Erste Uni-Vorlesung: Lampenfieber gehört dazu

Nicht nur fr Studenten ist der Start in das erste Semester aufregend. Fr Professoren, die gerade ernannt wurden, gilt das gleichermaen. Wir haben eine Professorin an ihrem ersten Vorlesungstag begleitet.

Autor: TOBIAS KNAACK | 23.10.2012

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Alles neu: Die Professorin fr Gesundheitspsychologie, Olga Pollatos, hlt ihre erste Vorlesung an der Uni Ulm. Die Psychologie-Erstsemester lauschen den Ausfhrungen der 37-Jhrigen. Foto: Oliver Schulz

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Umherlaufende Menschen mit Zetteln in der Hand. Den Blick halb auf das Papier, halb auf die Tren gerichtet, an denen sie vorbeigehen. Raumsuche. Ein paar Meter weiter: Gruppenbildung vor der Tr zu einem Hrsaal. Raum gefunden. Semesterstart. Fr viele junge Menschen in Ulm hat am Montag vergangener Woche ein neuer Lebensabschnitt begonnen: das Studium.

Olga Pollatos kommt eine enge graue Wendeltreppe herunter, hat einen Laptop in der Hand. Sie blickt nach links, dann nach rechts. Raumsuche. Fr einen kurzen Moment zieht es sie nach links, bevor sie nach rechts steuert und schnurstracks den Gang entlang und in den Hrsaal geht. Raum gefunden. Auch Pollatos ist ein Erstsemester. Seit Anfang September ist sie Professorin fr Gesundheitspsychologie am Institut fr Psychologie und Pdagogik.

Die Vorlesung "Biologische Psychologie" ist die erste Lehrveranstaltung, die sie an der Universitt Ulm gibt. Die Frau mit den kirschrot gefrbten schulterlangen Haaren ist zum neuen Semester von der Uni Potsdam nach Ulm gewechselt. In Potsdam war sie Juniorprofessorin, in Ulm wurde sie zur Professorin ernannt. Pollatos ist 37 Jahre alt.

Natrlich habe sie sich auch auf andere Stellen an anderen Universitten beworben. Nach Stationen in Mnchen, Potsdam und im englischen Nottingham ist es nun also Ulm geworden. Den Ausschlag fr die Stelle am Oberen Eselsberg gab unter anderem "die Mglichkeit, ein Fach mitzugestalten." Das sei ihr sehr wichtig. Die Psychologie ist an der Uni Ulm eine junge Disziplin. Erst seit drei Jahren kann man das Fach auf Bachelor studieren, seit diesem Wintersemester gibt es auch den weiterfhrenden Masterstudiengang. "Was mir hier zudem gefllt, ist das junge Team. Bei uns ist keiner 50", sagt sie und lacht. Die Arbeitsbedingungen seien ideal.

Ein weier Schreibtisch vor weien Schrnken, weie Regale, darin ein offener Pappkarton. Zustzlich ein weier Besprechungstisch, davor zwei weie Sthle mit grauem Bezug. "Viele meiner Sachen sind noch in Potsdam. Die kommen aber hoffentlich bald", sagt Pollatos. Immerhin Bilder hat sie schon an die Wnde gehngt, ein wenig Persnliches eben.

Die Sekretrin ist noch in Elternzeit und auch der Weg zu ihrem Bro ist weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick zu finden. "Weltweiter Praktikantenaustausch" steht auf einem Schild. Ein Hinweis auf ihr Bro? Fehlanzeige. "Alles noch im Umbruch", sagt sie.

Das gilt nach der Entscheidung, nach Ulm zu wechseln, auch fr das Privatleben. Ihr Ehemann, in der Werbung ttig, und die zwei Kinder wohnen derzeit noch in Mnchen, ein Umzug ist aber geplant und soll "baldmglichst" vonstatten gehen. "Momentan pendele ich noch die meiste Zeit", sagt die 37-Jhrige. Nur an den Tagen, wenn es abends zu spt wird, nehme sie sich in Ulm ein Hotelzimmer. Ob die Pendelei belastend sei? "Nein, ich will da auch kein groes Aufhebens machen." Die Zeit knne man sehr gut nutzen: um Mails zu lesen, Arbeiten durchzusehen oder aber, um Vorlesungen vorzubereiten.

Die Vorbereitung ist ihr sehr wichtig. "Ich halte die Vorlesung immer einmal vorher Probe", sagt die junge Professorin. "Hufiger aber nicht, weil sonst klingt das schnell wie eine Kassette." Die neuen Mitarbeiter kennenlernen, Antrge fr Gerte stellen, Bestellungen ttigen. Auch an diesem Vormittag klingelt das Telefon mehrmals. In den sechs Wochen seit ihrer Ernennung hat Pollatos sich mit Menschen und Strukturen vertraut gemacht. "Es war ein sehr warmer Empfang, alle waren sehr hilfsbereit", sagt sie.

Zum Mittagessen gibt es blo einen schnellen Kaffee in der Cafeteria, dann muss sich Pollatos mit einem Techniker treffen: Wie funktioniert das Mikrofon? Wie wirkt die Prsentation? Und vor allem: Laufen die darin eingebetteten Videosequenzen? "Jetzt bin ich schon aufgeregt", sagt sie. "Aber Lampenfieber gehrt ja auch dazu."

Hrsaal H45.2 ist prall gefllt. Fast 200 junge Menschen sitzen auf den hellen Holzsitzen der steil ansteigenden Sitzreihen. Es ist Olga Pollatos erste Vorlesung an der Uni Ulm, ihre erste Vorlesung als Professorin. Gleich zu Beginn muss sie am Mikrofon nachjustieren, der Ton bersteuert. Wenig spter funktioniert das Rollo nicht. Auch eines der beiden Videos luft nicht wie geplant. Zweimal muss der Techniker kommen. Beeindrucken lsst sich die 37-Jhrige davon freilich nicht. Ruhig steht sie vor der Leinwand, den Blick die meiste Zeit ins Publikum gerichtet. Die ihr wichtigen Stellen in der Prsentation betont sie mit kleinen Gesten. Von Aufregung keine Spur mehr. Natrlich hat sie bei ihren vorherigen Stationen Lehrveranstaltungen gegeben, sie ist keine Anfngerin. Aber es ist eine neue Stelle, die auch eine neue Verantwortung mit sich bringt: "Ich habe den Studenten gegenber eine Vorbildfunktion."

Als das erste Video luft, setzt sie sich auf die Stufen eines Aufgangs und guckt den Kopf in die Hand gesttzt nach oben - und es wirkt, als sei sie selber mindestens ebenso gebannt wie die Studenten um sie herum. "Ich habe schon immer gerne Wissenschaft gemacht, vor allem mit meinen eigenen Ideen", erklrt sie ihre Begeisterung. "Dieses Wissen jetzt an junge Menschen vermitteln und dabei auch noch seinen Eigeninteressen nachgehen zu knnen, das ist ein Privileg."

Rund 500 Psychologie-Studenten gibt es an der Uni Ulm. Der Studiengang soll, geht es nach Pollatos, mglichst viele praktische Einheiten beinhalten. Ihre eigenen Forschungsschwerpunkte - unter anderem Schmerzverarbeitung und Emotionen, Krperwahrnehmung im Bereich Ernhrung, Gewicht und Sport unter der Fragestellung "Was ist Gesundheit?" - sollen dabei natrlich auch einflieen.

Nach anderthalb Stunden ist die Vorlesung vorbei. Ihr Fazit : "Aufregend, die erste Veranstaltung in dem Raum." Die technischen Probleme? "Nicht wild, das bliche halt." Aber insgesamt sei er doch gut gelaufen - ihr erster Vorlesungstag als Professorin an der Universitt Ulm.

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