Einsamkeit, Depression – Wenn Weihnachten auf die Psyche schlägt

Die Feiertage am Jahresende können die Hölle sein. Manche leiden unter Familienstress, andere unter der Leere im Haus. Zum Jahresanfang häufen sich in psychiatrischen Kliniken die Aufnahmen. Wie Weihnachten auf die Psyche schlägt und was man dagegen tun kann.

Die Enkel plärren, die Geschwister streiten sich, der Partner ist sauer und man selbst einfach nur gestresst: Von harmonischen Weihnachten können manche Familien nur träumen. Andersherum gibt es auch diejenigen, die Weihnachten ganz allein verbringen – zum Beispiel, weil kein Partner da ist, es keine enge Bindung zur Familie oder zu Freunden gibt.

Egal ob zu viel Trubel oder zu wenig, die Weihnachtstage können schwer auf die Psyche schlagen. Die Folgen der Belastungen der festlichen Zeit zeigen sich jedoch meist erst nach Silvester, wenn die Aufregung vorbei ist.

Mehr stationäre Aufnahmen zum Jahresanfang

„Zu den Weihnachtstagen gibt es eher weniger stationäre Aufnahmen“, sagt Prof. Dr. Martin Huber, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Stade der Elbe Kliniken, „aber nach Silvester, also zu Jahresbeginn, häufen sich die Neuzugänge dann.“ Besonders die Anzahl der Suizide und die Aufnahme von selbstmordgefährdeten Patienten würde im Januar ansteigen. Einsamkeit am Jahresende sei in diesem Zusammenhang ein entscheidender Faktor, sagt Huber.

Weihnachten könne außerdem viel zwischenmenschlichen Stress mit sich bringen. Auch deshalb gäbe es mehr Aufnahmen in psychiatrische Kliniken zu Beginn des neuen Jahres. Alte Familienkonflikte, die wieder hochkochen, das erste Weihnachten mit Kind nach der Scheidung und Probleme mit dem Partner, mit dem man plötzlich rund um die Uhr zusammen ist, sind nur einige wenige Beispiele dafür, wie nervenzehrend die festliche Zeit sein kann. In diesen Fällen haben die Betroffenen triftige Gründe für ihre gedrückte Stimmung.

Wer sich um Weihnachten herum aber völlig grundlos schlecht gelaunt und antriebslos fühlt, nur noch schlafen möchte und einen gesteigerten Appetit auf Kohlenhydrate hat, der könnte unter einer saisonalen Depression leiden. Die Ursachen für die Depression in der Winterzeit sind nicht ganz geklärt. Lichtmangel scheint aber einer der Gründe zu sein, erklärt Martin Huber: „Im Gegensatz zu den klassischen Depressionen mit Erkrankungshäufung im Frühling und im Herbst hat die Winterdepression vermutlich etwas mit den mangelnden Lichtstunden zu tun. Tatsächlich behandelt man diese Art der depressiven Niedergeschlagenheit auch mit einer Lichttherapie.“

Planen, gelassen sein, Hilfe holen

Betroffenen würde er außerdem raten, sich nicht zuhause einzugraben, sondern so viel wie möglich an die frische Luft zu gehen und sich zu bewegen. Diese saisonale Winterdepression sei außerdem von einem Winter- oder Weihnachtsblues deutlich zu unterscheiden, erklärt Huber: „Es macht einen Unterschied, ob man morgens einfach nicht so richtig Lust hat aufzustehen und allgemein gereizt ist, oder ob man wirklich nicht aus dem Bett kommt und sich nicht mehr in der Lage sieht, den Alltag zu bewältigen.“

Zwar sei beides ernst zu nehmen, aber beides auch glücklicherweise vorübergehend und gut behandelbar. Wer in der dunklen Jahreszeit viel Licht tankt und sich ausreichend bewegt, dem schlägt die Saison auch weniger wahrscheinlich aufs Gemüt.

Grundsätzlich, so Huber, könne man versuchen, Festtags-Tücken wie Familienstress oder Angst vor dem Alleinsein mit guter Planung zu umgehen und mit viel Gelassenheit zu überstehen. Und: „Wenn jemand doch das Gefühl hat: 'Das wird mir alles zu viel', sollte er oder sie sich schon bevor der Trubel beginnt fachlichen Beistand holen.“

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1. Was genau ist eine Depression?

Jedenfalls nicht „das Traurigsein, das Bedrücktsein, das wir aus dem Alltag kennen“, sagt Prof. Ulrich Hegerl. Und auch nicht die Melancholie oder Herbstdepression. Der Mediziner von der Universität Leipzig beschreibt die Krankheit vielmehr als „hässlichen, kalten Zustand“, verbunden mit dem Gefühl, dass „die Luft raus“ ist. Dazu zeigt er das Bild eines aufblasbaren Plastikkrokodils, das schlaff am Boden liegt.

Foto: dpa


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