«Firmen nehmen die Angestellten zu wenig ernst» – Tages

«Firmen nehmen die Angestellten zu wenig ernst»

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Bei der Hotline der Mitarbeiterberatung Icas melden sich immer mehr Angestellte, die emotional gestresst sind. Dozentin und Beraterin Simone Grebner nennt Gründe und mögliche Lösungen.

«Der Druck am Arbeitsplatz ist gestiegen – auch im Zusammenhang mit Entlassungen»: Arbeiter von Swissmetal und Mitglieder der Gewerkschaft Unia demonstrieren gegen einen geplanten Stellenabbau.

«Der Druck am Arbeitsplatz ist gestiegen – auch im Zusammenhang mit Entlassungen»: Arbeiter von Swissmetal und Mitglieder der Gewerkschaft Unia demonstrieren gegen einen geplanten Stellenabbau.
Bild: Keystone

«Firmen sparen oft am falschen Ort»: Simone Grebner ist Organisationsberaterin und Dozentin für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Hilfe von aussen für Schweizer Angestellte

«Arbeitnehmer vermissen Stabilität»

Icas ist eine der grössten externen Mitarbeiterberatungen weltweit. In der Schweiz betreibt die Firma eine mit Rechtsanwälten und Psychologen besetzte Hotline für insgesamt etwa 70'000 Mitarbeitende verschiedener Unternehmen. Sie erhalten dort Beratung sowohl bei arbeitsbezogenen als auch bei emotionalen Fragen. Die Kosten für die Beratung werden von den auftraggebenden Unternehmen selbst übernommen. Sie bezahlen im Voraus eine jährliche Pauschale pro Mitarbeiter, die je nach Unternehmensgrösse zwischen 80 und 130 Franken beträgt.

Laut Icas-Schweiz-Chefin Eliane Bucher hat der Anteil an Anfragen mit emotionalem Hintergrund in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich zugenommen. «Während vorher etwa 30 Prozent aller Anliegen emotionaler Art waren, sind es jetzt schon fast die Hälfte.» Sie geht davon aus, dass diese Entwicklung auch eine Folge der angespannten wirtschaftlichen Lage ist: «Wir stellen fest, dass der Druck am Arbeitsplatz gestiegen ist, vor allem im Zusammenhang mit Entlassungen und der dadurch zunehmenden Belastung für die verbleibenden Mitarbeiter.» Die Situation spitze sich noch weiter zu, da die wirtschaftliche Unsicherheit schon über einen längeren Zeitraum hinweg bestehe: «Die Arbeitnehmer vermissen Stabilität.»

Icas ist bislang die einzige externe Mitarbeiterberatung in der Schweiz, die einen solchen Hotline-Dienst flächendeckend anbietet. Im selben Feld tätig ist die Consulting-Firma mfgschwind, laut Inhaber und Business Coach Michael Francesco Gschwind führt die Firma aber vor allem interne Workshops und Beratungen bei ihren Kunden durch. «Wir beobachten ebenfalls eine markante Zunahme der psychologischen Belastung in den letzten zwei bis drei Jahren», berichtet Gschwind. Immer häufiger seien deshalb Interventionen wegen Stress und internen Konflikten nötig. (fko)

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Die Belastung für Schweizer Angestellte hat offenbar in den letzten zwei bis drei Jahren markant zugenommen. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Entwicklung auch auf die wirtschaftlich angespannte Lage zurückzuführen ist. Gibt es dafür wissenschaftliche Belege?
Wir haben letztes Jahr im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) eine Stressstudie durchgeführt. Dabei haben wir festgestellt, dass der Anteil gestresster Mitarbeiter zwischen 2000 und 2010 deutlich zugenommen hat. Für die letzten fünf Jahre zeigt sich ausserdem ein Anstieg des Zeitdrucks am Arbeitsplatz. Es ist anzunehmen, dass diese Entwicklungen eng mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation zusammenhängen oder teilweise dadurch ausgelöst werden.

Welchen Eindruck haben Sie persönlich – hat uns die Wirtschaftskrise wirklich zu unglücklicheren Arbeitnehmern werden lassen?
Dieser Eindruck entsteht, ja. Als Wissenschaftlerin möchte ich mich auf solche persönlichen Einschätzungen aber nicht verlassen. Die Zunahme der gemeldeten emotionalen Probleme könnte schliesslich auch auf eine bessere Aufklärung der Mitarbeiter oder eine grössere Sensibilität im Umgang mit psychischen Problemen zurückgeführt werden.

Die Beratungs-Hotline Icas beobachtet, dass sich auch immer mehr Angestellte mit Beziehungsproblemen melden.
Dieser Beobachtung kann ich absolut zustimmen. Die Belastungen können sich sozusagen gegenseitig hochschaukeln: Wer Probleme am Arbeitsplatz hat oder den Job verliert, ist auch im Privaten eher gestresst. Die Beziehung ist nicht mehr ein Hort der Erholung, sondern stellt eine weitere Belastung dar, die den Stress wiederum erhöht.

Offenbar kontaktieren Ratsuchende die Hotline zunehmend zu Randzeiten, zum Beispiel spätabends. Nehmen wir uns nun nicht einmal mehr die Zeit, uns im Alltag um unsere Probleme zu kümmern?
Das wäre eine Lesart des Trends: Man ist bei der Arbeit so gestresst, dass keine Zeit für ein Telefongespräch bleibt. Eine andere ist jedoch, dass die Leute ihren Anruf in einem vertraulichen Umfeld tätigen wollen, um ihre Privatsphäre zu schützen.

Was halten Sie als Fachperson von diesem Modell der Telefonberatung für Mitarbeiter durch eine externe Firma?
Als Ergänzung zu bewährten Präventionsmassnahmen ist eine solche Hotline sicher sinnvoll. Allerdings muss beim Arbeitgeber die Bereitschaft vorhanden sein, auch die Ursachen der Belastungen anzugehen, zum Beispiel wenn nötig die Arbeitsbedingungen zu verbessern oder die Führung anzupassen.

Schiebt der Arbeitgeber so nicht auch eine Verantwortung ab, die er für seine Mitarbeiter eigentlich selbst übernehmen müsste?
In diesem Fall würde ich das nicht so pauschal sehen. Ich nehme aber schon eine gewisse Tendenz zur Auslagerung der Verantwortung wahr. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nehmen Firmen die Probleme ihrer Mitarbeiter oft zu wenig ernst, zum Beispiel weil sie bei den Ressourcen zur Gesundheitsförderung und Personalentwicklung sparen. Dieser Ansatz ist jedoch langfristig falsch: Gerade wer belastet oder gestresst ist, macht mehr Fehler, was für den Arbeitgeber wiederum Kosten verursacht, worauf der Druck auf den Arbeitnehmer weiter erhöht wird und so weiter. So entsteht ein Teufelskreis.

Was kann der Arbeitgeber tun, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen?
Er sollte ein systematisches Monitoring der Arbeitsbedingungen und der Gesundheit seiner Mitarbeiter betreiben: Wie hoch ist der Druck, wie wirkt sich das auf die Mitarbeiter aus, welche Entlastungen könnte man einbauen? Die Ergebnisse müssten dann aber natürlich auch ernst genommen werden und zu entsprechenden Massnahmen führen. Das ist vor allem in Krisenzeiten wichtig – wird aber genau dann von den Firmen oft vernachlässigt.

Und was kann der Mitarbeiter selbst tun, um mit dem erhöhten Druck umzugehen?
Er kann Entspannungstechniken lernen, auf ausreichend Schlaf und Bewegung sowie eine gesunde Ernährung achten. Ausserdem gibt es sogenannte Stressmanagement-Trainings: Die Teilnehmer lernen dort, ihre Stressbewältigung zu optimieren. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Erstellt: 13.12.2011, 11:16 Uhr


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5 Kommentare

Thomas Huber


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Warum wohl zu Randzeiten und von zu Hause aus?Weil sie nicht privat telefonieren duerfen waehrend der Arbeitszeit.Und am Ende des Interviews wieder die alte Leier:Entspannungstechniken lernen.Das fuehrt nur dazu,dass sich der AG bestaetigt sieht in seiner Meinung,aus den Angestellten noch mehr Leistung pressen zu koennen und dadurch wiederum langfristig weniger Leute beschaeftigen zu muessen.

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Sibylle Weiss


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Herr Inauen.Die Dame erwähnte dies vermutlich nicht,weil die schlecht geführten Firmen in der Ueberzahl sind u.man die gut geführten Unternehmen heutzutage mit der Lupe suchen muss!Aber es ist schon so,dass die Leistung bei zufriedenen weniger künstlich gestressten Mitarbeitern sicher besser ausfällt,was wiederum auf die Kunden positive Auswirkungen hat u.dem Unternehmen zum Erfolg verhilft!

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Sibylle Weiss


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Die heutigen Arbeitgeber nehmen sich kaum noch die Zeit,sich um die Probleme der Angestellten zu kümmern.Gibt es zu Hause Stress, antwortet der AG vermutlich, private Probleme haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen.Wenn es sich um firmeninterne Probleme handelt wird er sagen; wenn es Ihnen nicht passt, können Sie ja gehen!Die AG haben heutzutage genügend Auswahl auf dem Arbeitsmarkt!

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Fredi Feuz


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@Sibylle Weiss: Richtig, private Probleme haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen und firmeninterne Probleme sind Probleme der AG. Je nach Situation ist es besser, wenn man sich trennt. Jeder/e ist ersetzbar, für die AG zählt letzten Endes nur der Erfolg, wovon auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes abhängt. Unnötigen Kostenaufwand gilt es sicher zu vermeiden


Hans Inauen


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Was Frau Grebner leider nicht sagt ist die Tatsache dass Firmen die eine anständige Geschäftskultur pflegen und ihre Angestellten gut behandeln in aller Regel wesentlich erfolgreicher sind. Dies betrifft die Kundenzufriedenheit wie auch das finanzielle Ergebnis und es ist wie beschrieben absolut klar dass Menschen welche unter Druck stehen wesentlich mehr Fehler machen.

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