Forscher überprüfen Grundlagen der Fremdenfeindlichkeit mit Experimenten

Salzburger Psychologin: Betonung der eigenen Kultur verleihe "eine Art Unsterblichkeit"

Salzburg – Sehen sich Menschen einer – tatsächlichen oder eingebildeten – existenziellen Bedrohung ausgesetzt, dann hilft ihnen die Betonung der eigenen Kultur, die Abwertung des Fremden und Aggression gegenüber Andersartigem beim Überwinden der "Angststarre". Das zeigte sich in sozial- und neuropsychologischen Experimenten von Forschern der Universität Salzburg.

Am Grunde lauert die Angst

Eva Jonas vom Fachbereich für Psychologie der Uni beschäftigt sich seit Jahren mit Terrormanagement-Forschung. "Hier geht es darum, wie Menschen mit existenziellen Ängsten umgehen. Wir wissen, dass wir alle irgendwann einmal sterben müssen, und mit diesem Wissen müssen wir irgendwie klar kommen."

Einen Ausweg stellen Investitionen in kulturelle Werte dar, um damit etwas die eigene Person Überdauerndes zu schaffen. "Denn die eigene Kultur, die eigene Gruppe ist das, was von einem bleibt. Das verleiht einem eine Art 'Unsterblichkeit' oder irgendeine Form von Weiterexistenz nach dem Tod", so Jonas.

Diesen Ansatz hat das Forschungsteam auf andere existenzielle Ängste wie Kontroll-, Identitätsverlust oder die Konfrontation mit Sinnverletzungen im Leben erweitert. Angesichts solcher Bedrohungen können Menschen zwar Gedanken daran unterdrücken, "aber das alleine genügt nicht, weil sie etwas brauchen, was ihnen wieder Halt gibt und was sie anstreben können", erklärte die Forscherin. Genau das finde man in der eigenen Kultur, in kulturellen Werten und Überzeugungen.

Experimente zur Angststarre

Die Salzburger Gruppe versucht nun, dieses umfassende Konzept in Experimenten zu überprüfen und herauszufinden, welche Menschen angesichts solcher Bedrohungen länger in einer Art "Angststarre" verharren. Diese ist dadurch charakterisiert, dass sich Menschen nach außen abgrenzen, gleichzeitig die eigene Kultur stark betonen und Anderes abwerten – also "ethnozentriert" reagieren.

Der Psychologe Dimitrij Agroskin hat Versuchspersonen über todesbezogene Themen nachdenken lassen und dabei ihre Hirnaktivität gemessen. Die Forscher maßen auch, inwieweit die Personen die eigene Kultur als "wertvoller" ansahen. Bei labilen, ängstlich-gehemmten Teilnehmern waren die für Angst und Vermeidung zuständigen Hirnareale länger und stärker aktiv. Sie verharrten also länger in Angststarre.

Wenn sie sich vorher gedanklich mit ihrer "eigenen Kultur" beschäftigten, wurde dieser Zustand aber schneller überwunden. Bei stabileren, annäherungsorientierten Personen zeigten die EEG-Muster insgesamt eine schnellere Aktivierung der handlungszentrierten Hirnareale.

Problemlösung, die Probleme schafft

An diesen körperlich messbaren Reaktionen zeige sich, "dass es auch sehr destruktive Wege sein können, wie Abwertung anderer oder blanke Aggression, die wir nützen, um mit solchen Bedrohungen klar zu kommen. Wenn ich mich selbst aufwerte und andere abwerte, weiß ich besser, wer ich selber bin. Und das hilft dem Körper, um wieder handlungsfähig zu werden", sagte Jonas. "Das Tragische daran ist, dass diese destruktiven Reaktionen gegenüber Mitgliedern anderer Kulturen eine Funktion haben."

Genau das lasse sich momentan etwa in der Asyldebatte beobachten: Hier fürchten sich Menschen aus reichen Ländern vor Veränderungen ihres Weltbildes und davor, dass angesichts der großen Flüchtlingsströme irgendwann nicht mehr genug Ressourcen für sie da sein könnten. In der Kultur, die ja bei weitem nicht nur aus Patriotismus oder Nationalismus besteht, liegt laut Jonas auch der Schlüssel um die drohende Spirale der gegenseitigen Abwertung zu überwinden.

Betont man nämlich gemeinschaftliche gesellschaftliche Werte, folgen Menschen nach Bedrohungen auch eher "prosozialen Normen". Dafür brauche es Vorbilder aus Politik, Kunst oder Medien, die etwa im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik andere und positivere Wege beschreiten, als "Hasspostings" zu schreiben. Jonas: "Wenn solche Menschen mit Asylanten in Kontakt treten oder spenden und darüber öffentlich sprechen, zeigt man damit auch 'Das ist normal in einer Gesellschaft' – und das kann sehr hilfreich sein." (APA/red, 7. 8. 2015)

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