Flüchtlinge: Ein Leben in der Warteschleife – Rhein

lari. Um 20 Uhr war der Saal im Institut für medizinische Psychologie bereits proppenvoll. Trotzdem öffneten sich die großen Flügeltüren während des musikalischen Auftaktprogramms immer wieder, um Nachzügler einzulassen. "Die psychosoziale Situation von Flüchtlingen" scheint das Interesse der Heidelberger geweckt zu haben. Der Vortrag war der vierte und vorletzte in der Vorlesungsreihe "Flüchtlingsleben".

Zum Einstieg steckte der Rechtsanwalt Berthold Münch den rechtlichen Rahmen ab. Er gab den Zuhörern einen Einblick in die verfahrene Situation, in der Flüchtlinge sich nach ihrer Ankunft in Baden-Württemberg befinden, und skizzierte die unterschiedlichen Szenarien eines Asylverfahrens. Am Ende des Prozederes steht nicht immer eine klare Aufenthaltserlaubnis oder die endgültige Abschiebung. Die Duldung eines Flüchtlings "ist eine Pattsituation, die für die Betroffenen einen schwierigen, undefinierbaren Zustand darstellt", erklärte Münch.

Den Schwebezustand, in dem sich die Menschen während des langwierigen Verfahrens befinden, bezeichnete Gudrun Sidrassi-Harth vom "Arbeitskreis Asyl" als "Leben in der Warteschleife". Der Verein koordiniert zurzeit über 100 Ehrenamtliche, die durch Sprachkurse, Hausaufgabenbetreuung, Kleiderkammern und vieles mehr versuchen, Flüchtlingen Halt und Stabilität zu geben. "Wenn sie an einer Autobahnraststätte von den Schleppern abgesetzt werden, wissen viele oft gar nicht, in welchem Land sie jetzt sind", berichtete Sidrassi-Harth. Der Mangel an Informationen, die Ungewissheit und der Verlust von Sicherheit und Autonomie stellen eine große psychische Belastung dar. "Wir können uns oft nicht vorstellen, wie teuer diese Menschen ihre Flucht bezahlen", fasste sie zusammen.

Nicht alle Flüchtlinge sind durch ihre Erlebnisse psychologisch angeschlagen. Aber jene, die ein Trauma mit sich herumtragen, brauchen intensive Betreuung. Das "Internationale Frauen- und Familienzentrum" (IFZ) bietet geflüchteten Frauen eine konstante psychosoziale Begleitung. Im vergangenen Jahr haben sie 305 Gespräche mit 118 Einzelpersonen, Paaren oder Familien aus 16 verschiedenen Ländern geführt. "Die häufigsten Symptome sind Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und Angststörungen" zählte Aleksandra Sujavac auf.

Oft bekommen Asylsuchende aber nur ein Kontingent von fünf Beratungsstunden zugesprochen - viel zu wenig, um das Problem bei der Wurzel zu packen. Meistens können solche Fälle nicht weitervermittelt werden, weil sich Ärzte die Betreuung von Flüchtlingen nicht zutrauen. Ein großes Hindernis stellt die Sprache dar, denn, so stellte ein Allgemeinmediziner aus dem Publikum fest, "niemand fühlt sich dafür verantwortlich, Dolmetscherkosten zu übernehmen". An dieser Stelle forderte Jochen Schweitzer, der Organisator der Veranstaltung, zu mehr Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten in Heidelberg auf.

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