«Ebola überforderte alle»



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«Ebola überforderte alle»

Thomas Nierle ist Präsident von Médecins sans Frontières Schweiz und zugleich Chefarzt im Regionalspital Moutier BE. Wiederholt leistete er Hilfseinsätze in Ebola-Krisengebieten in Westafrika.

Hat in Moutier Ruhe gefunden: Chefarzt Thomas Nierle. Foto: Christian Flierl

Hat in Moutier Ruhe gefunden: Chefarzt Thomas Nierle. Foto: Christian Flierl


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Ebolaepidemie am Abflauen

Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Ebola­virus nimmt seit Ende 2014 in den drei am stärksten betroffenen Ländern Liberia, Sierra Leone und Guinea stetig ab. Einzig in Sierra Leone, das mit rund 11'100 Ansteckungen die höchsten Fallzahlen aufweist, stieg die Zahl in den letzten Wochen wieder leicht an. Gemäss dem aktuellsten wöchentlichen Ebolabulletin der Weltgesundheitsorganisation vom 18. Februar erkrankten bisher insgesamt 23'253 Personen an Ebola (davon 833 Hilfs- kräfte), 9380 Menschen (488 Hilfskräfte) starben an den Folgen der Infektion. (TA)

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Mittags ist das Städtchen Moutier im Berner Jura wie ausgestorben. Das abgelegen auf einem Hügel stehende Regionalspital schlummert erst recht vor sich hin. Auf den Gängen ist ausser leeren Betten wenig zu sehen. Die Patienten vermutet man essend oder schlafend in ihren Zimmern. Thomas Nierle, Spezialist für Innere und Notfallmedizin und seit fünf Jahren Chefarzt des Spitals, schätzt die Ruhe und Gelassenheit in der Klinik. Zwar hat das Spital eine 24-Stunden-Notaufnahme, aber sein Einzugs­gebiet ist mit 25'000 Einwohnern nicht sehr gross. Hektik kommt selten auf. Schwere, komplizierte Eingriffe und ­Behandlungen werden meist im Berner Inselspital vorgenommen. Nierle sagt: «Hier in Moutier sind wir nahe bei den Menschen. Wir bieten keine Laufbandmedizin, sondern kennen die Patienten und ihre Krankheitsgeschichten genau.»

Nach dieser Welt, wie er sie nun in Moutier geniesst, hat der 48 Jahre alte Arzt aus Ulm an der Donau lange Jahre gesucht. Sie ist seine Gegenwelt zum hektischen Alltag in der Nichtregierungs­organisation Médecins sans Frontières (MSF). Nierle braucht beides: Die reflektierte, entschleunigte Erste-Welt-Medizin im Regionalspital und die kräfte­zehrende Notfallmedizin in den ­Krisen- und Kriegsgebieten rund um den ­Globus. Beidem widmet er sich aktuell zu je 50 Prozent. Obwohl Nierle seit 2014 dem Genfer Servicezentrum von MSF als Verwaltungsratspräsident vorsteht und seither viel Organisatorisches erledigen muss, will er den Ärztekittel als Krisenmediziner nicht abstreifen. Ganz im ­Gegenteil.

Krise geriet ausser Kontrolle

Nierle ist nach wie vor in Krisengebieten unterwegs. Den Ausbruch der Ebola­epidemie in Westafrika im vorigen März und den Kampf gegen das Virus hat er vor Ort beobachtet. Nierle half beim Aufbau erster Behandlungszentren und leistete Einsätze in den wasserdichten Schutzanzügen, in denen die Temperatur bis auf 45 Grad steigt und man sich spätestens nach 45 Minuten entkräftet ersetzen lassen muss.

«Es war zynisch. Niemand kümmerte sich um die Ebolakrise», erinnert er sich. Vielmehr hätten westliche Staaten so getan, als würde man das Ebolavirus gerade entdecken. «Die Staatengemeinschaft war nicht auf eine solche Krise vorbereitet und die betroffenen Entwicklungsländer noch viel weniger. Alle waren überfordert, auch wir Médecins sans Frontières», gesteht Nierle. Die Zahl der Ansteckungen geriet ausser Kontrolle und wäre ohne den Einsatz der NGOs wohl noch viel höher (siehe Box). Doch Nierle vermag kein Erlebnis mehr nachhaltig zu erschüttern, auch die noch immer nicht bewältigte Ebolakrise nicht.

Seine Karriere bei Médecins sans Frontières begann er Ende der 1990er-Jahre. Den ersten Einsatz leistete er ausgerechnet im afghanischen Bürgerkrieg an der Seite von lokalen Ärzten. Schon damals litt die Zivilbevölkerung massiv unter dem seit nunmehr 35 Jahren währenden Bürgerkrieg. In den Spitälern herrschte das nackte Chaos. Oft wurden bis zu 15 Patienten gleichzeitig eingeliefert. Opfer von Bombardements, aber auch Verletzte nach Minenexplosionen. Verwundete Zivilisten und Soldaten der afghanischen Armee lagen plötzlich neben Kämpfern der Taliban. Nierle sagt: «Es ist nicht die Aufgabe von uns Ärzten, rationale Erklärungen für kriegerische Auseinandersetzungen zu finden.»

Die Sinnfrage stellte er sich erst im Jahr 2002, als Unbekannte bei einem Kriseneinsatz in Dagestan im Nordkaukasus den holländischen MSF-Mitarbeiter Arjan Erkel entführten. Thomas Nierle bekam den Auftrag, mit den Entführern in Kontakt zu treten und über Erkels Freilassung zu verhandeln. Sein Engagement zog sich über 20 Monate hin und hatte mit humanitärer Arbeit, die der 48-Jährige eigentlich leisten wollte, nichts mehr zu tun. «Plötzlich war ich von finsteren Typen und irgendwelchen Geheimdienstagenten umgeben, die alle davon sprachen, Arjan Erkel zu befreien», sagt Nierle. «Doch zum Teil bekam ich das Gefühl, als steckten sie selbst hinter der Entführung.»

Schlechtes Zeugnis für WHO

Am Ende bezahlte die holländische Regierung ein Lösegeld. Erkel kam frei. Doch Nierle hatte genug gesehen. «Jetzt reichts!», sagte er sich und zog sich, von den langwierigen Verhandlungen zermürbt und ausgebrannt, aus der NGO zurück. Die Lust, wieder für Médecins sans Frontières zu arbeiten, kehrte erst zurück, als er in zivilen Spitälern tätig war: zuerst als Oberarzt in Siders, später am Unispital Genf, wo er sich in der klinischen Notfallmedizin weiterbildete, und nun als Chefarzt in Moutier.

«Die Ebolakrise», fordert Nierle, «darf nicht in Vergessenheit geraten, auch wenn die Medien über das Thema nun schon genug geschrieben haben und gesättigt scheinen.» Vielmehr gelte es schon heute, die Lehren aus der Krise zu ziehen. Der Intervention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der UNO stellt er ein schlechtes Zeugnis aus. Ebola habe einmal mehr verdeutlicht: «Je grösser eine Organisation ist, desto schwerfälliger ist sie», sagt der 48-Jährige. Doch auf eine andere Erkenntnis legt er Wert. «Mit Geldzahlungen alleine ist es nicht getan. Die Staatengemeinschaft muss sich auch direkt engagieren, zum Beispiel mit der Entsendung von Hilfskräften. Denn die nächste Virus­epidemie kommt bestimmt.»

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 22.02.2015, 18:01 Uhr


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