Ehrliche Worte: So können Kinder Arbeitslosigkeit begreifen – saarbruecker

Marktredwitz.

Die junge Frau ist alleinerziehend und noch dazu arbeitslos. Dass sie in Hartz IV gerutscht ist, bereitet ihr zwar große Probleme, ist aber keine Katastrophe. Am meisten leidet ihre Tochter unter der Situation. Denn sie ist die Einzige, die mit dem Markenbewusstsein ihrer Mitschüler nicht mithalten kann. Als die Mutter schließlich Geld ausgibt, das sie eigentlich nicht hat, um ihrer Tochter ein Handy oder Klamotten zu kaufen, ist das für sie der Beginn einer finanziellen Krise.

So wie der jungen Frau geht es vielen arbeitslosen Müttern oder Vätern - erst recht, wenn sie alleinerziehend sind -, weiß Gerhard Strunz. Er ist Sozialsekretär des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in Marktredwitz. «Das Gespräch mit dieser Mutter hat mich nie mehr losgelassen», erzählt Strunz. Er plädiert dafür, Kinder über eine prekäre finanzielle Lage aufzuklären. «Es ist einfach wichtig, die Schwierigkeiten nicht zuzudecken, sondern vom ersten Tag an mit der Familie offen darüber zu sprechen.» Wie sehr Kinder letztlich unter der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern leiden, hängt vom Einzelfall ab. Meist sind es die Reaktionen in der Schule, die das Problem verstärken und Kinder sowie Eltern psychisch belasten.

Das beobachtet auch Falko Liecke, Dezernent für Jugend und Gesundheit am Bezirksamt Neukölln in Berlin. «Die Familien kommen meistens erst dann zu uns, wenn sie nicht nur von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sondern auch noch andere Probleme haben», erklärt er. Das können Ängste, psychische Schwierigkeiten oder finanzielle Engpässe sein. Oft passiere es, dass vor allem Eltern mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten kaum in der Lage sind, ihre Situation den Kindern angemessen zu vermitteln. Doch wie kann das gelingen? Und ab welchem Alter kann man mit den Kindern offen darüber sprechen?

Auch darauf weiß Falko Liecke eine Antwort: «Mit Kindern muss man natürlich sehr behutsam reden und das Ganze altersgerecht erklären.» Zum Beispiel, dass es nicht jeden Tag ein Eis oder einen Freibadbesuch geben kann, weil Mama und Papa wenig Geld haben. «Bei Jugendlichen kann man hingegen schon Klartext sprechen.» Doch egal, wie alt die Kinder und Jugendlichen sind: Wichtig ist es nach Meinung des Dezernenten in erster Linie, sie möglichst aus den familiären Streitigkeiten herauszuhalten und ihnen nicht das Gefühl zu geben, dass sie Schuld sind an der schwierigen Lage.

Doch was ist, wenn sich die Kinder sich immer mehr zurückziehen? Vor allem, wenn ein Elternteil schon lange Zeit arbeitslos ist und die finanziellen Nöte in der Familie immer mehr zunehmen, ist die Gefahr von depressiven Symptomen und sozialem Rückzug groß. Unterstützung können die Betroffenen zum Beispiel in psychologischen Beratungsstellen finden. Meist arbeiten diese eng mit den Arbeitslosenberatungszentren zusammen. «Entscheidend ist in erster Linie, dass die Eltern erkennen, dass die Verantwortung, etwas zu ändern, bei ihnen liegt», erklärt Andreas Mattenschlager, Leiter der psychologischen- und Lebensberatung der Caritas in Ulm.

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