Experte erklärt – Das sind die Alarmsignale für eine Depression

Tausende erkranken in Deutschland an Depressionen. Das Problem: Betroffene erkennen oft nicht, wie gefährlich die Krankheit sein kann. Prof. Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, erklärt, wie Angehörige die Krankheit erkennen und helfen können.

Woran erkennt man Depressionen?

Prof. Ulrich Hegerl: Es kommen mehrere Krankheitszeichen zusammen. Es ist nicht nur die Stimmung gedrückt, das kommt ja im Leben oft vor, sondern eigentlich ist das ganze Lebensgefüge verändert. Man kann sich über nichts mehr freuen, auch positive Dinge erreichen einen nicht. Man hat große Schwierigkeiten, auch kleine Dinge zu erledigen wegen eines permanenten Erschöpfungsgefühls. Man kann nachts nicht schlafen, liegt grübelnd im Bett. Das ist eine Situation, die ist erstens unerträglich, und zweitens glaube ich, ich komme da nie wieder raus. Das heißt: Hoffnungslosigkeit gehört auch dazu. Das ist ein Zustand mit sehr hohem Leidensdruck.

Wie können Angehörige merken, wenn jemand in ihrem Umfeld depressiv ist?

Hegerl: Wenn Angehörige merken, dass der Partner sich zurückzieht, nicht mehr lacht, vielleicht nicht mal mehr weinen kann - bei schweren Depressionen versiegen die Tränen. Dann ist es sehr, sehr wichtig, dass die Angehörigen den Betroffenen motivieren, sich Hilfe zu holen. Es ist nicht leicht für den Erkrankten zu erkennen, dass es eine Depression ist. Denn er meint dann zum Beispiel, das ist die Überforderung bei der Arbeit oder der Konflikt in der Familie.

Kann man einer Depression vorbeugen?

Hegerl: Es ist jedenfalls schwieriger, als man sich das vorstellt. Allein wenn man Stress reduziert, kann man das, wenn man eine Veranlagung hat, nicht immer verhindern. Das passiert auch oft beim Urlaubsantritt oder in der Rente, wenn man eigentlich keinen manifesten Stress hat. Und Leute, die in Hochleistungsbereichen arbeiten, die werden nicht häufiger depressiv als Leute, die das nicht machen. Menschen mit Teilzeitbeschäftigung werden offensichtlich nach Statistik eher depressiv als Leute, die Vollzeit beschäftigt sind.

Wie lässt sich die Krankheit behandeln?

Hegerl: Wir haben gute Behandlungsmöglichkeiten. Das eine sind Antidepressiva, die nicht süchtig machen, was viele Menschen glauben, und die auch nicht die Persönlichkeit verändern. Die wirken allerdings auch nicht sofort. Da muss man etwa zwei Wochen warten, bis man die positiven Effekte merkt. Das andere sind Psychotherapien. Insbesondere das Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie hat seine Wirksamkeit in guten Studien ausreichend belegt. In der kognitiven Verhaltenstherapie geht es um das Hier und Jetzt, zum Beispiel um Tagesstrukturierung und das Unterbrechen von negativen Grübelschleifen.

Wie hoch ist die Gefahr eines Rückfalls?

Hegerl: Wenn man eine Depression hat, heißt das, dass man wahrscheinlich eine Veranlagung dafür hat. Wenn man die Veranlagung hat, hat man ein erhöhtes Risiko, später erneut depressiv zu werden. Deswegen ist es wichtig, nach der ersten Episode möglichst viel zu lernen: Dass man Frühzeichen erkennt, dass man weiß, was man dagegen tun kann.

Prof. Ulrich Hegerl ist Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

1. Was genau ist eine Depression?

Jedenfalls nicht „das Traurigsein, das Bedrücktsein, das wir aus dem Alltag kennen“, sagt Prof. Ulrich Hegerl. Und auch nicht die Melancholie oder Herbstdepression. Der Mediziner von der Universität Leipzig beschreibt die Krankheit vielmehr als „hässlichen, kalten Zustand“, verbunden mit dem Gefühl, dass „die Luft raus“ ist. Dazu zeigt er das Bild eines aufblasbaren Plastikkrokodils, das schlaff am Boden liegt.

Foto: dpa


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