„Faul, dumm, gierig und schwach“

Warum wir uns selbst nicht trauen können
Fehlender Sinn für Risiken

Am 27. Mai gab es in der Evangelischen Stadtakademie München einen
interessanten und aus Anlegersicht höchst relevanten Vortrag von
Prof. Dr. Gerd Gigerenzer zum Thema Die Psychologie des Risikos
wie man die richtigen Entscheidungen trifft. Prof. Gigerenzer ist
Psychologe, Geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für
Bildungsforschung in Berlin und Direktor des Harding Zentrums für
Risikokompetenz ein Mann also, der weiß wovon er spricht. Intensiv
hat er die Menschen und deren Verhalten im Umgang mit Risiko und
Unsicherheit erforscht. Und so kam es im Publikum zu manchem
Aha-Erlebnis und beifälligem Nicken, als er den Zuhörern humorvoll
den Spiegel vorhielt: Bei jeder neuen Krise ängstigen wir uns, bis
wir sie vergessen und uns wegen der nächsten ängstigen. Wenn wir
einen Moment innehalten, dann wundern wir uns selbst über solche
Marotten. Im Getriebe und Stress des Alltags aber haben wir dieses
Wissen meist nicht und schon gar nicht abrufbar. Im Ergebnis
verhielten sich die Menschen deshalb nicht nur irrational, sondern
sogar geradezu vorhersagbar irrational. Das zeigt sich in den
Reaktionen auf Krisen egal ob Finanzcrash, Schweinegrippe oder
Terroranschlag , die immer ähnlich ablaufen: Bessere Technologie,
mehr Bürokratie und strengere Gesetze. Aber reicht das, um die
nächste Krise zu verhindern? Ist es überhaupt der richtige Ansatz?

Fehlende Risikokompetenz

Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist habe einmal
geschrieben, dass Menschen faul, dumm, gierig und schwach seien.
Wer sich nun zurücklehnt und denkt, das beträfe vor allem die
anderen, den holt Gigerenzer schnell in die Realität zurück: Das
sind wir! Für Börsianer mag diese Charakterisierung sogar noch
besser zutreffen als für den Bevölkerungsdurchschnitt vor allem
was den Gier-Faktor bei der Jagd nach Rendite betrifft. Der Mensch
als willenloser Sklave seiner Wünsche?!


Aufklärung als Ziel

Ist für Menschen der Umgang mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten
also grundsätzlich hoffnungslos? Dann bräuchte das Volk Experten,
die ihm erklärten, was das Richtige sei eine Form von
Paternalismus. Gigerenzer hält das jedoch nicht nur für eine falsche
Annahme, sondern auch für eine grundfalsche Schlussfolgerung. Sein
Ziel lautet Aufklärung. Denn er geht fest davon aus, dass jeder den
Umgang mit Risiko und Ungewissheit erlernen könne. Schließlich
handle es sich dabei um einfache Prinzipien, sofern man sich denn
traut, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen ein
Kernproblem. Auch nach unserer Beobachtung ermutigt die Gesellschaft
immer weniger zur Übernahme von (Eigen-)Verantwortung. Während nach
unten dem All Inclusive-Nanny-Staat gehuldigt wird, regiert an der
Spitze die Verantwortungslosigkeit nach dem Motto Nach mir die
Sintflut sicher kein tragfähiges Zukunftsmodell.

 
 
10.000 Punkte mal drüber, mal drunter

Wie in der Ausgabe SIW 23/2014 vermutet, bleibt die Marke von 10.000
Punkten im DAX-Performanceindex weiter umkämpft. Sie ist nämlich
nicht nur einfach ein neues Allzeithoch, sondern war auch
(Etappen?-)Ziel einer großen Kursbewegung Psychologie eben. Nach
dem Erreichen der magischen Grenze fehlt es den Marktteilnehmern
an Orientierung. Zudem war der Marsch auf die 10.000 kräftezehrend
und die nächste Marke, an der sich Fantasie entzünden könnte, liegt
erst einmal in weiter Ferne. Auch sind die Nachrichten von der
Konjunkturfront durchwachsen. Die heutige Gewinnwarnung der
Lufthansa (vgl. Chart Aufwärtstrend trotz Kurssturz noch intakt!)
ist da ebenso ein Schlaglicht wie die Stornierung eines Auftrags der
Fluglinie Emirates über 70 Maschinen des Typs Airbus A350. Auch die
Airbus Group (früher EADS) verlor heute überproportional. Schwupps,
entfernte sich der DAX wieder etwas deutlicher von der 10.000er
Marke nach unten.

Dabei hatte sich EZB-Chef Mario Draghi vergangenen Donnerstag solche
Mühe gegeben, die Malaise des Euroraums etwas aufzuhübschen. Der
Leitzins wurde von rekordtiefen 0,25% auf rekordtiefere 0,15%
gesenkt . Rekordtiefere? In der schönen neuen Welt des EZB- und
Banken-Sozialismus sind eben auch Worte steigerbar, die es bislang
nicht waren. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Der eigentliche
Hammer fiel jedoch mit der Erhebung eines Strafzinses von -0,1% für
die Einlagen der Geschäftsbanken bei der EZB. Die wichtige Botschaft
dieses Maßnahmenbündels ist blanke Verzweiflung. Eine Notenbank, die
andere Optionen hätte, als sich auf völlig unbekanntes Terrain
vorzuwagen, würde erst diese Optionen ausschöpfen. Die Lage ist also
ernst. Draghi-Fanboys in den Hauptstromredaktionen schwadronieren
über die durch das ultrabillige Geld befeuerte Entwicklung dann so:
Keineswegs würden Sparer enteignet, sondern lediglich ermutigt, den
Sparguthaben Lebewohl zu sagen, um zu Investoren am Aktienmarkt zu
werden. Auch Mieter würden erkennen, welche Vorteile
Wohnungseigentum hätte. Früher nannte man das einfach eine Blase.
Die Lehren daraus scheint heute aber kaum noch jemand ziehen zu
wollen. Vielleicht bedarf es einer kleinen Auffrischung für das
kollektive Bewusstsein?! Auch das Argument, dass
Aktiengesellschaften vermehrt eigene Aktien aufkaufen, ist
zweischneidig. Denn es ist nicht gerade ein Zeichen für ein gesundes
wirtschaftliches Umfeld, wenn die erfolgreichen Unternehmen in so
gesättigten Märkten operieren, dass der Aktienrückkauf die
attraktivste Investition ist. Die Aktionäre freut es dennoch.

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Fazit

Letzte Woche warnten wir an dieser Stelle davor, dass nach dem
Erreichen magischer Kursmarken häufig erst einmal die Luft raus
ist. Heute brach der DAX wieder kraftvoll durch die 10.000er-Grenze
nach unten. Das kann noch ein paarmal so hin- und hergehen, bevor
eine neue Richtungsentscheidung getroffen wird. Risiko ist eben ein
steter Begleiter der Anleger besonders in luftigen Höhen.

Ralf Flierl, Ralph Malisch

Hinweis auf mögliche Interessenkonflikte:
Ein mit * gekennzeichnetes Wertpapier wird zum Zeitpunkt der
Erscheinung dieser Publikation von mindestens einem Mitarbeiter der
Redaktion gehalten.


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