Erwachsene drücken Schulbank

Das Berufskolleg Bleibergquelle hat neue Kundschaft, dem „Kinderbildungsgesetz“ (Kibiz) sei Dank. Neuerdings büffeln hier nicht nur junge Erwachsene Fächer wie Pädagogik, Psychologie und Gesundheitslehre, sondern auch gestandene Mitarbeiter aus Kindertagesstätten (KiTa). Die meisten von ihnen waren vorher als Kinderpfleger in den KiTa-Gruppen eingesetzt. Um weiterhin alle Altersgruppe betreuen zu können, müssen sie nun wieder zur Schule.

Die Sachlage ist kompliziert: Ausnahmen für Kräfte, die mindestens 15 Jahre in ihrem Job arbeiten, sind möglich. Bloß lassen sich viele Velberter Träger darauf nicht ein, verweisen darauf, dass möglichst alle Kräfte Erzieher sein sollen, damit sie in jeder Gruppe arbeiten können. Als Pflegerinnen dürften sie nur noch Kinder ab drei Jahren bis zur Einschulung betreuen – oder als dritte Kraft pro Gruppe. Die leisten sich aber die wenigsten Träger. Für viele bleibt nur die Fortbildung oder, auch wenn keiner die Konsequenzen benennen mag, die Kündigung.

Die Stimmung in der Klasse ist deshalb nicht bei jedem gut. Die Stunden können die wenigsten reduzieren, weil sie schon am unteren Gehaltslimit arbeiten. Also flitzen sie von der Arbeit zweimal in der Woche zur Schule, müssen sich um die Familie kümmern und zudem Hausaufgaben machen. „Das ist ganz schön stressig“, finden die meisten.

Steffi Walta, die in Heiligenhaus in einem Projekt für unter Dreijährige arbeitet, kann der Schulung immerhin etwas Positives abgewinnen. „Es wird ein Bogen zwischen Theorie und Praxis gespannt, denn vieles, was man hier noch mal auffrischt, wendet man automatisch an.“ Birgit Wolff (43), die in einer Einrichtung in Essen arbeitet, fällt es schwerer, neben Job und Familie, die Ausbildung noch in den Alltag zu integrieren. Besonders ärgerlich findet sie, dass das Arbeitsamt damals, als sie nach der Erziehungszeit wieder einsteigen wollte, die Weiterbildung nicht finanzieren wollte. „Die Zeit hätte ich mir jetzt sparen können.“ Klassenkameradin Steffi Walta findet es jedoch positiv, dass viele berufserfahrene Kräfte in einer Klasse sitzen. „Das motiviert einen.“

Wie es allerdings nach der dreijährigen Ausbildung für sie weitergeht und ob sie gar als Berufsanfänger, wie einige unken, bezahlt werden, steht noch in den Sternen. Das Kibiz-Gesetz regelt dazu nichts. Auf WAZ-Nachfrage erläutert ein Sprecher des NRW-Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: „Wie die Teilnehmer nach der Ausbildung eingestuft werden, unterliegt der arbeitsvertraglichen Gestaltung zwischen dem Träger und dem Arbeitnehmer.“

Das Berufskolleg Bleibergquelle will künftig zusätzliche Weiterbildungsangebote für Arbeitnehmer anbieten. „Es ist ein Markt da“, hat Schulleiter Ludwig Wenzel beobachtet. Die künftigen Erzieherinnen hingegen warten gespannt ab, ob die Fortbildung ihnen ihren Arbeitsplatz rettet.

Fabienne Piepiora

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