Es muss nicht das Auge des Gesetzes sein, ein jedes Auge reicht

Wer beobachtet wird und das weiß, wird ein ganz anderer Mensch – edel, hilfreich und gut –, es zeigt sich etwa, wenn bei Wohltätigkeitsveranstaltungen eine TV-Kamera auf Prominente hält. Das hat tiefe Wurzeln, bis hinab zu Fischen, die andere putzen, von Parasiten befreien. Die halten ein waches Auge darauf, ob sie gerade selbst im Auge gehalten werden, von potenziellen Klienten. Bemerken sie einen, putzen sie gut. Ist kein wachendes Auge da, sammeln sie nicht nur Parasiten von der Haut, sondern benagen die Haut selbst.

Und nicht nur wirkliche Augen haben solche Macht, es können auch symbolisierte sein, der christliche Gott wird als Auge in einem Dreieck dargestellt, und bei Indianern wachen augenreiche Totempfähle darüber, dass die Normen eingehalten werden bzw. die Kooperation funktioniert, darum geht es immer beim beobachtenden Blick.

 

Augen heben Zahlungsmoral . . .

Darum ging es auch 2006 an der Newcastle University: In der Küche der Psychologen kam in der Schachtel für das Kaffeegeld nie genug zusammen, Linda Bateson fand Abhilfe und zugleich ein Thema fürs Leben: Sie klebte jede Woche ein anderes Bild auf die Schachtel, Blumen, Tiere, Augen. Hielten die die Kaffeekonsumenten im Blick, bezahlten sie drei Mal so viel wie bei den anderen Bildern (Biology Letters 2, S. 412). Die Testpersonen erfuhren erst hinterher, dass das ein Experiment war, sie werden es sich gemerkt haben, allzu oft kann man so ein Experiment nicht wiederholen.

Aber nun hat Bateson sich wieder etwas ausgedacht, diesmal ging es um die Vermüllung, sie ist ein altes Anliegen von Sozialforschern. Die haben schon erkundet, dass Müll Müll anzieht – wo etwas liegt, wirft man mit geringeren Skrupeln etwas dazu – und dass auch dunkle und verfallene Ecken das tun. Diese „broken windows theory“ wurde auch umgesetzt: Als die Stadt Philadelphia Besitzer verfallener Häuser verpflichtete, die Fassaden zu behübschen, sanken Vermüllung und Kriminalität. Umgekehrt locken verwahrloste Wände zum Normbruch: In einem Experiment in Groningen platzierten Forscher an Fahrrädern auf einem Fahrradparkplatz große Werbezettel: Die wurden weggeworfen, wenn die angrenzenden Hauswände mit Graffiti besprayt waren. Sonst eher nicht.

 

. . . und mindern Vermüllung

Dieses Modell hat Bateson auf dem Uni-Campus nachgespielt: Sie hat große Zettel mit Warnungen vor Raddieben auf die Lenker geheftet, einmal war darauf ein Fahrradschloss abgebildet, einmal ein Augenpaar. Das wirkte, auch wenn es gar nicht so groß war (PeerJ, 1. 12.). Bateson regt an, dass auf Produkte, die leicht weggeworfen werden – etwa Fast-Food-Verpackungen – Augen gedruckt werden. Hauswände will sie verschonen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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