Die Spuren im Körper

von Chantal Willers

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Arkadi Zaides bringt in „Land Research“ israelischen und palästinensische Tänzer zusammen

Es braucht Zeit einen Menschen zu erkennen, wirklich das zu sehen, was hinter der Fassade steckt. In den Tiefen der menschlichen Psyche nach den Dingen zu forschen, die jemandem zu dem Menschen machen, der er ist. Manche nennen es Psychologie, andere Intuition, aber die Menschen zu sehen wie sie wirklich sind, ist eine komplexe Sache. Scheinbar ebenso schwer zugänglich scheint der Versuch, den menschlichen Körper in das Zentrum einer choreografischen, filmischen und fotografischen Inszenierung zu stellen, dessen Thema der Kampf um Land und damit auch um die eigene Identität ist. Arkadi Zaides liebt es komplex und will sich in seiner neuesten Inszenierung diesem vielschichtigen Thema widmen. „Land Research“ wird am kommenden Freitag im Rahmen der Potsdamer Tanztage uraufgeführt.

Arkadi Zaides, 1979 in der Sowjetunion geboren, immigrierte 1990 mit seiner Familie nach Israel. Israel, ein Land voller Unruhen. Ein Land in dem überall Spannung herrscht, erzählt Zaides, der als freier Choreograf in Tel-Aviv lebt und arbeitet in einer Probenpause im Café der „fabrik“. Besonders in so einem spannungsgeladenen Umfeld sei Ruhe ein höchst seltenes Gut. Nie komme er dazu, sich hinzusetzen und einen Sonnenuntergang zu genießen. Zu präsent sind die politischen Umbrüche und der Unmut innerhalb der Bevölkerung. Seit Jahrzehnten herrscht in diesen Regionen Krieg, der als Nahost-Konflikt immer wieder in diversen Medien auftaucht. Ein stetig schwelender Kampf, der mit jeder blutigen Auseinandersetzung neue Todesopfer fordert. Ein Konflikt zwischen arabischen Palästinenser und jüdischen Israelis, der mit territorialen Eroberungen die ständige Veränderung der Landkarte zur Folge hat. Doch nicht nur in die Köpfe der Menschen, die in diesen Regionen leben, sondern auch in ihre Körper hat die immer währende Unsicherheit ihre Spuren hinterlassen.

Diesen Spuren möchte Arkadi Zaides nachgehen. Jedoch nicht nur auf den Konflikt im Nahen Osten beschränkt. „Jeder der schon einmal eine Stresssituation oder besonders starke Krise durchgestanden hat, kann die Spuren dessen danach an seinem Körper entdecken“, sagt er und stellt somit für seine Inszenierung fast schon einen Universalitätsanspruch. Trotzdem scheint es zunächst ein wenig sonderbar, dass er arabische und jüdische Tänzer gemeinsam auf eine Bühne bringt, noch dazu bei einem solchen, mit Fingerspitzengefühl anzugehenden, Thema. „Für mich sind meine Tänzer alle unterschiedliche Menschen. Ich mache keinen Unterschied zwischen arabisch oder jüdisch. Sie sind alle individuelle Persönlichkeiten.“ Daher soll auch „Lands Research“ eine Inszenierung mit viel Persönlichkeit werden.

Um die richtigen Tänzer dafür zu finden, wurden im Vorfeld viele Gespräche geführt. Zwei bis drei Tage hätten die Gespräche mit den einzelnen Tänzern manchmal gedauert, denn es sei besonders wichtig gewesen die richtigen zu finden. Tänzer, die Erfahrungen mit Krisen gemacht haben. Dabei hat jeder seine eigene Strategie damit umzugehen. „Wir mussten zu erst den Kern ihres Verhältnisses zu ihrem Land entdecken.“ Vor einem solchen politischen Hintergrund, scheint es für Außenstehende schwer, Palästinenser und Israelis selbst nur für den kurzen Zeitraum zusammenzubringen. „Sie zeigen einander Respekt. Deswegen können sie gut mit einander arbeiten.“ Obwohl sie nur in den letzten zwei Monaten tatsächlich alle zusammen gearbeitet haben. Im israelischen Akko, in Marseille und Amsterdam, alles Städte, „die ziemlich gemischt sind“. Und nun seit zwei Wochen in Potsdam.

„Es war wichtig mit den jeweiligen Tänzern lange allein zu arbeiten“, erklärt Zaides, schließlich seien die Persönlichkeit und der Körper zentrale Elemente der Inszenierung, von dessen Inhalt Zaides jedoch nicht mehr preisgeben wollte. „Der Körper ist die Landkarte der eigenen Persönlichkeit. Alle Erfahrungen zeichnen sich auf ihm ab und mit jedem Erlebnis verändert er sich.“ Doch so scheint auch jeder in seiner eigenen Seifenblase zu leben. Diese Grenzen zu durchbrechen und die Menschen zusammenzubringen, ohne dass sie ihre Individualität verlieren, sei das große Ziel.

Die Individualität der Inszenierung soll sich auch auf die Zuschauer übertragen. So soll es keine festgelegte Interpretationsrichtlinie geben. Ob die Zuschauer verblüfft, verschreckt, zum Weinen oder zum Lachen gereizt werden, kann Arkadi Zaides nicht vorhersagen, will er auch gar nicht. Zwar wird der Zuschauer von einer wahren Fülle an Informationen in Form von Bild, Sprache und Tanz regelrecht überflutet, „aber es ist nicht wichtig, dass er alles auf einmal versteht“, sagt Zaides. Wichtig hingegen sei, dass das große Ganze Eingang in die Köpfe der Menschen findet, vielleicht auch erst nach und nach. „Es ist alles da, um es zu verstehen. Vielleicht braucht das aber auch seine Zeit.“

„Land Research“ am morgigen Freitag um 20 Uhr und Samstag, 26. Mai um 21 Uhr in der „fabrik“, Schiffbauergasse. Online-Ticktes unter www.fabrikpotsdam.de. Reservierung unter Tel.: (0331) 240 923

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