Die "schwarze Psychologie" der CIA

11. 12. 2014 - 19:09

Die CIA-Folterpsychologen orientierten sich an Tierversuchen mit Einsatz von Elektroschocks der kognitiven Verhaltensforschung der späten 60er Jahre.

Die im CIA-Bericht des US-Senats gelisteten Folterpraktiken wurden weder von der CIA noch in den USA erfunden. Wie aus dem Senatsbericht hervorgeht, stammen sie vielmehr von erklärten Feinden der USA. Jene beiden Psychologen, deren Firma dieses millionenschwere Programm "verschärfter Verhörmethoden" für die CIA betrieb, hatten ihren Katolog der Grausamkeiten nämlich anhand von Methoden der Gestapo und stalinistischer Regimes zusammengestellt. Davor hatten Dr. James Mitchell und Dr. Bruce Jessen nämlich jahrelang für das SERE-Programm des US-Verteidigungsministeriums gearbeitet.

Jessen und Mitchell hatten das SERE-Überlebenstraining für US-Kriegsgefangene sozusagen umgedreht und daraus ein mit Elementen der kognitiven Verhaltensforschung pseudowissenschaftlich verbrämtes Folterprogramm konstruiert. Laut einem bereits 2010 veröffentlichten Erlass des Generalinspektors für die US-Militärgeheimdienste war ein solcher Ansatz, aus dem Überlebenstraining mittels "schwarzer Psychologie" neue, "verschärfte Verhörmethoden" abzuleiten, bereits im Juni 2009 bei den US-Streitkräften generell verboten worden.

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Der frühere Vizepräsident Dick Cheney hat nicht nur deftige Worte zum CIA-Bericht geäußert, sondern auch betont, dass der damalige Präsident George W. Bush ein "integraler Teil des Programms" gewesen sei

"Erlernte Hilflosigkeit"

Ziel des mit insgesamt 81 Millionen Dollar dotierten Programms war erklärtermaßen, einen Zustand der "erlernten Hilflosigkeit" bei den Gefolterten herbeizuführen. Dieser Begriff, der sich sieben Mal im Text des Senatsberichts findet, stammt aus der kognitiven Verhaltensforschung der späten 60er Jahre. Er bezeichnet einen für das Krankheitsbild der Depression charakteristischen Zustand völliger Passivität.

Verbot zum Einsatz von SERE-Methoden bei Verhören

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Der Erkrankte zeigt gegenüber unangenehmen oder schmerzvollen Stimuli keinerlei Reaktionen mehr, auch wenn er objektiv in der Lage wäre, diese "Reize" abzustellen. Er hat davor sozusagen "gelernt", dass keine irgendwie geartete Reaktion diese Schmerzreize in der Vergangenheit abstellen konnte und zeigt deshalb überhaupt keine Flucht- oder Abwehrreaktionen mehr.

Der Bericht des Generalinspektors für Geheimdienste der US-Streikräfte wurde von der Federation of American Scientists unter dem "Freedom of Information Act" 2010 veröffentlicht.

Kontrollverlust und Depression

Dieser damals vielbeachtete theoretische Ansatz der "erlernten Hilflosigkeit", ein Gefühl vollständigen Kontrollverlusts als entscheidenden Faktor für den Ausbruch von Depressionen anzunehmen, wurde an der Universität Pennsylvania unter der Leitung des Psychologen Martin Seligman anhand von Tierversuchen entwickelt. Wie bei vielen notorisch grausamen Behaviorismus-Experimenten dieser Zeit - die heute sämtlich wegen Tierquälerei verboten sind - wurden dabei Hunde systematisch mit Elektroschocks gequält.

Wie im Behaviorismus üblich arbeitete man dabei mit Kontrollgruppen, die jeweils eine andere Behandlung erfuhren. Die erste Gruppe bestand aus Hunden, die im Lauf des Experiments nur mit Riemen fixiert wurden. Die zweite Gruppe wurde zusätzlich so lange mit Stromstößen traktiert, bis diese Hunde gelernt hatten, einen Hebel umzulegen, der den Stromstoß abstellte. Die dritte Gruppe wurde ebenso behandelt wie die zweite, mit dem einzigen Unterschied, dass hier der Hebel die Stromstöße nicht abstellte.

Im Vorfeld der Veröffentlichung des Senatsberichts waren Mitarbeiter der CIA in das Netzwerk jenes parlamentarischen Ausschusses, der ihre Aktivitäten kontrollieren soll, eingedrungen und hatten den E-Mail-Verkehr durchsucht.

Tierversuche an Menschen

Diese Hunde ergaben sich nach einiger Zeit winselnd ihrem Schicksal, zeigten nur noch passive Reaktionen, aber keinerlei Versuche zur Abwehr mehr. Auch bei veränderten Bedingungen danach - wenn der Hebel tatsächlich Stromstöße abschaltete - konnten sie sich an die veränderte Situation nicht mehr anpassen, ein Lernprozess wie bei den Hunden der Gruppe zwei fand nicht mehr statt. Diese Tierversuche wurden im Rahmen des "verschärften Verhörmethoden" von Jessen und Mitchell für Menschen adaptiert.

Der Ansatz erlernte Hilflosigkeit derr Folterpsychologen

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"Erlernte Hilflosigkeit" in der Wikipedia

Die zusätzliche Annahme dabei war, dass diese "erlernte Hilflosigkeit" zu erhöhter Aussage- und Kooperationsbereitschaft der Gefangenen führen würde. In Folge erstellten die beiden Folterpsychologen einen Katalog "negativer Stimuli", die allesamt gemeinsam hatten, dass sie keine direkten körperlichen Spuren hinterließen und zweitens als medizinische Maßnahmen getarnt werden konnten. Stromstöße wie in den Experimenten Seligmans kamen schon deshalb nicht in Frage, weil die geradezu paradigmatisch für Folter stehen.

"Rektale Rehydration"

Von der Gestapo entlehnte man nicht nur den Begriff "verschärfte Verhöre" ("enhanced interrogation") sondern auch Foltermethoden wie Schlafentzug über mehrere Tage und systematische Erniedrigung. Die Form musste dabei allerdings gewahrt bleiben, die von allen Folterknechten weltweit bekannten anal-sadistischen Quälereien wurden deshalb als medіzinische Maßnahmen getarnt.

Den Gefangenen wurden Flüssigkeiten zwangsweise nicht nur über Mund und Nase bis knapp vor dem Ersticken zugeführt, sie wurden auch systematisch mit "rektalen Untersuchungen", "rektaler Rehydration" und sogar mit "rektaler Zwangsernährung" gequält. Das Wort "rektal" findet sich rund 50 Mal im Text des Senatsberichts.

Rektale Rehydration als Folterpraxis der CIA

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"Zusatznutzen"

Die beiden Psychologen und die CIA rechtfertigten diese Art der Folter als Einsatz "anerkannter medizinischer Methoden", weil die Gefangenen angeblich die Flüssigkeitsaufnahme verweigert hatten. "CIA-Mediziner haben rektale Rehydration als Mittel der Verhaltenskontrolle diskutiert ... Während intravenöse Zuführung" von Flüssigkeit "sich als sicher und effektiv erwіesen habe, waren wir über den Zusatznutzen rektaler Infusion beeindruckt", zitiert der Senatsbericht einen der beteiligten CIA-Mediziner (S. 126).

Der Folterbericht des US-Senats im Volltext

Der Zusatznutzen bestand in der Erniedrigung des Gefangenen durch die anale Penetration, die zusammen mit Waterboarding und Schlafentzug den angestrebten Zustand der "erlernten Hilflosigkeit" herbeiführte.

CIA Rektalfolter

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Empirisch falsifiziert

Die Fortführung der behavioristischen Tierversuche aus den 60er Jahren mit Menschen durch die beiden Folterpsychologen im Dienst der CIA hat die damaligen Erkenntnisse Seligmans jedenfalls bestätigt. Der Zustand "erlernter Hilflosigkeit" führte zu einer vergleichbaren Reaktion auch jener Folteropfer, die sich anfangs kooperativ gezeigt hatten.

Sie verfielen in einen für schwere Depressionen charaktistischen Zustand völliger Apathie, die für die Folterer keinerlei neuen Erkenntnisse über bevorstehende Anschläge brachte. Die These der beiden Folterpsychologen, dass diese "erlernte Hilflosigkeit" zu erhöhter Kooperationsbereitschaft der Gefangenen führe würde, wurde damit empirisch falsifiziert, um es in der Begrifflichkeit des Behaviorismus zu sagen.

Die einzige Verurteilung

Verhaltensforscher Martin Seligman, der sich entsetzt darüber zeigte, dass seine früheren Tierversuche zur Ätiologie von Depressionen nun in diesem Zusammenhang zitiert wurden, ist heute Professor an der Universität Pennsylvania. Seligman leitet dort das Zentrum für Positive Psychologie zur Bekämpfung depressiver Zustände mit Mitteln der kognitiven Verhaltensforschung.

Was die Folterpraktiken der CIA betrifft, so wurde bis jetzt nur ein Geheimdienstmitarbeiter im Zusammenhang mit den Folterpraktiken zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der 2004 aus dem Dienst geschiedene, ehemalige Chef der Anti-Terror-Operationen der CIA in Pakistan, John Kiriakou, wurde 2013 zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt. Kiriakou hatte angeblich Informationen über die Folterpraktiken der CIA an Journalisten weitergegeben.

McCain und die Vietcong

Von den politischen Größen der Republikanischen Partei kamen rund um die Veröffentlichung fast auschließlich negative bis unflätige Kommentare, die einzige Ausnahme war dabei der ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain. Der hatte vielmehr direkt nach der Veröffentlichung des Senatsdokuments ein flammendes Plädoyer gegen die CIA-Foltermethoden gehalten und von allen, die sich zu Wort gemeldet hatten, war McCain wohl der Einzige, der ganz genau wusste, was Folter ist.

1967 wurde er über Hanoi abgeschossen und verbrachte sechs Jahre in Gefangschaft der Vietcong, die bereits damals für ihre Methoden der Gehirnwäsche berüchtigt waren. Gehirnwäsche ist eine äußerst brutale Form kognitiver Konditionierung, die einen völligen Kontrollverlust anstrebt.

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