„Es interessiert nicht, was du wirklich willst“ – Studienplatzklagen an der Uni …

48.500 Studenten wollten kommen - 43.500 durften nicht. Die Universität Leipzig hat zum Wintersemester wieder fleißig Absagen verschickt. 790 Fälle landeten beim Verwaltungsgericht. Wer erfolgreich auf Zulassung klagt, für den startet in diesen Tagen das Semester. Bereits in vergangenen Jahren geschafft haben das Kai* (Humanmedizin) und Lisa* (Psychologie). Ein Interview à trois:

Vor dem ersten Anruf beim Anwalt ist in den meisten Fällen schon einiges passiert. Was hat euch zu dem Entschluss gebracht, es mit einer Klage zu versuchen?  

Lisa: Nach dem Abi gab es für mich nur eins: Psychologie studieren. Ich habe mich komplett von Nord bis Süd beworben, an 22 Unis. Und habe 22 Absagen kassiert. Das war eine harte Zeit. Auf die Idee mit dem Einklagen hat mich dann mein Onkel gebracht. Der arbeitet selbst an einer Uni.  

Kai: Ich war mit der Schule fertig und hatte nicht die Noten für Medizin - also habe ich, um Wartesemester zu überbrücken, etwas Medizinnahes im Ausland studiert. Vier Jahre später war ich wie geplant damit fertig – allerdings hatten sich die Wartesemester in der Zwischenzeit von acht auf zwölf erhöht.  

Ihr habt einen Spezialanwalt gesucht und bei der Uni auf Zulassung geklagt. Was hat Euch das gekostet?  

Kai: Ich hatte das große Glück, dass meine Eltern in meine Zukunft investieren wollten, und konnte so an mehreren Unis gleichzeitig klagen. Das erhöht die Chancen.  

Lisa: Das konnte ich mir nicht leisten, weil Muttis Rechtsschutzversicherung nur für eine Klage anteilig bezahlen wollte. Ich hab alles auf eine Karte gesetzt und diese Karte war Leipzig. Etwa 900 Euro aus dem Sommerjob waren trotzdem futsch.  

Und dann ging es reibungslos direkt auf die Hörsaalbank?  

Lisa: Es gab nur zwei Plätze für 33 erfolgreiche Kläger, ich hatte also richtig Losglück. Aber dann ging das ohne Probleme ratzefatz.  

Kai: Bei mir gab es auch 30-mal mehr Kläger als Plätze. Ich hab einen Platz erwischt – und Wochen später wieder verloren. Der Anwalt hatte auf den Widerspruch der Uni einfach nicht reagiert. Also musste ich mich ein zweites Mal mit einem anderen Anwalt einklagen und wurde zum nächsten Semester wieder gelost.  

Was sollten die Universitäten Eurer Meinung nach anders machen?  

Lisa: Psychologie ist das, was ich von Herzen machen will. Aber danach wird einfach nicht gefragt. Es interessiert nicht, was du wirklich willst. Irgendwas muss da geändert werden...  

Kai: Die Abinote sagt nichts über deinen späteren Erfolg als Arzt aus. Man sollte das ganze Zulassungsverfahren umkrempeln, so wie in den USA, und nicht nur auf die Note schauen. Motivationsschreiben, standardisierte Tests, anderes Engagement – das alles kann man einfließen lassen.   

Würdet Ihr den Rechtsweg zum Studium noch einmal gehen?  

Kai: Ich empfehle es jedem, der Schwierigkeiten hat, auf normalem Wege da reinzukommen.  

Lisa: Auf jeden Fall für das Erststudium! Aber wenn es jetzt für einen Masterstudienplatz wieder nicht reicht, dann wird es notfalls halt ein Fernstudium. Ohne Master kann man in der Psychologie nämlich keine Therapeutenausbildung anfangen. 

* Name von der Redakion geändert

Der Autor Ludwig Bundscherer ist Mitglied der Lehrredaktion Campus, einem Gemeinschaftsprojekt des Studiengangs Journalistik der Universität Leipzig und der Leipziger Volkszeitung.

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