FDP-Untergang: Der wahre Grund!

Von Psychologie aktuell Politikexperte Maximilian von Thalen.

So manches Ereignis lässt sich mit Abstand besser bewerten als im Eifer des Gefechts. Wir befinden uns in der Mitte einer Legislaturperiode und es stehen in naher Zukunft keine Landtagswahlen an. Ein guter Zeitpunkt also, sich einem heißen Eisen zu nähern: der FDP.

War doch klar! Ja, war es?

Für die veröffentlichte Meinung war und ist die Sache klar: die FDP ist nach ihrem fulminanten Wahlsieg 2009, bei der sie satte 15% eingefahren hatte, aufgrund von Inkompetenz, gebrochener Wahlversprechen und sozialer Kälte gescheitert. Vertritt man diese Thesen, wird man auf breite Zustimmung stoßen. Das Problem ist nur, sie stimmen nicht.

Sich einfach mal logisch dem Phänomen nähern!

Dem 2009er Wahlsieg der FDP war eine lange Serie von Wahlsiegen vorausgegangen. Die liberale Partei saß in fast allen Landtagen und war an vielen Landesregierungen beteiligt.

Geschätzt, gemocht und wiedergewählt - mit jener Agenda und für exakt jene Politik, die später als Grund für den Absturz der Partei angeführt wurde. Auch kann man den Liberalen keineswegs vorwerfen, dass sie nach der Bundestagswahl 2009 mehr Wahlversprechen gebrochen hätten als etwa die SPD 2005 oder die CDU 1990.

Die Fakten und eine verstörende Erkenntnis!

Um den vorläufigen Untergang der Liberalen bei den Wahlen 2013 erklären zu können, muss man den Blick auf den Beginn des Niedergangs werfen. Dieser begann bereits in der Mitte des November des Jahres 2009 und beschleunigte sich im Winter 2010 rasant.

(Quelle: www.sonntagsfrage-aktuell.de)
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Der Absturz der FDP begann bereits im November 2009.

Nun stellt sich die Frage: was ist zu dieser Zeit geschehen? Uneingelöste Wahlversprechen? Nein, diese Erklärung fällt wider Erwarten aus! Die Tinte unter dem Koalitionsvertrag war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal trocken und der Vertrag an sich war sehr günstig für die FDP ausgefallen.

Das Nichteinlösen der Versprechen kam damit logischerweise erst viel später im Laufe der Legislaturperiode, vor allem in deren zweiten Hälfte. Dieses allgemein genutzte Argument kann also zur Erklärung der Trendwende nicht herangezogen werden.

Was war es dann?

Die einzige auffällige "Tat", welche sich die FDP seinerzeit "geleistet" hatte, war die Entscheidung von Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle, als erster homosexueller Politiker weltweit, seinen Gatten mit auf Auslandsreisen zu nehmen - nicht im Tross der Mitarbeiter, sondern als "Mann an seiner Seite".

Dies führte zwar zu einem öffentlichen Murren, jedoch hübsch verpackt in eine pseudosachgerechte Kritik an einer vermeintlichen Vermischung von geschäftlichen und privaten Interessen.

Der wunde Punkt!

"Machen wir uns nichts vor, der Absturz begann, als Westerwelle mit homosexueller Sichtbarkeit ernst machte", gibt ein bekannter Publizist zu, unter der Bedingung, dass sein Name unerwähnt bleibt. "Hinter vorgehaltener Hand haben wir hier in Berlin offen darüber gesprochen. Der Außenminister hat die Akzeptanz der Deutschen insgesamt, aber vor allem seiner Wählerschaft, tragisch überschätzt".

(Foto: Tim Reckmann via WikiCommons/ CC BY-SA 3.0)
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Guido Westerwelle (Außenminister 2009-2013)

Die FDP sei zwar stets eine Bürgerrechtspartei gewesen, ihre Wählerhochburgen seien aber seit jeher immer auch in nationalliberalen, neokonservativen und wirtschaftskonservativen Milieus gewesen. "Westerwelle hat sich da völlig verschätzt und seine Wähler auf der Ebene ihrer im Alltag gut kaschierten Ressentiments verschreckt", so der namhafte Publizist weiter.

Ein erschreckender Befund!

Auch der klinische Psychologe Andreas Rexroth, der zum Thema von unbewussten Vorurteilen und ihren Auswirkungen forscht, bestätigt diese These. "So schlimm es auch ist, wir müssen davon ausgehen, dass der FDP nicht ihre Politik, sondern der Tabubruch ihres Vorsitzenden das Genick gebrochen hat. Westerwelle hat seine Homosexualität öffentlich in bürgerlicher Form dargestellt. Das war auf unbewusster Ebene eine Kampfansage, sowohl an das konservative Bürgertum, aber auch an antibürgerliche schwule Aktivisten".

Abstoßende Erkenntnisse über viele von uns?

Dass dies nicht positiv aufgenommen wurde, sei schlimm und eine verpasste Chance, so der Psychologe weiter. "Es ist tragisch, es wirft kein gutes Licht auf viele von uns, aber es scheint die Wahrheit zu sein", erklärt Rexroth.

Der Tabubruch habe darin bestanden, Homosexualität salonfähig zu machen. "Solange er so eine Art Hofnarr des Bundestages war, stellte sein Schwulsein kein Problem dar. Doch als er mit seinem Mann aus dem Flugzeug stieg und so als Vizekanzler den roten Teppich entlang lief, brannten bei vielen die Sicherungen durch. Das ist ein abstoßender Befund, aber die Daten sprechen dafür".

Und es kommt noch schlimmer!

Dies gelte auch für die Zeit nach Westerwelle als Parteivorsitzender. Man könne es drehen und wenden wie man wolle, die Wähler hätten auch mit einem ethnischen Vietnamesen als Vizekanzler gefremdelt, obwohl er Philipp Rösler hieß und durch und durch deutsch war.

Der blanke Rassismus!

"Ich bekomme am Wahlkampfstand in der Fußgängerzone zu hören: Ich würde Euch ja wählen, aber dafür müsste erst einmal der Chinese weg", sagte der damalige Vorsitzende der Jungen Liberalen der Passauer Neuen Presse.

(Foto: Glyn Lowe Photoworks via WikiCommons/ CC BY-SA 2.0)
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Philipp Rösler (Bundesminister 2009-2013)

Hessens damaliger FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn, der auch Vize-Ministerpräsident und Integrationsminister war, toppte dies noch, indem er die gesellschaftliche Akzeptanz eines "asiatisch aussehenden Vizekanzlers" infrage gestellt hatte. Es war die damalige Opposition im hessischen Landtag, die sich schützend vor Rösler stellte, weniger seine Parteifreunde.

Ein grausiger Befund!

"Seien wir ehrlich, der Befund ist grausam", beendet der in der Hauptstadt bestens vernetzte Publizist seine Analyse, "die FDP ist nicht an ihrer Politik zugrunde gegangen, sondern an Homophobie und Rassismus. Dass Merkel und die Opposition ihr dann auch noch inhaltlich gemeinsam den Rest gegeben haben, das war sekundär.

Diese Wahrheit endlich auszusprechen, ist wichtig. Denn Westerwelle, Rösler und Kollegen ist blanker Hass entgegengeschlagen und die Presse hat mitgemacht, teilweise mit einer sadistischen Lust. Viele von uns tragen da ein ordentliches Päckchen Schuld mit sich herum".

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