Es muss nicht immer Psychologie sein

Berlin –  

Zigtausende junge Leute zieht es wieder zum Studium nach Berlin. Viel mehr, als es Studienplätze gibt. Immerhin: Zu Beginn des Wintersemesters war es in einigen Fächern wieder etwas leichter, einen Platz zu ergattern. Bewerber aus Berlin haben aber oft das Nachsehen.

„Muss ich mir den Traum von Berlin abschminken?“ fragt bei Facebook ein Abiturient aus Berlin-Lichtenberg. „Ich glaube mal, ja.“ Er hatte recherchiert und festgestellt, dass er nur eine Chance auf ein Studium in Berlin habe, wenn er eine Abiturnote vorweisen könne, die nicht schlechter als 2,3 sei. Doch die hatte er nicht. Mit seiner Note 2,4 erreichte er genau den Durchschnitt der Berliner Abiturienten. Weil aber die Bewerberzahl in vielen Fächern die Zahl der Plätze weit übersteigt, kommen nur die allerbesten Bewerber zum Zuge – und zwar aus der ganzen Bundesrepublik. Viele Einheimische gehen dabei leer aus.


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Berlin ist sehr beliebt bei Studenten. Vor zwei Jahren landete die deutsche Hauptstadt im QS World University Ranking sogar auf Platz 8 der besten Studentenstädte – weit vor Städten wie Amsterdam oder San Francisco. Gewertet wurden etwa der Studenten-Mix, das kulturelle Angebot, die Lebensqualität und die finanziellen Bedingungen.

Studierten im Jahre 2000 noch 131.000 junge Menschen in Berlin, so waren es im vergangenen Jahr bereits fast 166.000. Und was das kommende Semester betrifft, gingen bis Mitte Juli allein für die 3526 zulassungsbeschränkten Studienplätze an der Freien Universität (FU) Berlin gut 29.000 Bewerbungen ein.

Abgebauter Numerus clausus

Doch der Eindruck trügt, was die geringen Chancen von Berliner Abiturienten betrifft. Zwar liegen abschließende Zahlen für das beginnende Semester noch nicht vor, aber vieles spricht dafür, dass es für die Einheimischen in Berlin immer besser wird. Denn die Universitäten haben die Zulassungsbeschränkungen in vielen Fächern wieder aufgehoben. Der sogenannte Numerus clausus (NC) war in den vergangenen Jahren zum Teil flächendeckend eingeführt worden – aufgrund von Sparmaßnahmen und auch wegen des anschwellenden Bewerberstroms aus doppelten Abiturjahrgängen in vielen Bundesländern.

26 Quadratmeter groß ist eine Frachtcontainer-Wohnung in dem Studentendorf, das im Plänterwald entsteht. Im Sommer 2014 soll das Dorf mit insgesamt 400 Containern fertig sein. Der Andrang ist groß. Foto: BLZ/Gerd Engelsmann

Foto: Gerd Engelsmann


Dieser ist inzwischen abgeebbt. So hat etwa die Technische Universität (TU) Berlin zum beginnenden Wintersemester viele Fächer vom NC befreit. Mittlerweile können sich Bewerber in 35 Prozent aller Studiengänge ohne Bewerbungsverfahren einschreiben. Auch die FU nahm den NC von kleineren Fächern.

In wichtigen Fächern setzen die Universitäten aber weiter darauf, die besten Studenten bundesweit zu bekommen. Hierfür ist die Abiturnote noch immer das entscheidende Kriterium. Das führt dazu, dass zum Beispiel der „schlechteste“ Bewerber, der im vergangenen Wintersemester noch einen Studienplatz im Fach Psychologie an der Humboldt-Universität (HU) Berlin erhielt, sein Abi mit 1,0 gemacht hatte. Kein Wunder, bei 48 Bewerbern auf einen Platz. Offenbar reizt viele Bewerber das breite Feld, das sich für Psychologen bietet, auch jenseits von Klinik und Therapie. Man kann im Personalmanagement, in der Beratung, Weiterbildung, als Coach, Konfliktberater, Werbeforscher, Schul- oder Verkehrspsychologe arbeiten.

Als weitere besonders begehrte Fächer gelten in Berlin BWL, Jura, Publizistik, Politikwissenschaft, Architektur, Maschinenbau, Kulturwissenschaft oder Grundschulpädagogik. Nicht zu vergessen ist die stark gestiegene Beliebtheit der Berliner Fachhochschulen. Es sind eben nicht nur Fächer wie Psychologie oder Kulturwissenschaft, die Studenten anziehen, sondern etwa auch das Fach Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule.

Hier bewarben sich für das jetzt beginnende Wintersemester 1838 auf 157 Plätze. Der NC beträgt 1,4. Das Soziale biete der „Generation Y“, die den Sinn des Lebens und der eigenen Tätigkeit stärker hinterfrage als manche Generation vor ihr, „persönliche Verwirklichungschancen“, heißt es aus der Alice-Salomon-Hochschule. Außerdem gebe es im sozialen Feld gute Berufsperspektiven.

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