Erste Hilfe Karriere Was soll bloß aus mir werden?

Tilo ist 18 Jahre alt und will Arzt werden. Sein Vater schickt ihn mir zum Planen. Nicht dass der Papa etwas gegen das Medizinstudium hätte, nur soll der Junge sich ganz sicher sein, dass eine der vielen anderen Alternativen von E-Health bis Psychologie nicht besser passen. Tilo macht, was Papa sagt.

Früher war die Auswahl an Fächern und Möglichkeiten begrenzt. Heute ist sie kaum noch überschaubar: Die Variationsbreite nimmt zu. Das macht die zufällige Karriere der Elterngeneration zum Auslaufmodell, Spezialisierungsmöglichkeiten locken schon am Anfang. Spezialisierung erfordert aber Planung.

Tilo sagt, dass kaum einer seiner Mitschüler, die gerade im Abi stehen, sich über ihre berufliche Zukunft Gedanken gemacht haben. Wie schaffen Tilos Mitschüler und all die anderen es, sich einen Überblick zu verschaffen? Eine Anleitung in vier Fragen:

  • Wer bin ich?

Ohne die Beschäftigung mit der eigenen Persönlichkeit geht es nicht. Was steuert mich? Woran habe ich Spaß? Wo zeigen sich Kompetenzen? Bin ich eine extrovertierte Person, die sich für den Vertrieb und Teamarbeit begeistern könnte oder eine introvertierte, die lieber forscht und allein sowie inhaltlich arbeitet?

Vorsicht an dieser Stelle vor Tests. Ich rate jungen Menschen dazu, dies im ersten Schritt lieber über Gespräche herauszufinden, auch mit den Eltern und eventuell neutralen Beratern. Danach kann ein Persönlichkeitstest durchaus sinnvoll sein, eine grobe Einschätzung bietet etwa der dem Persönlichkeits-Typologie MBTI nachempfundene kostenlose Typentest.de.

Berufsempfehlende Tests fördern überwiegend unzeitgemäßes Schubladendenken und gehen bei ihren Empfehlungen meist von amerikanischen Job-Vorbildern aus. Die Beschäftigung mit der Persönlichkeit sollte auch die Frage einbeziehen, ob einem eher eine Ausbildung, ein duales Studium oder ein klassisches Studium liegt. So kann eine Ausbildung vor allem für alle sinnvoll sein, die sich noch orientieren möchten, um sich eigener Stärken bewusst zu werden.

  • Was interessiert mich?

Interessen sind ganz besonders wichtig für die Berufsfindung, denn fast alle Studiengänge führen in Berufe, die unterschiedliche Persönlichkeiten zulassen. Überhaupt entwickeln sich moderne Karrieren immer öfter mehr rund um eine Branche, zum Beispiel Medizintechnik, und innerhalb der Branche um ein Thema.

Deshalb ist eine der wichtigsten Fragen, die man sich vor der Entscheidung für Studium oder Ausbildung stellen sollte: Mit welchem Thema möchte ich mich intensiv und länger beschäftigen? Gut zehn Jahre braucht ein Mensch, um wirkliches Tiefenwissen aufzubauen. Das macht diese Entscheidung umso wichtiger, denn wer sich etwa für Logistik entschieden hat und feststellt, dass er keinen Draht dazu hat, kann nur mit starkem Kurswechsel und einem erneuten Studium in die Frühpädagogik wechseln.

  • Welche Möglichkeiten gibt es?

Welche Berufe und Studiengänge gibt es überhaupt? Einen sehr guten Überblick über Ausbildungsberufe bietet das Berufenet der Bundesagentur für Arbeit. In "Berufe im Spiegel der Statistik" lässt sich auch die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und Bestände in diesen Berufen prüfen. Zentrale Informationen über das Studienangebot in Deutschland bietet das CHE-Hochschulranking.

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Diese Experten schreiben wöchentlich wechselnd im KarriereSPIEGEL über Bewerbungen, Karriere und die Wechselfälle des Berufslebens: Gerhard Winkler, Svenja Hofert, Martin Wehrle, Uta Glaubitz (von links oben nach rechts unten)

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Die meisten Informationen sind aber leider sehr dezentral. Ich rate von allzu spezialisierten Studiengängen in aller Regel ab. Weinbetriebswirtschaftslehre eignet sich zum Beispiel nur, wenn das elterliche Weingut übernommen werden will. Wer in anderen Branchen arbeiten möchte, sollte sich allgemeiner orientieren.

Generell ist es der Königsweg, vom allgemeineren Wissen in das speziellere überzugehen. Das ist vielen Studienanfängern nicht klar. Arbeitgeber, die immer stärker in die Studiengangentwicklung eingebunden werden, wünschen sich zwar die frühe Spezialisierung, aber die Beweggründe sind eher egoistisch. Hier entstehen Interessenkonflikte: Der junge Mensch möchte breite Einsetzbarkeit und wenig Bindung an ein kleines Segment. Der Arbeitgeber will genau das Gegenteil.

Weitere Fragen sind: Welchen Ruf haben die unterschiedlichen Angebote? Wo passe ich mit meinem Lernstil am besten rein? Wissenschaftlich orientierte Menschen schätzen oft einen gut und modern ausgestatteten Lehrbetrieb, andere bevorzugen die Lernatmosphäre kleiner Fachhochschulen. Hier empfehlen sich weitere Gespräche mit Studierenden und Ex-Studierenden.

  • Welche Möglichkeiten habe ich persönlich?

Die Abiturnote lässt meist keinen unendlichen Spielraum zu. Doch sollte man sich auch nicht zu stark davon beeinflussen lassen. Recherche hilft, Möglichkeiten zu entdecken, um einen Berufstraum doch noch zu realisieren. Medizin lässt sich zum Beispiel auch in den Niederlanden oder in Ungarn studieren - ohne NC.

Auch die persönliche Durchhaltebereitschaft sollte nicht unterschätzt werden sowie die Bereitschaft sich reinzuhängen, um etwa mit einem Hamburger Abitur ein Ingenieurstudium in Darmstadt zu schaffen. Wichtig auch: Das Stressempfinden ist sehr unterschiedlich. Nicht jeder kann jede Belastung tragen. Die Frage, ob sich ein bestimmter Studiengang mit der Notwendigkeit Geld zu verdienen verbinden lässt, gehört unbedingt dazu.

Tilo hat sich inzwischen für Gesundheitsmanagement entschieden. Das fand er bei näherer Betrachtung doch interessanter und kompatibler zu seinen Neigungen als ein langes Medizinstudium.

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