Eckart von Hirschhausen

Herr Dr. von Hirschhausen, worin unterscheiden sich die Liebesbeweise der Männer von denen der Frauen?
Männer neigen in einer Krise oder frisch getrennt zu großen dramatischen Gesten, steigen als Liebesbeweis in ein Flugzeug und schreiben „Komm zurück, Petra“ an den Himmel. Während Petra, die Manfred aus gutem Grund verlassen hat, unten steht und denkt: „Hoffentlich sieht es keiner“. Die Paradoxie der Liebe heißt oft auch, Unsicherheit auszuhalten. In dem Moment, wo man Beweise einfordert, ist eigentlich schon der erste Knacks da nach dem Motto: „Würdest du für mich auch ans Ende der Welt gehen?“ „Ja“ „Würdest du für mich dort auch bleiben?“

Manche Frauen glauben, sie könnten ihre Liebe durch Aufopferung beweisen. So wie das christliche Symbol des sich aufopfernden Pelikans, der sich seine Brust aufreißt, um seine Jungen mit seinem Blut zu füttern…
Die „Liebe“ ist ein weites Feld: das geht von Eros bis zur bedingungslosen Selbstaufgabe. Das Wort „Aufopferung“ enthält eine große emotionale Falltür. Wenn der eine ständig „Opfer“ bringt, ist der andere immer „in Schuld“. Und das funktioniert schlecht. Der Pelikan sorgt sich ja um seinen Nachwuchs, nicht um seinen Partner. Aber wer weiß: vielleicht ist die Pelikan-Mama auch enttäuscht, wenn die Jungen flügge werden, dass sie nie anrufen!
 
Zählt Sex als Liebesbeweis?
Beim Thema Sex tue ich mich mit dem Ausdruck „Liebesbeweis“ etwas schwer. Da Frauen beim Sex jahrhundertelang Gefahr liefen, schwanger zu werden, sind sie viel selektiver, also ist Sex bei ihnen tendenziell eher ein Liebesbeweis als beim Mann. Aber in Langzeitbeziehungen nimmt die Libido ab, das ist ganz normal.
Mein Bühnenprogramm basiert ja auf der Medizin und Psychologie. Und die größten Lacher und Aha-Erlebnisse gibt es immer, wenn man plötzlich etwas versteht, was man bisher nie in diesem Zusammenhang gesehen hat. Ich zeige zum Beispiel ein MRT-Bild des Gehirns beim Orgasmus. Und da wird es regelrecht duster, d.h. die Metapher vom „kleinen Tod“ stimmt. Nach dem Sex wird Oxytocin ausgeschüttet, das Bindungshormon, was auch beim Stillen der Säuglinge eine große Rolle spielt. Warum heißt es Stillen? Weil das Kind danach still ist, satt und selig einschläft. Wie der Mann nach dem Orgasmus.

Welcher Mann ist, evolutionstechnisch gesehen, eigentlich der Gewinner? Der sanfte, smarte Mann oder doch der Macho?
Frauen haben verschiedene Ärzte. Zum einen gehen sie, wenn sie etwas haben. Zum anderen, wenn ihnen etwas fehlt. Das ist mit den Männern sehr ähnlich, da gibt es den Versorger zum Reden und den Besorger für die wilde Nacht. Die Machos sterben nicht aus, weil die Frauen um den Eisprung herum die Testosteron- beladenen Männer bevorzugen, aber wenn es um den Nestbau geht, kommen die Sanften zum Zug.
 
Die Evolution will also, dass sich der nette, bindungsfähige Mann fortpflanzt…

Ja, bloß die werden dann betrogen und ziehen Kinder heran, die nicht unbedingt ihre eigenen sind (lacht).
 
Welcher Typ sind Sie eigentlich?
Ich bin eine gute Mischung! Man lernt ja ein Leben lang von den Frauen dazu. Aber vielleicht ist das auch nur nachlassendes Testosteron (lacht).

Empfehlen Sie einem glücklichen Paar den „Bund fürs Leben“? Die Trauungsformel „Bis dass der Tod euch scheidet“ stammt ja aus einer Zeit, in der die Leute nicht älter geworden sind als 30…
Stimmt – heute müsste es heißen: bis dass ihr euch wünscht, dass der Tod euch scheidet (lacht). Ich mag die Metapher des eigenen Lebens als Film. Jeder hat seine eigenen Filme im Kopf, die meisten mit Happy End. Für eine glückliche Beziehung sollten die „Drehbücher“ ähnlich und kompatibel sein. Eine Ehe funktioniert schlecht, wenn der eine Romanze und der andere Action-Thriller will, wenn Rambo mit Rosamunde Pilcher versucht eine Familie zu gründen oder Lara Croft mit Mister Bean.

Ist denn die Ehe überhaupt noch zeitgemäß?
Nicht für jeden. Es gibt sehr unterschiedliche Bindungstypen, die Psychologen nennen das „Serielle Monogamie“, man bindet sich, bekommt Kinder, aber nicht mit dem Dogma „bis dass der Tod euch scheidet“. In meinem Programm heißt das: Modell Topfpflanze beziehungsweise das Modell Schnittblume. Die Topfpflanze wächst nicht in den Himmel und bleibt bei ihrem Topf. Die Schnittblume steht für die Schönheit des Augenblicks, das Genießen und wenn sie welkt, dann kommt eben die nächste.

Gibt es eigentlich einen psychologischen Trick, mit dem sich herausfinden lässt, ob der eigene Partner der Richtige ist?
Es klingt unglaublich spießig, aber hat einen wahren Kern: Meine Großmama empfahl mir bereits, ich möge mir doch meine Zukünftige einmal auf dem Sofa meiner Eltern vorstellen. Und dann bekommt man schon ein Gefühl, ob es grundsätzlich passt. Natürlich will man nie so werden wie die Eltern – aber dummerweise wird man es doch, weil Werte, Erziehung und Temperament weitergegeben werden. Langfristig glücklich werden Paare mit vielen Gemeinsamkeiten. Mann und Frau zu sein reicht als Unterschied für ein Leben lang aus. Das ist schon kompliziert genug!

Nehmen wir an, mein Partner hat keinen Humor. Kann er den noch lernen?
Ja, denn die meisten Menschen haben ja Humor, nur ist ihre Angst größer, sich zu blamieren. In vertrauter Umgebung sollten Menschen an Attraktivität und Humor gewinnen – und nicht umgekehrt. Aber wer grundsätzlich keine Freude daran hat, sich selber auf den Arm zu nehmen, dem würde ich auch nicht meine Hand geben. Frauen wollen immer einen Mann mit Humor. Männer auch eine Frau mit Humor. Ich vermute aber, die meinen etwas anderes. Die Frau will einen, der witzig ist, der Mann will eine, die ihn witzig findet....
 
Warum gelten Romeo und Julia seit Jahrhunderten als das Liebespaar? Sehr humorvoll ging es da ja nun nicht zu…
Romeo und Julia  gelten als das Liebespaar, weil sie es so schwer hatten und für die große Liebe in den Tod gingen. Vollkommener Quatsch! Die beiden hatten es leicht, sie mussten es ja nie ernsthaft miteinander im Alltag klar kommen. Was ist daran so schwer, sich über den Balkon hinweg anzuschmachten? Und wie romantisch – sie konnten sich erst im Tode vereinen. Nennen Sie mich unromantisch, aber ich vereine mich am liebsten lebendig!

Ihr Buch „Glück kommt selten allein“ ist seit Erscheinen 2009 ein Bestseller. Wenn so viele Leute Glücks-Bücher kaufen scheint das Unglücklichsein weit verbreitet. Warum?
Die unliebsame Wahrheit ist: wir sind gut darin, das Glück zu suchen. Aber immanent schlecht darin, es zu behalten. Mit einfachen Glücksrezepten ist es wie mit Diäten oder Erkältungsmitteln: Gäbe es ein gutes Rezept für alle – es hätte sich schon herumgesprochen. Mein wesentlicher Beitrag in meinem Buch „Glück kommt selten allein“ war zu sortieren, was wir alles unglücklicherweise mit dem einen Wort „Glück“ bezeichnen – von Lottogewinn über Schokolade bis zum erfüllten Leben mit Sinn, Freude und Freunden. Kein Wunder, dass wir verwirrt sind.

Dann helfen Sie uns!
Meine zentrale Idee lautet: Glück ist paradox. Und bei meiner Suche nach dem Glück bin ich auf kuriose Dinge gestoßen, z.B. dass Schönheit traurig macht…

… wieso macht Schönheit traurig?
Weil man nicht weiß, ob die Zuneigung einem selber gilt oder der Hülle. Man kann zeigen, dass Frauen, die sehr hübsch sind, in der zweiten Lebenshälfte öfter depressiv werden. Auf Grund ihrer äußeren Vorzüge waren sie immer privilegiert. Deshalb leiden sie umso mehr, wenn diese Privilegien wegfallen und an die nächste 25-jährige vergeben werden.

Darüber hilft einem dann der Psychologe hinweg.
Heutzutage rennt jeder gleich zum Psychologen, das ist völliger Unsinn. Forschungen zum 11. September haben ergeben, dass die Leute, die sofort drei Mal die Woche zum Psychologen gegangen sind, langfristig schlechter damit klar kommen, als die, die man in Ruhe lässt und die in ihrem eigenen Rhythmus die Belastung verarbeiten können. Man nimmt an, dass es ein seelisches Immunsystem gibt. Je größer die Bedrohung, desto stärker springt das an. Viele kleine Stressmomente sind viel schwerer zu verarbeiten als ein großer Schicksalsschlag.

Warum waren Selbstanalyse und Glück für unsere Eltern und Großeltern nie ein Thema? Waren die glücklicher als wir, obwohl es uns heute viel besser geht als ihnen?
Ich weiß nicht, ob sie glücklicher waren, aber vielleicht waren sie ein bisschen weiser. Die Familien meiner beider Großeltern haben im zweiten Weltkrieg Hab und Gut verloren, aber das hat ihnen Zeit ihres Lebens klar gemacht: die beste Investition sind Bildung und Beziehungen. Wenn alles Materielle weg ist, bleibt einem, was man im Kopf und wen man im Herzen hat, Freunde, Familie und auch religiöse Überzeugungen. Und kurioserweise bestätigt die moderne Glücksforschung genau diesen hohen Stellenwert von nicht-materiellen Zielen im Leben und die „Ansteckung“ durch positive Gefühle.

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Welche Rolle spielte Glück für Ihre Karriere?
Eine große, wie immer. Der größte Irrtum von „Erfolgsratgebern“ und Autobiographien ist, das Leben sei planbar. Hartnäckigkeit hilft, das stimmt. Aber ich hatte zum Beispiel das „Glück“, dass aufgrund einer Stellenstreichung an meiner Klinik ich nicht direkt übernommen werden konnte, in dem halben Jahr habe ich mit dem journalistischen Schreiben angefangen und Kabarett gemacht. Sonst wär ich vielleicht heute Chefarzt irgendwo und wir hätten nie dieses Interview geführt!

Warum machen Sie eigentlich medizinisches Kabarett, aber kein politisches?
Als Hofnarr habe ich die viel größere Freiheit und Wirkung. Und hinter den Kulissen setze ich mich durchaus für politische Dinge ein, von Mehrgenerationenhäusern über Glück und Gesundheit als Schulfach bis hin zu einer werbefreien, unabhängigen und vor allem verständlichen Informationsseite über Medizin im Internet.

Würde sich die deutsche Gesundheitspolitik, die sie sicher verfolgen, nicht gut für’s Kabarett eignen?
Politische Kabarettisten tun immer so, als wüssten sie, was besser wäre. Bei sowas Komplexen wie der Gesundheitspolitik erschöpft sich das in gepflegten Vorurteilen. Was ich tue ist viel lehrreicher als über Guido Westerwelle oder Angela Merkel Witze zu machen. Die Leute lernen bei mir etwas, was ihnen im Alltag weiterhilft. Beim politischen Kabarett regt man sich auf, dass nicht umgesetzt wurde, was vor der Wahl gesagt wurde, aber der Erkenntnisgewinn ist gleich null. Und der politische Kabarettist hat ja eigentlich auch nicht mehr Ahnung als das was im Spiegel und in der Süddeutschen steht.

Bücher, Tourneen, Fernsehshows – woher nehmen Sie die Energie für all das?
Wer sein Hobby zum Beruf macht, muss nie mehr arbeiten. Brauchen Sie die Bühne und den Applaus um glücklich zu sein? Ja. Wer mich aus dem Fernsehen kennt, kennt mich nicht. Ich bin am glücklichsten und am besten „live on stage“. Jeder Abend ist anders. Ich liebe das Spontane, das Improvisieren, den Dialog mit dem Publikum. Das lässt sich im Fernsehen alles nicht machen. Also: vorbeikommen! Ich bin auch da!

Interview: Marie v. Baumbach

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