Die Psychologie im grossen Liebeskino


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Die Psychologie im grossen Liebeskino

Von Klaus Wilhelm.
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Psychologen analysieren unterhaltsam und lehrreich filmische Liebesbeziehungen und lassen Filmklassiker in einem überraschenden Licht erscheinen.

Einer der bedeutendsten Liebesfilme: Humphrey Bogart und Ingrid Bergman 1942 in «Casablanca».  Foto: Keystone/Everett Collection

Einer der bedeutendsten Liebesfilme: Humphrey Bogart und Ingrid Bergman 1942 in «Casablanca». Foto: Keystone/Everett Collection

«Casablanca», Trailer

«Pretty Woman», Trailer

«Jenseits von Afrika», Trailer

Mon Amour trifft Pretty Woman,
Springer Heidelberg 2014, ca. 54 Fr.

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Die Hure als Heilige! Und ein schöner, reicher Held, der früh von den Eltern verlassen wurde und sich in seinem Job als skrupelloser Investor auf ödipale Rache fixiert. Rache am Leben, um sich am Vater zu rächen. Ein Held, der trotz seiner vermeintlichen Macht sexuell schüchtern ist, kalt, dauernd angespannt und der auch noch an Höhenangst leidet. Und ein Held, der – wie es die Psychologen Andreas und Vivian Pramataroff-Hamburger ausdrücken – zusätzlich in eine «präödipale Konstellation» verstrickt ist, weil es ihm – desorientiert und verloren – nicht gelingt, «einem weiblichen Objekt nahe zu sein».

Das ist «Pretty Woman», ein Film, dessen Psychodynamik die Autoren bis ins Detail sezieren. Das alles in einem neuen Buch namens «Mon Amour trifft Pretty Woman», in dem weitere Autoren ebenso viele mehr oder weniger berühmte Liebesfilme durch die psychoanalytische Brille betrachten. Damit eröffnen sie neue, auch überraschende Aspekte auf die Werke, die man beim nochmaligen Betrachten teilweise ganz anders erlebt. Das Buch beschert uns mit fast immer lesenswerten und ebenso lehrreichen wie unterhaltenden Einsichten. Einziger Wermutstropfen: Mitunter leidet der Lesespass ein wenig, weil manche Autoren es nicht schaffen, sich ihres Psycho-Jargons zu entledigen, wenn es angesagt gewesen wäre.

Der Körper als Couch

Liebesbeziehungen in ihren Abertausenden Spielarten sind neben den Eltern-Kind-Beziehungen die intensivsten menschlichen Verbindungen. Sie heben uns in ein fantastisches Hochgefühl. Wenn sie scheitern, was auch immer Scheitern bedeuten mag, stürzen sie die meisten unter uns in einen Abgrund, der bis ins Mark erschüttert. Hass aus Liebe ist eines der häufigsten Mordmotive. Viele psychische Probleme hängen mit Liebesbeziehungen zusammen. Das Kino weiss darum und produziert immer wieder Werke, die geradezu nach psychologischer Deutung verlangen. Das haben die Herausgeber Stephan Doering und Heidi Möller erkannt.

31 Liebesfilme, deren psychologische Deutung uns Glanz und Elend des höchsten aller Gefühle in abgeschlossenen Kapiteln so vorführt, dass es alle in irgendeinem Winkel seiner Seele – oder seines Gehirns – frohlocken oder schaudern lässt. Wer noch nicht wusste, dass die ödipale und die präödipale Entwicklungslinie in «Pretty Woman» durch die «magische Paarbildung» auf eine Lösung hin inszeniert werden, weiss es jetzt. Und der klebt förmlich an den Zeilen, die einzelne Szenen beschreiben. Etwa als Edward der heiligen Hure Vivian in der Badewanne seine Kindheitstraumata beichtet, während sie hinter ihm sitzt: «Ihr Körper ist seine Couch.»

Edward und Vivian also. Oder Rick und Ilsa in «Casablanca». Angeblich der bedeutendste Liebesfilm aller Zeiten. «Uns bleibt immer Paris.» Ein Film, der «viele archetypische Situationen und Figuren» bedient, wie Psychologe Martin Poltrum feststellt. Aber seiner Ansicht nach nicht so sehr des Verzichts und der Liebesentsagung, sondern vielmehr der «Wiederkehr und Transformation der Liebe nach einer Trennung». Das Ende der Liebesbeziehung markiert die Ewigkeit der Liebesbeziehung. Was die Leute an Casablanca so bewegt, sei die «Art der Versöhnung, die einen archetypischen Charakter angenommen hat».

Nach Erfahrung des Psychologen wünschen sich viele Menschen nach einer Trennung in der psychotherapeutischen Praxis genau das: Klarheit zu bekommen, was genau passiert ist. Und die Versöhnung mit dem «verlorenen Liebesobjekt» zu schaffen, auch wenn nichts mehr zu retten ist. Mit dem Wunsch, die Liebeswunden zu heilen. In «Casablanca» vollzieht sich das in Perfektion – bis eben hin zur Transformation der Liebe «als gutes Objekt der Erinnerung» für alle Zeiten. Weil Filme Emotionen oft so wunderbar klarmachen, setzt Psychologe Poltrum sie in der Psychotherapie als «Cinematherapie» ein.

Emotionen sind nicht löschbar

Rick und Ilsa also. Oder Karen und Denys in «Jenseits von Afrika». Mit einem Konflikt, der typisch ist auch für viele Paare im Jahr 2014: der offenbar nicht zu lösende Streit über unterschiedliche Lebensentwürfe und das, was dahintersteht. Ein Partner sehnt sich nach Nähe und Verbindlichkeit – der andere im Wesentlichen nach Freiheit, ohne aber wirklich vom anderen lassen zu können. Haarfein analysieren die Psychoanalytikerin Sieglinde Eva Tömmel und die Philosophin Tatjana Noemi Tömmel die Seele der Filmfigur Karen Blixen. Oder besser: der dahinterstehenden realen Person. Die Autorinnen beschreiben die Schriftstellerin als Frau, die immer wieder Männer wählte, «die dasselbe Freiheitsbedürfnis zeigen wie ihr Vater, das sie nicht in der Lage zu ertragen war». Das alles spreche «für eine Fixierung auf dem Niveau des Alters, in welchem ihr Vater sie für immer verliess». Der Vater brachte sich um. Für Frau Blixen «scheint der drohende Verlust geradezu eine Bedingung ihrer Liebe zu sein.» Eine psychische Konstellation, die – im Grunde genommen – kein ausgeglichenes Liebesleben erlaubt und zu steten Zerwürfnissen führen muss. Ein Fall für die Couch. Der Erfolg ist jedoch ungewiss.

Karen und Denys also. Oder Clementine und Joel in «Eternal Sunshine of the Spotless Mind»! Ein Film des französischen Regisseurs Michel Gondry. Darin lassen sich nach ihrer Trennung die beiden Protagonisten in bester Science-Fiction-Manier alle Gedächtnisinhalte löschen, in denen die schmerzvolle Beziehung im Gehirn gespeichert ist. Im Kapitel über dieses famose Werk zeigt sich inhaltlich die ganze Stärke des Buchs «Mon Amour trifft Pretty Woman». Die Autoren Timo Storck und Svenja Taubner zerlegen die Charaktere und das Geschehen aus Sicht der modernen Neurobiologie, der Bindungstheorie und der psychoanalytischen Konflikttheorie.

In einem leider sprachlich oft gestelzten und dennoch lesenswerten Parforce-Ritt über acht Seiten lernen wir anhand der Filmcharaktere, wie die ganz frühe Bindung des Kindes zur primären Bezugsperson das spätere Beziehungsverhalten prägt. Wir lernen, wie das Bindungssystem aus Sicht der Neurowissenschaften im Gehirn verankert ist – und dass es «einem kompletten Neustart des Gehirns» gleichkäme, würde man Bindungsinhalte vernichten. Demnach erscheinen die frühen Bindungserfahrungen unlöschbar und der «emotionale Kern» eines Menschen im Gehirn ebenso. Was filmisch untermauert wird, als sich Joel und Clementine nach der Löschung ihrer Beziehungsinhalte wieder ineinander verlieben. Ganz im Sinne eines anderen so simplen wie wahren Satzes aus einem anderen Kapitel dieses bemerkenswerten Buchs: «There ain’t no cure for love.» (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 02.08.2014, 08:28 Uhr


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