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Berner Zeitung


«Expansive Geldpolitik ist wie Fremdgehen»

Für Albert Edwards und Dylan Grice von Société Générale wird die aktuelle Geldpolitik schlimme Folgen haben. Die beiden namhaften Global Strategists über die Blase in China, die Eurokrise und «dumme Regeln».

«Ein Brand ist gut für den Wald»: Die beiden Société-Générale-Strategen Dylan Grice und Albert Edwards (rechts). (Bild: Sandra Meier)

«Ein Brand ist gut für den Wald»: Die beiden Société-Générale-Strategen Dylan Grice und Albert Edwards (rechts). (Bild: Sandra Meier)

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Nicht vor ein Kaminfeuer, aber für eine Zugfahrt von Lausanne nach Zürich haben Albert Edwards und Dylan Grice «Finanz und Wirtschaft» zum exklusiven Gespräch eingeladen. Die Strategen von Société Générale
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erklärten gut gelaunt, weshalb sie weiterhin an ihrem Bond-Übergewicht festhalten und wieso die aktuelle Geldpolitik schlimme Folgen haben wird. Der als Super-Bär bekannte Albert Edwards zeigt aber auch so etwas wie Zuversicht: «Wenn wir dieses Jahr noch grosse Enttäuschungen erleben, könnte es nächstes Jahr besser werden.»

Herr Edwards, Herr Grice, wann soll der Investor seine Bonds verkaufen?
Edwards: Wir beide sind davon überzeugt, dass Bonds über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren – vor dem Hintergrund der aktuellen Geldpolitik – eine desaströse Anlage sein werden. Wir werden eine rasante Inflation erleben. Aber kurzfristig bleibt das Risiko einer weiteren Deflation bestehen, und das Gelddrucken hält an.

Die Entwicklung in Europa und den USA hat sich in den letzten Monaten doch verbessert.
Edwards: Das scheint nur so. Es wird weitere zyklische Störungen und konjunkturelle Schwächen geben. Das Umfeld bleibt vorläufig gut für Staatsanleihen. Die Bewertungen könnten noch weiter steigen. Für die nächsten zwölf bis achtzehn Monate sind wir mit unserem Bond-Übergewicht zufrieden. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen werden auf 1% fallen, diejenigen deutscher Bundesanleihen auf 0,75%, und die Notenpresse läuft weiter. Gibt es eine harte konjunkturelle Landung in China, wird es Zeit sein, auszusteigen.

Chinas Konjunktur mag aufgeblasen sein. Aber was bringt die Blase zum Platzen? Peking besitzt eine nahezu 100%ige Kontrolle über das Finanzsystem und verfügt über fast unlimitierte Ressourcen.
Grice: Der Immobilienmarkt verzeichnet schon eine harte Landung, und es sieht so aus, wie wenn er gänzlich einbrechen würde. Das Reporting chinesischer Unternehmen des Immobiliensektors zeigt katastrophale Ergebnisse. Die Regierung dürfte die Kontrollen und Auflagen wieder deutlich lockern.

Also hat Peking die Blase im Griff.
Grice: Ich glaube nicht, dass Peking so viel Kontrolle hat, wie alle denken. Die Regierung verfügt zwar über die Kontrollmechanismen, aber ich bin nicht sicher, ob sie sie mit der nötigen Substanz füllen kann. Die Psychologie kann nicht kontrolliert werden. Jede Blase – das war im Immobiliensektor gut sichtbar – ist getrieben von einer speziellen psychologischen Mentalität. Platzt die Blase, ändert sich die Psychologie. Dem Kollaps des Häusermarktes in den USA folgte ein Notfallstimulus, der die Psychologie jedoch nicht drehen konnte. Auf das Platzen der Technologieblase folgten geldpolitische und fiskalische Stimuli. Es dauerte Jahre, bis sich die Lage normalisierte, obwohl die Tech-Blase im Vergleich zur Immobilienkrise ein geringfügiges Ereignis war. Es ist logisch, zu erwarten, dass die harte Landung des Immobilienmarktes in China jahrelange Bemühungen der Regierung nach sich ziehen wird. Auch wenn China bloss eine sanfte konjunkturelle Landung erleben sollte, wird die folgende Schwäche jahrelang anhalten.

Die europäische Schuldenkrise geht nun in ihr drittes Jahr. Was wurde in den letzten zwei Jahren gemacht, um die Krise zu bewältigen?
Grice: Es wurde Geld gedruckt.

Edwards: Und es wurden ein paar meiner Ansicht nach dumme Regeln eingeführt, die verhindern sollen, dass eine solche Krise nochmals eintritt.

Was konkret meinen Sie damit?
Edwards: Die fiskalischen Regeln in der EU, die weitere Krisen verhindern sollen. Aber auch diese Richtlinien hätten die letzte Krise nicht verhindert.

Grice: Der Fiskalpakt ist grundsätzlich nicht falsch, aber er hat nicht wirklich etwas mit der Krise zu tun. Und nun zum heutigen Zeitpunkt ausgeglichene Budgets anzustreben, birgt politische Risiken. Die EZB druckt Geld und versucht Zeit zu gewinnen. Sie hofft, dass die Regierungen ihre Budgets in den Griff kriegen, die Arbeitsmärkte aufbrechen und ihre Wirtschaften zum Laufen bringen. Die EZB kann zwar Zeit schaffen, aber diese muss auch genutzt werden.

In Krisenzeiten Reformen durchzusetzen, ist schwierig.
Grice: Das trifft besonders für den Arbeitsmarkt zu. Und was versucht wird, genügt noch nicht. In Italien adressieren die Reformen das Problem nicht – es ist dort fast unmöglich, Arbeitskräfte zu entlassen, und wenn, dann nur unter extrem hohen Kosten. Es muss einem Unternehmen möglich sein, Leute zu entlassen, sonst ist es nicht bereit, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Würden Sie ein Auto kaufen, wenn Sie wissen, dass Sie es nie mehr verkaufen dürfen? Das passiert in ganz Europa.
Edwards: Änderungen durchzusetzen, ist fast unmöglich. Zudem gehen viele Projektionen in Italien von einem Trendwachstum von 3% aus – aber die OECD prognostiziert nur gerade 0,5%.

Grice: Wenn ich in London einen Kaffee im Starbucks hole, verstehe ich, dass dort Leute aus Entwicklungs- und Schwellenländern arbeiten. Sie kommen nach London, um sich und ihren Kindern die Chance auf ein besseres Leben zu geben. Aber italienische Jugendliche sollten nicht in diese Kategorie fallen. Dennoch verlassen sie ihr Land, weil sie in Italien wegen der extremen Regulierung des Arbeitsmarktes einfach keine Zukunft haben. Zwischen dem Abfedern und der Lösung der Krise besteht ein grosser Unterschied.

Ökonomen fordern zur Lösung der Staatsschuldenkrise strukturelle Veränderungen und Wachstum. Woher das Wachstum stammen soll, bleibt jedoch meist vage. Ist die rigorose Liberalisierung der Arbeitsmärkte das Zaubermittel?
Edwards: Steigen die Produktivität und die Bevölkerung einer Volkswirtschaft, kann sie wachsen. Viele Regierungen machen den Fehler, die Produktivität mithilfe von Kosteneinsparungen erhöhen zu wollen. Werden Leute entlassen, um die Produktivität zu steigern, ist das keine langfristige Lösung, da kein Wachstum entsteht. Produktivität entsteht durch Innovation und technologischen Fortschritt. Natürlich braucht es auch Regeln und Gesetze, aber eine freilaufende, wenig regulierte Wirtschaft ist besser für die Produktivität.

Grice: Der Arbeitsmarkt ist eine fundamentale Komponente zur Vermögensbildung einer Volkswirtschaft. Wirtschaftliches Wachstum ist eigentlich ganz einfach: Es ist eine menschliche Eigenschaft. Es ist das, was unsere Spezies tut, und das, was uns von anderen Lebewesen unterscheidet.

Bitte?
Grice: Wir versuchen, immer mehr mit weniger Aufwand zu erreichen. Unter tausend Personen gibt es eine mit dem Blick für den Markt, die erkennt, was die Leute wollen – und das dann auch anbietet. Das sind die Wealth Creators, die Wohlstand schaffen. Ihnen dürfen durch extreme Regulierung nicht zu hohe Hürden gestellt werden. In ganz Europa diskutieren die Politiker darüber, wie das Vermögen am besten aufgeteilt werden soll. Aber Vermögen kann nicht verteilt werden, wenn seine Entstehung verunmöglicht wird. Vermögen aufzubauen, wäre gar nicht so schwierig, wenn man die Unternehmen bloss machen lassen würde. Lasst die menschliche Spezies ihr Ding tun!

Edwards: Das kann auf die Geburt und den Tod von Unternehmen und Arbeitsplätzen ausgedehnt werden.

Trifft das auch für den Bankensektor zu?
Edwards und Grice: Ja, natürlich.

Edwards: In Europa beklagen sich Banken, die immer noch vom Staat subventioniert werden, über die verschärfte Regulierung. In Europa sollten mehr Banken die Möglichkeit haben, in Konkurs zu gehen – auch zulasten der Aktionäre und der Obligationäre, wie das in den USA der Fall war und ist. Washington Mutual war einer der grössten Konkursfälle der Welt. Er passierte nach Lehman, und kaum jemand nahm davon Notiz. J. P. Morgan übernahm die Bankeinlagen. Die massiven Staatseingriffe stören das Funktionieren des kapitalistischen Systems. In Bezug auf UBS oder Credit Suisse, die im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz viel grössere Bilanzen aufweisen, ist eine Antwort jedoch schwierig.

Grice: Ich glaube daran, dass ein Waldbrand gut ist für den Wald. Verhindert man Rezessionen um jeden Preis, wird das System geschwächt, und neue Probleme entstehen. Wir haben mehrere kleine Rezessionen verpasst und zahlen nun den Preis dafür. Kritiker sagen, der unregulierte Kapitalismus habe zu einem extrem schlechten Resultat geführt. Aber seit wann sind Banken unreguliert? Der Finanzsektor ist der regulierteste Sektor überhaupt, mit enormen Eintrittsbarrieren. Der Vorwurf ist lächerlich.

Edwards: Auch der Ruf nach einer Aufteilung der Banken greift nicht. Northern Rock war eine Retailbank, Lehman eine Investmentbank. HSBC hatte von beidem. Entscheidend ist das Management.

Der Verschuldungsgrad industrialisierter Länder ist so hoch wie noch nie, ausser nach einem Krieg. Bond-Renditen stiegen zuerst während Jahrzehnten und sind nun mehr als dreissig Jahre lang gesunken. Stehen wir am Anfang eines neuen Zyklus, wie nach dem Zweiten Weltkrieg?
Edwards: Die Renditen werden kurzfristig weiter sinken, aber dann wird der Trend drehen, und sie werden steigen – wie das in Japan bereits der Fall ist. Dann werden die Zentralbanken noch mehr unter Druck stehen, die Renditen tief zu halten, da die Staatsfinanzen durch den Aufwärtstrend zusätzlich belastet werden. Wenn die Inflation anzieht und die Märkte sich mit der Höhe der Staatsverschuldung auseinandersetzen, werden die Notenbanken gezwungen, noch schneller Geld zu drucken.

Grice: Nach dem Zweiten Weltkrieg war viel Wiederaufbau zu leisten, und die Demografie war sehr günstig. Zudem brachen die Länder aus ihrer Beinahe-Autarkie nach der Grossen Depression aus, und der internationale Handel förderte das Wirtschaftswachstum zusätzlich. Es gab also viel Aufwärtspotenzial, nur um wieder eine Normalität herzustellen. Heute haben wir die Kehrseite: alternde Bevölkerung und aufgeblasene Sozialsysteme sowie einen praktisch nicht reformierbaren öffentlichen Sektor. Nicht nur in der Eurozone, auch in Grossbritannien, den USA und Japan sollte der öffentliche Sektor zurückgefahren werden – und nicht ausgebaut, so wie das gemacht wird. Alle sprechen davon, aber mit ganz wenig Ausnahmen geht kein Land dieses Problem an. Dazu braucht es eine weitere Krise.

Edwards: Zu den Bond-Renditen: Die Verschuldung, vor allem auch im Zusammenhang mit den Verpflichtungen der Sozialversicherungen, wird immer grösser. Irgendwann kommen die Sozialversicherungen. Ihre Verbindlichkeiten müssen in die Staatsbilanzen genommen werden. Man kann sie nicht länger ignorieren. Darauf werden die Märkte regieren, da diese Verbindlichkeiten nicht bezahlbar sind. Das ist auch ein Grund für Deflation. Nimmt man den Leuten etwas weg, sparen sie umso mehr. Und um diese Deflation zu vermeiden, wird noch mehr Geld gedruckt werden. Aber irgendwann muss mit Inflation dafür bezahlt werden.

Zurzeit ist Inflation noch kein Thema.
Edwards: Geldpolitische Lockerung ist wie Fremdgehen. Wer die Linie einmal überschreitet und nicht erwischt wird, wird es immer wieder probieren. Das Gleiche gilt für die Geldpolitik: Bislang ist noch keine Inflation aufgetreten – und so denken die Notenbanken, sie kämen weiterhin ohne Folgen mit ihrer Politik davon.

Grice: Die US-Notenbank Fed hat kommuniziert, keine weitere quantitative Lockerung mehr vorzunehmen, ausser im Falle einer Rezession, oder wenn die Teuerung unter 2% fällt. Was als einmalige Notmassnahme gedacht war, ist nun zum Instrument geworden, um kleine Bewegungen der Konsumentenpreise zu verhindern. So weit sind wir schon. Peter Bernholz, der wohl renommierteste Inflationsforscher, kennt weltweit keine Situation, in der eine solche Ausweitung der Notenbankgeldmengen nicht zu Inflation geführt hat. Es ist nicht klar, wann es passiert, aber es wird passieren. Bernholz sagt auch, dass die Notenbanker den psychologischen Druck unterschätzten, unter dem sie stehen, wenn sie den Stimulus zurückziehen wollen. Das ist eine sehr, sehr wichtige Aussage. Wird der Stimulus zurückgefahren, geht das mit einem Rezessionsrisiko einher – und wenn man dieses Risiko eingehen will, wieso hat man dann überhaupt einen Stimulus gemacht?

Edwards: Mervyn King von der Bank of England, der nicht mein bevorzugter Notenbanker ist, macht solch törichte Bemerkungen wie: «All die Leute, die vor Inflation warnten, haben nicht recht behalten.» Er ist wie der Protagonist im Film, der sich vom Hochhaus stürzt und auf dem Weg nach unten sagt: So weit, so gut, es passiert ja nichts! Das ist der Grund, weshalb die Notenbanken ihre expansive Politik weiterführen.

Das Motto Ihrer Investorenkonferenz in Zürich lautete «2012: Das letzte Jahr mit Schmerz und Enttäuschung. . .». Wie ist das zu verstehen?
Edwards: Wahrscheinlich wird China noch in diesem Jahr eine harte Landung erfahren. Im dritten Quartal dürfte den Märkten der Schnauf ausgehen, die USA dürften in eine Rezession zurückfallen und Aktien kräftig einbrechen. Wenn wir diese Enttäuschungen noch 2012 erleben, könnten sich die Möglichkeiten 2013 verbessern. Europäische Aktien sind schon preiswert, der US-Markt ist hingegen teuer. Werden Aktien günstig genug, stellen sie einen guten Inflations-Hedge dar. Wir halten viel Cash, um dann Möglichkeiten wahrnehmen zu können.

Wenn Griechenland Bankferien ausruft, um den Ausstieg aus dem Euro durchzuführen, was soll der Anleger kaufen?
Edwards: Er sollte warten, bis die Drachme abgewertet ist, und dann Griechenland kaufen: ein Haus in Kreta sowie griechische Anlagen und Beteiligungen. (Finanz und Wirtschaft)

Erstellt: 18.04.2012, 20:32 Uhr


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