Fingerhakeln zwischen Rom und Berlin

Die derzeitigen Auseinandersetzungen haben aber noch andere psychologische Gründe. Die Vita des früheren EU-Kommissars Mario Monti müsste eigentlich eine andere Sprache sprechen. Aber er hat – auch in einem Spiegel-Interview und in Äußerungen gegenüber der Mailänder Tageszeitung „La Repubblica“ - , in höchstem Maß erstaunlich, an europäischen demokratischen Grundprinzipien gerührt. Er hat nämlich die „Unabhängigkeit“ der europäischen Regierungen, und damit besonders auch der deutschen, gegenüber ihren Parlamenten eingefordert. Monti, der in Rom mit einer nicht gewählten Expertenregierung sein Amt versieht, ist der Auffassung, „jede Regierung hat auch die Pflicht, das Parlament zu erziehen“. Kein Wunder, dass es von allen Fraktionen des Bundestags zurückschallte, solche Forderungen seien „undemokratisch“. Aber hier zeigt sich wieder, wie innenpolitische Probleme und auch innenpolitische Handlungsabläufe in Rom in der Not nach außen getragen werden. Es ist ein altes politisches Instrument – innenpolitische Problem werden nach außen transportiert. Früher hat man Kriege geführt. Im Umgang mit Mario Monti müssen und sollten die anderen Europäer, vor allem die im Norden des Kontinents, einkalkulieren, dass der Ministerpräsident seit November 2011, dem ersten Höhepunkt der italienischen monetären Krise, ein Technokratenkabinett anführt, das einerseits von einer breiten Mehrheit im Parlament getragen wird. Wenn es allerdings um Wirtschaftsreformen, Sparpakete und die Euro-Rettung geht, muss der Wirtschaftsprofessor immer wieder um seine Mehrheit bangen.

Im Schatten von Berlusconi?

Jedenfalls hat Monti aus Berlin arge Schelte erhalten. „Die Akzeptanz für den Euro und seine Rettung wird durch nationale Parlamente gestärkt und nicht geschwächt“, sagte beispielsweise der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß. Und er setzte noch eines drauf: Offensichtlich habe in Italien „in den unsäglichen Berlusconi-Jahren das Parlamentsverständnis gelitten“.  

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