Die Psychologie der „Tupperpartys“ – Kölner Stadt

Der erste Psychotrick wirkt schon, bevor die Veranstaltung überhaupt angefangen hat. Zu einer Tupper- oder Kerzenparty geht man nicht einfach hin, man wird von der Gastgeberin eingeladen. Und die Geste verfehlt ihre Wirkung nicht. Denn wenn es nicht die dritte Einladung in zwei Monaten ist oder man der Gastgeberin nur aus Höflichkeit zugesagt hat, fühlt sich das Ego zumindest minimal geschmeichelt. Auch wenn es sich nur um eine schnöde Verkaufsveranstaltung handelt.

Aber gerade das bestreiten ja viele Direktvertriebsunternehmen vehement. Vom Schmuckhersteller Pippa and Jean heißt es: „Bei uns kommen modebegeisterte Frauen zusammen, hier drängt kein Ladenschluss und kein ungeduldiger Ehepartner. Und am Ende wird aus einem normalen Wochentag der Glamourtag der Woche.“ Nur verkaufen? Ach was. „Tupperpartys sind so etwas wie das ursprüngliche soziale Netzwerk, lange bevor es das Internet gab“, heißt es vom Unternehmen. Klar, die angenehm lockere Stimmung und das von der Gastgeberin bestückte Buffet mit Sekt und Fingerfood sollen Wohlfühlstimmung aufkommen lassen.

Elf Prozent Umsatzplus pro Jahr

„In den Geschäften finden die Kunden immer weniger Beratung und davon profitieren die beratungsintensiven Homeshoppingpartys“, sagt Jochen Clausnitzer, Geschäftsführer des Bundesverbands Direktvertrieb Deutschland.

Eine Studie der Universität Mannheim bescheinigt den 144 teilnehmenden Unternehmen zwischen 2007 und 2012 ein durchschnittliches Umsatzplus von elf Prozent pro Jahr. „Viele Leute möchten heute ihre Kaufentscheidung auf dem Sofa treffen“, so Clausnitzer. Ob am iPad oder manchmal eben auch auf der Party der Nachbarin.

Natürlich, offiziellen Kaufzwang gibt es nicht. Aber der latente Gruppendruck liegt fast immer in der Wohnzimmerluft. Wer der Beraterin am Schluss einen komplett leeren Bestellbogen in die Hand drückt, muss schon Nerven in der Dicke eines Elefantenoberschenkels haben. Keiner will Spielverderber sein, dann doch lieber ein kleiner Höflichkeitskauf für die Gastgeberin. „Sie bekommt Geschenke und Prämien je nach Umsatz, da will man als Eingeladener nicht im Wege stehen“, fasst es Georg Tryba von der Verbraucherzentrale NRW zusammen.

Aussuchen und kaufen im privaten Kreis ist nett. Und wenn es die Verkäuferin ebenfalls ist und dazu noch lustige Anekdoten und Tipps für den Alltag parat hat, fällt das Ausfüllen des Bestellzettels immer leichter. Im Wohnzimmer mit Gastgeschenken, Quiche Lorraine und einem Glas Weißweinschorle in der Hand gelingt es vielen Direktvertriebspartnern besonders gut, ein Vertrauensverhältnis zu ihren Kunden aufzubauen. Der Abend wird zu einem kleinen Event. Deswegen denken viele Partygäste auch nicht lange darüber nach, dass ähnliche Produkte woanders vielleicht günstiger zu haben sind. Das Gruppengemeinschaftsgefühl wird mitverkauft – wem das bewusst ist, der kann auf Homeshoppingpartys amüsante Abende erleben. Verbraucherschützer Georg Tryba rät, die eigenen Rechte zu kennen. „Auf den Internetseiten der Unternehmen finden sich oft Hinweise zu den Widerrufsmöglichkeiten.“ In der Regel besteht ein 14-tägiges Rückgaberecht. Aber: Wer seine Bestellung komplett über die Gastgeberin abwickelt, kann diesen Anspruch verwirken, denn diese hat in der Regel kein Recht auf Widerruf.

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