„Einfach mal blöd in die Welt gucken“


Sabine Asgodom unterhält ein 600-köpfiges Publikum in der Aalener Stadthalle mit temperamentvoller Gelassenheit

Mal ehrlich: Haben Sie sich heute im Büro schon mal so richtig gehen lassen? Drei Minuten lang das eingefrorene Business-Lächeln aus dem Gesicht gewischt und mit den Schultern auch die Mundwinkel hängen lassen? Einfach mal tierisch blöd in die Welt geguckt? Nein? Dann sollten Sie es tun. Jetzt. „Denn wenn wir Stress haben, können wir nicht entscheiden. Stress macht blöd“, sagt Sabine Asgodom am Montagabend vor einem 600-köpfigen Publikum in der Aalener Stadthalle.

Ulrike Wilpert

Aalen. Sabine Asgodom, Referentin des Abends, Powerfrau und mittlerweile eine der bekanntesten Management Trainerinnen Deutschlands, ist früh dran. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Journalisten, Diplom-Psychologen und langjährigen Chefredakteur von „Psychologie heute“, Siegfried Brockert, sitzt sie in der ersten Reihe und wartet geduldig, bis sich der Stadthallensaal gefüllt hat. „Die sieben Schlüssel zur Gelassenheit – so behalten Sie einen klaren Kopf“ ist der Titel des Vortragsabends in der Reihe Ostwürttemberger Impulse, eine Veranstaltung der Schwäbischen Post und der Kreissparkasse Ostalb.
Schwäpo-Marketingleiter Wolfgang Grandjean, begrüßt, und wird am Ende feststellen: „Die Frau kann nicht nur gut Bücher schreiben, sondern auch gut reden.“ Ist ja auch kein Wunder, schließlich ist die gelernte Journalistin Past President der German Speakers Association, der Vereinigung deutscher Spitzentrainer und Mitglied der German Speakers „Hall of Fame“.
Darum wird aus dem Abend auch keine psychologische Therapiestunde. Es wird kein Weihrauch verbrannt und es gibt auch nicht unbedingt neue Erkenntnisse aus der Psychologie. Die Pillen der (Selbst-)Erkenntnis sind süß, weil Asgodom sie dem Publikum auf einem höchst unterhaltsamen, weil anekdotenreichen Tablett serviert. Ihre Hörer, so hat sie irgendwann mal gesagt, sollen nicht nur die im Hirn erkannte Einsicht, sondern die in der ganzen Seele gefühlte Gewissheit mitnehmen: „Ich bin gut, ich kann das und es ist richtig, dass ich für mich und meine Interessen einstehe.“
Sabine Asgodom predigt nicht nur Wasser, sie trinkt es auch, in übertragenem Sinn. Ein Beispiel: Gründe, aus der Haut zu fahren, so gesteht sie dem Publikum, hätten sich ihr am Tag des Vortrags schon viele in den Weg gestellt: Erst hängt sich der Laptop auf, später noch der Mordsstau auf der Autobahn und dann das überhitzte Hotelzimmer . . . Und da soll man nicht austicken? Sabine Asgodom tut es nicht. Sie verlässt sich auf ihre kleinen Tricks des Alltags: Sie hat – wie immer – den Stau eingeplant, ist früh genug losgefahren. Und obendrein ist ihr damit in Aalen auch noch Zeit geblieben, um vom überhitzten Hotel in ein klimatisiertes zu wechseln.
Abends steht sie dann vor einem 600-köpfigen Publikum, füllt die Bühne mit lebhaften Gesten und teils bizarrer Mimik, spricht 105 temperamentvolle Minuten über Gelassenheit und wie man sich dieser Lebenseinstellung über Dankbarkeit, Einfachheit, Achtsamkeit, Mut, Geduld und Vertrauen täglich neu nähern kann. Das übrige überlässt sie der Macht ihrer Stimme, raunzt, kiekst, schreit, flüstert . . . lacht zwischendurch immer wieder über sich und hält gleichzeitig dem Publikum den Spiegel vor. Der Wiedererkennungseffekt ist groß.
„Gelassenheit ist nicht Lässigkeit, nicht Coolness oder Nachlässigkeit. Und Gelassenheit bedeutet auch nicht, dass ich mich scheiden lassen muss, die Kinder zur Adoption freigeben und stattdessen auf einer einsamen Insel rumlungern muss“, stellt die Dozentin für Selbst-PR klar. Sondern Gelassenheit sei eine Erfolg versprechende Lebenseinstellung, die man lernen kann.
Sie erzählt von ihrem persönlichen Schlüsselerlebnis, einem Luftangriff in Eritrea, wo sie als junge Journalistin vor 35 Jahren eine Reportage machen sollte. Beide Zeigefinger in den Ohren und mit weit aufgesperrtem Mund – damit der laute Bombenhagel das Trommelfell nicht platzen lässt – saß sie im Jeep, erstarrt zu einer grotesken Salzsäule. „Damals“, sagt sie, „habe ich nicht gedacht: Oh, ich werde mein Leben verändern.“ Heute weiß sie, dass das Erlebnis etwas mit ihr gemacht hat. „Ich will leben, wie ich leben will. Denn es kann in Sekunden vorbei sein. Und dafür muss man nicht erst nach Eritrea gehen.“
Was also hilft? Sabine Asgodom formuliert das so: Bewusst so zu leben, als wenn dieser Tag Dein letzter sein könnte. Und dazu gehört auch, das, wofür man sich entschieden hat, gern zu machen. Ja, auch die Arbeit. „Die Frage ist doch: Weshalb gehe ich ins Büro, wenn ich mich auf nichts freuen kann? – Naja, es sein denn, ich bin Beamter . . .“ Zur persönlichen Einstellung zu den Dingen, die einen öfter fröhlich-pfeifend durch die Welt gehen lasse, gehört ihrer Meinung nach auch Achtsamkeit, der Genuss der kleinen Alltagsdinge. „Also riechen, spüren, schmecken, wissen, was gerade passiert.“ Aber auch die Achtsamkeit mit uns selbst, mit anderen wieder über die eigenen Wünsche zu reden.
Und Geduld. Mit Menschen, die so ganz anders sind. „Beispielsweise der Schleicher vor uns auf der Straße, der uns zur Weißglut treibt.“ Für diese Fälle hat Asgodom einen Trick entwickelt: Jedesmal stellt sie sich dann vor, der Fahrer vor ihr transportiere eine Hochzeitstorte. „Das hilft.“ Oder wenn die Waschmaschine ausgeschleudert hat und die Tür erst nach einer Minute aufgeht. „Ich könnte bekloppt werden.“ Sie wird es nicht, weil sie sich bewusst ablenkt, die Minute mit leidenschaftlichem Hände eincremen ausfüllt.
Und Mut. Um Neues auszuprobieren, um auch mal zu scheitern. Wie sie selbst, bei ihrem ersten Fernsehauftritt, bei der Vorstellung ihres ersten Buches. „Mit verschränkten Armen wollte ich die dunklen Schweißstellen auf meinem neuen Seidenkleid verdecken. Und hab’ dabei kaum eine Antwort über die Lippen gebracht.“ Ein Reinfall. „Aber jeder kriegt eine zweite Chance.“ Sabine Asgodom hat sie gepackt, mit dem nächsten Buch. Und irgendwann sitzt sie im Nachtcafé zwischen Wieland Backes und Naddel. „Ich durfte das Schlusswort sprechen. Da wusste ich: Das kriegst Du nicht, wenn Du ein Blödmann bist . . .“

© Schwäbische Post 18.06.2013
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