Ein Chemnitzer Professor und der IQ von Asylbewerbern







Foto: Privat



In der Flüchtlingsdebatte hat sich ein Bildungsforscher mit umstrittenen Thesen über die Intelligenz von Migranten zu Wort gemeldet. Kollegen und Studenten sind empört.

Von Oliver Hach
erschienen am 04.12.2015

Chemnitz. Schon Thilo Sarrazin stützte sich in dem Buch "Deutschland schafft sich ab" auf die Arbeiten des Bildungsforschers, jetzt sorgt dieser selbst für eine heftige Kontroverse: Heiner Rindermann, Professor am Institut für Psychologie an der TU Chemnitz, hat in einem im Internet veröffentlichten Artikel indirekt vor sinkender Intelligenz, steigender Kriminalität und einer Gefährdung des sozialen Friedens durch die aktuelle Zuwanderung gewarnt.

In dem Beitrag unter der Überschrift "Ingenieure auf Realschulniveau", der Mitte Oktober bei Focus Online erschien, verweist er auf eine in Chemnitz durchgeführte Studie. Demnach wiesen Asylbewerber mit Universitätsstudium einen Durchschnitts-IQ von 93 auf - "ein Fähigkeitsniveau von Realschülern". Als Ursachen sieht Rindermann fehlende Bildung, aber auch "häufigere Verwandtenheiraten" in muslimischen Gesellschaften und in Afrika. Der Islam wirke sich zugleich als kultureller Faktor negativ aus.

Der Artikel, der als "Weckruf" in der aktuellen Flüchtlingsdebatte formuliert ist, blieb in Chemnitz zunächst unbemerkt - bis sich Studierende der TU an die Antidiskriminierungsstelle des Stura wendeten; der Fachschaftsrat schaltete schließlich das Dekanat ein. Am Dienstag veröffentlichten die Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften und das Institut für Psychologie eine gemeinsame Erklärung. Darin distanzieren sich die unterzeichnenden Professuren "mit Nachdruck von Form und Inhalt der in diesem Artikel vorgenommenen Auseinandersetzung mit einer sensiblen Thematik". Man halte es nicht für legitim, aus der Perspektive und mit dem Status des Fachwissenschaftlers in einem nicht wissenschaftlichen Magazin vermeintliche empirische Fakten selektiv, aus dem Zusammenhang gerissen und ohne prüfbare Quellenangaben mit Tatsachenbehauptungen, Meinungsäußerungen und subjektiven "Prognosen" zu vermengen. Auswahl, Zusammenstellung und Interpretationen der dargestellten Inhalte suggerierten Schlussfolgerungen mit stark diskriminierendem Charakter. "Wir halten diese Darstellung in ihrer Kernaussage für sachlich falsch und in ihrer potenziellen Wirkung für gefährlich", heißt es in der Erklärung.

"Ich war entsetzt, als ich den Artikel gelesen habe", sagte der leitende Institutsdirektor, Bertolt Meyer. Der Professor sprach von einer hochemotionalen Debatte in der Sitzung des Institutsvorstands. Rindermann habe mit seiner Meinung allein gegen acht Kollegen gestanden.

Der umstrittene Forscher legte gestern nach. Auf Anfrage der "Freien Presse" verschickte er ein 16-seitges Dokument, in dem er im Dialog mit einer fiktiven Interviewerin die Kritik zurückweist und Quellen für seine Thesen nennt. Zu der Studie mit den Asylbewerbern sagte er, es handele sich um eine Bachelor-Arbeit. Dem IQ-Test unterzogen sich demnach 29 Personen aus Syrien, Tunesien, Libyen und Russland. Rindermann sprach von einer kleinen Stichprobe, verwies aber auf andere Studien, die die Ergebnisse bestätigten.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass der Psychologie-Professor für Widerspruch sorgt. 2007 sprach er in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur von Schwarzen, Weißen und Asiaten als Rassen und von starken Unterschieden in der Intelligenz zwischen Bewohnern unterschiedlicher Länder. Mehrere Ethnologinnen und Afrikanistinnen warfen Rindermann daraufhin die Verbreitung rassistischer Theorien vor.

 

Korrektur: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Bachelor-Arbeit, die sich mit Bildung und Kompetenz von Asylbewerbern beschäftigt, sei mit "Gut" bewertet worden. Richtig ist, dass Professor Rindermann lediglich allgemein auf eine gute Leistung verwies, ohne eine konkrete Note zu nennen. Außerdem wurde in der früheren Version berichtet, Rindermann habe in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur davon gesprochen, dass Unterschiede in der Intelligenz von Bewohnern unterschiedlicher Länder auch genetisch bedingt seien. In dem Interview sagte Rindermann indes wörtlich: "Ob sie genetisch unterschiedlich verteilt ist, wissen wir nicht so genau, also, was wir genau wissen, dass die Intelligenz sich über verschiedene Länder hinweg stark unterscheidet in ihrem Mittelwert, und wir wissen auch sehr genau, dass auf individueller Ebene hierbei neben Umweltfaktoren auch genetische Faktoren relevant sind."

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