Essen Sie sich glücklich

Ich bekomme Besuch und werde meinen Gästen ein Menü aus Vorfreude, Glück und Geborgenheit servieren – zubereitet nach dem „Kochbuch der Gefühle“. Wie aber schmecken Wut oder Trauer? Psychologie-Studenten und Koch-Auszubildende aus Hildesheim haben Gefühls-Rezepte entwickelt. Um Stolz und Leidenschaft in Speisefolgen umzuwandeln, haben die Kochteams die Wirkungen von Nahrungsmitteln recherchiert, gekocht, verkostet. Neben 96 Rezepten zu 15 Gefühlen erhält der Leser einen Einblick in die psychologische Beziehung zwischen Kochen, Essen und unserem Empfinden.

„Emotionen und Kochen gehören zusammen. Unsere Gefühlslage bestimmt, was wir essen, wie wir essen. Das, was wir essen, beeinflusst wiederum unsere Emotionen“, sagt die Psychologin Christina Bermeitinger, die gemeinsam mit dem Kochfachlehrer Lasse Althaus das Projekt geleitet hat. Essen, aber auch Kochen, werde meist unbewusst dazu benutzt, um Gefühle zu regulieren. Essen befriedigt grundlegende Bedürfnisse „und führt generell zu einem wohligen, guten, entspannten Gefühl“, erklärt Bermeitinger. Und je nach Gefühlszustand essen wir anders. In gedrückter Stimmung steigt die Vorliebe für „junk food“ oder musiges, cremiges und mildes Essen, in lustvoller Laune hingegen für gesunde, herzhafte, saftige und knackige Speisen. Beides, Nahrung und Gefühle, braucht der Mensch zum Überleben. Doch nicht erst das Essen, bereits Gerüche lösen bestimmte Emotionen aus. Zitrusduft etwa führt zu Freude und Minze lässt uns entspannen.

Beispiel Glück: Neurotransmitter, Botenstoffe im Gehirn, beeinflussen unsere Stimmung. Der „Star“ unter den Neurotransmittern ist das Glückshormon Serotonin. Bestimmte Nahrungsmittel kurbeln den Serotoninspiegel an – das macht uns glücklich. Wie das Glücksklee-Süppchen mit Sauerklee. Säuerliche Nahrungsmittel regen im Gehirn die Produktion von Substanzen an, die beruhigen.



Die stimmungsaufhellende Wirkung einer höheren Kohlenhydratzufuhr wie etwa bei „Feigen im Speckmantel“ ist in Untersuchungen zu Stress, Angst und Unsicherheit nachgewiesen worden. So wählen Versuchspersonen nach experimentell erzeugtem Stress vermehrt kohlenhydratreiche Nahrungsmittel aus. Ebenso kann durch Stress verursachte schlechte Laune durch den Genuss von Süßem oder kohlenhydratreichen Mahlzeiten vermindert werden.

Essen, vor allem gemeinsames, und Emotionen dienen ebenfalls der Kommunikation. Diese Funktion zeigt sich in Mimik, Gestik, Körperhaltung und Bewegung. „Essen ist Reden mit anderen Mitteln.“ Auch ohne Worte „gibt man über sein Essverhalten Informationen über sich selbst und seinen Seelenzustand preis“, meint Bermeitinger.

Essen und Angst vertragen sich nicht

Sie empfiehlt gegen Angst Kakao-Produkte in Maßen: zum Beispiel Tiramisu-Torte. Bei einer begrenzten Anti-Angst-Diät müsse man sich allenfalls Sorgen um Figur oder Zahngesundheit machen. „Essen und Angst vertragen sich nicht: Durch die Ausschüttung von Opiaten und die entspannende Wirkung ist Essen ein gutes Mittel, um Angst zu mildern. Durch Kauen wird Spannung abgebaut und Rituale wie beim Essen sorgen für Sicherheit.“

Auch negative Emotionen werden von den Gefühlsköchen bekocht: Ekel mit einem quietsche-blauen Aperitif und einer Tomatensuppe mit einem Gesicht aus Mozzarella und Oliven; Trauer wird mit heißen süßen Getränken oder Nachspeisen, einer kräftigen Zwiebelsuppe oder Nudeln mit ihren stimmungsaufhellenden Kohlenhydraten kuriert und Gefühlschaos entsprechend dem Satz von Friedrich Nietzsche „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“ in knallbuntem Durcheinander angerichtet.

Zum Thema Wut wird viel in Rot und mit scharfem Chili gearbeitet und wer „vor Wut kocht“ kann sich beim Gemüse-Kleinhacken wunderbar abreagieren. Wut verändert den Körperstoffwechsel: Stresshormone wie Adrenalin werden ausgeschüttet und lassen den Blutdruck steigen, beschleunigen den Puls und die Haarwurzeln richten sich auf. Wut drückt sich im Gesicht durch zusammengezogene Augenbrauen, eine senkrechte Stirnfalte und zusammengepresste Lippen aus. Chronische Wut, also Verbitterung, kann krank machen. Manche Nahrungsmittel lassen Neurotransmitter entstehen, die positive Gefühle schaffen. Beispielsweise beruhigen säuerliche Substanzen wie Joghurt, Kefir und andere Milchprodukte.

Besonders werden viele gute Gefühle wie Euphorie, Fernweh oder Verliebtheit mit Gerichten bedient. Stress erhöht allerdings den Energiebedarf und löst Hunger aus. „Essen kann Belohnung oder Trost bedeuten oder unser Fernweh besänftigen“, erklärt Bermeitinger. „Depression geht häufig mit Appetitlosigkeit einher. Wenn wir verliebt sind, leben wir von Luft und Liebe, haben kaum Hungergefühle, wohl, da bei Verliebtheit im Gehirn ein Hormon (Phenylethylamin) ausgeschüttet wird, das auch mit einem Sättigungsgefühl einhergeht und somit als Appetitzügler wirkt. Dagegen führt Essen bei Personen mit wenig sozialen Kontakten auch gerne mal zu Kummerspeck.“

So schmeckt Vorfreude

„Interessanterweise geht es bei den Wirkungen von bestimmten Nahrungsmitteln häufig nicht nur um den tatsächlichen Einfluss von Inhaltsstoffen auf unseren Körper, sondern die Wirkung verläuft oft gerade über das, was wir darüber glauben“, betont Bermeitinger.

Meinen Gästen werde ich eine Kürbissuppe (Vorfreude) servieren, Feigen im Speckmantel (Glück) und gebackenen Schafskäse (Fernweh), Wirsing-Kohlrouladen (Nostalgie) und zum Dessert Bratäpfel mit Marzipan (Geborgenheit). Auf das sie sich wohlfühlen werden!

Bermeitinger, Althaus: Kochbuch der Gefühle, Gerstenberg, 144 Seiten, 19,80 Euro

www.kochbuch-der-gefuehle.de

Margit Mertens

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