Familiengerichte Welche Macht haben die Gutachter?





00:26:52






Familiengerichte:
Welche Macht haben die Gutachter?


Gutachter an Familiengerichten sind in die Schlagzeilen geraten: zu unwissenschaftlich, zu schnell und zu schlampig seien ihre Gutachten, monieren Kritiker. Häufig sind die Kritiker jene Eltern, die im Familienverfahren unterlegen sind - auch auf der Grundlage eines psychologischen Gutachtens. Die Macht der Gutachter scheint unbegrenzt: 78 Prozent aller Richter folgen ihren Empfehlungen, ergab eine Umfrage bei Gericht. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn ein Richter schaltet Gutachter in jenen Fällen ein, in denen er alleine nicht weiter kommt.

Wer hat Recht in hochstrittigen Fällen?




Paare in Scheidung - am häufigsten werden Gutachter in "hochstrittigen Fällen" eingeschaltet.

Pflicht ist die Beauftragung eines psychologischen Gutachters immer dann, wenn es um den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung geht, etwa bei psychischen Erkrankungen der Eltern oder bei möglichem sexuellem Missbrauch. Pflicht ist ein psychologisches Gutachten auch, wenn ein Ehepartner vom Umgang oder von der elterlichen Sorge ausgeschlossen werden soll. Besonders häufig aber wird der Gutachter dann eingeschaltet, wenn ein Scheidungspaar sich partout nicht einigen kann, bei welchem Elternteil das Kind leben soll. In diesen sogenannten "hochstrittigen Fällen" hat der Richter einerseits zu wenig Einblick in die Familien. Andererseits ist er als Jurist kein Fachmann für die Frage: Wo ist das Kindeswohl eher gewährleistet?

Wie arbeiten die psychologischen Gutachter?

In der Regel entscheidet der Richter nach den Empfehlungen des Gutachters. Dazu ist er gemäß der Rechtssprechung auch angehalten - wenn er nicht gewichtige Gegenargumente anführen kann.

"Das Abweichen von einem fachpsychologischen Gutachten bedarf einer eingehenden Begründung und des Nachweises eigener Sachkunde des Gerichts. Außerdem muss das Gericht dann anderweitig über eine möglichst zuverlässige Grundlage für die am Kindeswohl orientierte Entscheidung verfügen."

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.5.2007

Psychologische Gutachter sprechen mit den beiden Elternteilen, mit den Kindern und - wenn nötig - noch mit anderen Menschen, die die Familie kennen: Großeltern, Lehrer oder Vertreter des Jugendamtes. Meist sieht er die Eltern und Kinder sowohl zu Hause als auch in seinen Praxisräumen. Wie die Sachverständigen ihre Gutachten verfassen, steht ihnen frei. Es gibt dafür keine Standards. Entsprechend unterschiedlich gehen Gutachter vor, entsprechend unterschiedlich kann auch ihre Empfehlung ausfallen.

Kritik am Gutachterwesen der Familiengerichte




Die Scheidung ist durch - aber wo soll das Kind leben?

Kritiker der psychologischen Gutachter klagen über ihren großen Einfluss auf den Ausgang familienrechtlicher Verfahren. Dabei kommen zwei Faktoren zusammen: Die Familienrichter sind zwar als Juristen kompetente Fachleute, um das gerichtliche Verfahren zu führen. Bei Familienstreitigkeiten brauchen sie aber auch psycholgische Kenntnisse - und daran hapert es in der Praxis oft. Wie wirkt sich die Trennungssituation auf ein Kind aus? Wie erlebt es das Kind, wenn einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird? Häufig wissen die Richter zu wenig über die Folgen ihres Handelns Bescheid. Auf der anderen Seite stehen die psychologischen Gutachter. Ihre Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Meist arbeiten Psychologen als Sachverständige. Aber ein Psychologie-Studium ist keine Zugangsvoraussetzung für diese Tätigkeit. Man findet auch Sozialpädagogen oder Fachfremde wie Heilpädagogen unter den Gutachtern.

Gesetzesreform 2007: Gutachter als Teil der Lösung




Wo sind die Kinder besser aufgehoben? Wenn sich ein Paar nicht einigen kann, gibt der Gutachter seine Empfehlung ab.

In der Praxis treffen Gutachter - im Auftrag der Richter - häufig eine Entscheidung, wer der "bessere Elternteil" ist. Diese Art der Begutachtung führt in der Regel zu noch mehr Spannungen unter den Eltern. Seit der Reform des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen 2009 können Richter den Gutachtern aber auch einen lösungsorientierten Auftrag mitgeben. Das bedeutet: Statt die Defizite der Eltern aufzuzählen, sollen sie sich mit Vater und Mutter an einen Tisch setzen. Die zerstrittenen Eltern sollen sich hinsichtlich ihrer Kinder einigen. Der Richter kann dann einfach das von beiden Seiten ausgehandelte Verhandlungsergebnis übernehmen.

"Die früheren Spielregeln im Verfahren waren: wer es schafft, mit Hilfe eines guten Anwalts den anderen zu demontieren, hat gewonnen. Das hat sich geändert. Die neue Regel heißt: En guter Elternteil ist der, der weiß, wie wichtig der andere Elternteil für die Entwicklung des Kindes ist, und der diese Beziehung auch fördert."

Ursula Kodjoe, psycholgische Gutachterin und Mediatorin

Open all references in tabs: [1 - 4]

Leave a Reply