Flüchtlingsdrama: Sind wir unmündig?

Von Psychologie aktuell Politikexperte Maximilian von Thalen.

Es war eine so schöne Idee und doch genauso unüberlegt wie der Euro: Reisen durch Europa ohne Schlagbäume und Grenzkontrollen. Man wollte innerhalb der EU die völlige Reisefreiheit und im Gegenzug die Außengrenzen der Europäischen Union so gut sichern, dass die Binnengrenzen sinnlos werden.

Eine neues Kapitel!

Spätestens seit diesem Sommer wissen wir: die Wirklichkeit sieht anders aus! Es gibt weder eine sichere Kontrolle der EU-Außengrenzen noch ein funktionierendes europäisches Asylsystem. In Nationen wie Griechenland ist beides willentlich oder aus Überforderung kollabiert. Man lässt die Menschenmassen gewähren. Und alle wollen nach Deutschland.

Der Dublin-Vertrag ist tot!

Damit ist nicht nur das Schengen-Abkommen über den Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU obsolet, sondern auch das das Dublin-Abkommen ist hinfällig. Dieses bestimmte, dass immer jene Nation für das Asylverfahren zuständig ist, die ein Asylsuchender als erstes betritt.

Merkwürdiges Nichthandeln!

Was nun verwundert ist: warum werden nicht vorübergehend wieder nationale Grenzkontrollen eingeführt? Der Schengen-Vertrag würde das erlauben! Stattdessen wird Ungarn gescholten, das seiner Pflicht nachkommt und versucht, die EU-Außengrenzen gemäß den Abkommen von Schengen und Dublin zu sichern.

Gleichzeitig werden Vergleiche angeführt die auf beiden Beinen hinken! Was heute passiert hat nichts mit der 1989er Flucht von Deutschen nach Deutschland zu tun. Und auch das journalistische hochputschen dramatischer Einzelschicksale sind näher an der Propaganda als an einer seriösen Berichterstattung. Die Menschen sind nicht dumm, sie nehmen es wahr.

Eine Leserzuschrift macht nachdenklich!

"Mir persönlich wird Angst und Bange", schrieb uns heute eine Leserin. Man mag das naiv finden, aber es trifft den Nerv.

Die Menschen sind in der Mehrzahl keine Rassisten und auch keine Fremdenfeinde. Sie haben Angst. Weil sie nicht verstehen, dass Regeln scheinbar keine Bedeutung mehr zu haben scheinen. Die Verträge über den Euro? Makulatur! Die Regeln über den Grenzschutz? Hinfällig! Die Abkommen über das Verfahren von Asylbegehren in der EU? Wertlos!

Braut sich da der perfekte Sturm zusammen?

Wir Menschen brauchen jedoch Verlässlichkeit, um uns sicher zu fühlen. "A nation that cannot control its borders is not a nation", sagte der frühere US-Präsident Ronald Reagan. Und selbst erklärte Linke wie Jakob Augstein betonen: "Wir brauchen eine Leitkultur".

Augstein mahnt, wenn es eine solche Leitkultur nicht gäbe, dann sei es jetzt höchste Zeit, sie zu erfinden. Sonst könne unsere Gesellschaft nicht zurechtkommen und Multikulti würde scheitern. Eine sonderbare Dialektik der Geschichte warte auf uns alle: Am Ende werde Deutschland beides haben, Leitkultur und Multikulturalität, so Augstein.

Die Menschen ernst nehmen!

Um zu verhindern, dass das Flüchtlingsdrama am Ende auch die EU und Deutschland destabilisiert, ist eines vordringlich: auf die Ängste der hiesigen Menschen zu hören - und auf diese nicht mit rhetorischen Beruhigungspillen zu reagieren, sondern sie mit zur Grundlage der Politik zu machen.

Wer sein Volk wie unmündige Halbwüchsige behandelt, wird das Verhalten von unmündigen Halbwüchsigen provozieren. Auch dies ist wiederum keine Drohung, sondern Teil des kleinen psychologischen Einmaleins.

Die Briten als Vorbild?

Die Briten machen uns vor, wie eine erwachsene Demokratie solche Fragen angeht: man lässt das Volk furchtlos abstimmen. Denn es gibt keinen Grund zur Furcht, wenn man sein Volk als mündig und erwachsen begreift. Egal ob über die Auflösung des eigenen Landes (Schottlandreferendum 2014) oder über den Austritt aus der EU. Die Briten haben vor nichts Angst. So geht Demokratie!

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