände und Widersprüche.

Aus Sicht von Kreisdekan Quante ist das nachvollziehbar. Auch er hatte, erstmals konfrontiert mit den Plänen, Bedenken geäußert. Aber es sei vielerorts die Einsicht gewachsen, dass an den Plänen grundsätzlich kein Weg vorbeiführe. In Datteln, Waltrop und Oer-Erkenschwick seien sie auf den Weg gebracht, in Haltern am See schon vollzogen. Und in Recklinghausen gibt es jene Einigung, auf die das Bistum gesetzt hat: drei große Pfarreien. Es habe in der Stadt auch Überlegungen gegeben, vier oder fünf zu bilden. Aber fünf seien nicht darstellbar, weil das Personal fehle, und vier aus psychologischen Gründen nicht möglich.

„Fusionen sind zu 95 Prozent Psychologie“, sagt Kreisdekan Quante. Und sie müssten vor Ort erarbeitet werden. Auch in Marl oder Dorsten. „Der Weihbischof darf sich nicht einmischen, er muss moderieren. Das macht er sehr gut.“ Ähnlich sei es in Recklinghausen gewesen, wo es nach langer Diskussion eine Einigung gibt. Eine Steuerungsgruppe werde in den nächsten zwei, drei Jahren die Fusionen erarbeiten.

Geholfen haben mag die Aussicht auf personelle Aufstockung. Bei seinem jüngsten Besuch hat Weihbischof Dieter Geerlings signalisiert, dass Recklinghausen als zweitgrößte Stadt des Bistums eine besondere Bedeutung habe. Verbunden damit war die Aussicht auf mehr Priester im Pastoralplan. „Diese Botschaft habe ich auch bekommen und weiß, dass der Weihbischof dafür kämpft“, sagt Kreisdekan Quante. Momentan sieht der Plan sechs Priester, sechs Priester der Weltkirche und sechs Pastoralreferenten für die ab 2015 drei Großpfarreien mit etwa 52 000 Gläubigen vor. „Das ist zu wenig“, sagt Jürgen Quante. Mehr und jüngere Priester und/oder Kaplane müssten in die Stadt.

Andreas Rorowski

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