Die Psychologie der Schmerzen

Kognitionswissenschafter Markus Böckle erforscht psychisch bedingte Schmerzen

Ein Patient mit Gelenkschmerzen geht von einem Arzt zum anderen, keiner kann ihm eine Diagnose stellen. Körperlich gesehen, ist der Patient gesund, dennoch hat er Schmerzen. Er leidet an einer somatoformen Störung. Seine Beschwerden kommen von einer übermäßigen emotionalen Beschäftigung mit seinem Körper, sind also psychischer Natur. Der Kognitionswissenschafter Markus Böckle forscht an der Ursache solcher psychischen Krankheiten.

"Wir wissen nicht, ob sich eine Veränderung der Verarbeitungsmechanismen im Gehirn wegen der psychischen Störung entwickelt oder die Ursache für die Störung ist", sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter der Donau-Universität Krems. "Wir gehen davon aus, dass die Personen emotionale Reize anders verarbeiten als gesunde." Um das zu prüfen, plant Böckle, Gehirnströmungen psychiatrischer Patienten mit einer Magnetresonanztomografie zu messen, nachdem er ihnen Bilder gezeigt hat.

Die Forscher nehmen an, dass die Psychosomatik eine Störung des zielgerichteten intentionalen Verhaltens ist. "Im Gegensatz zu affektiven Handlungen, die spontane emotionale Reaktionen sind, wird intentionales Verhalten im Voraus geplant und zielgerichtet ausgeführt", sagt Böckle. Er will wissen, "wie Verhaltensweisen zustande kommen, und sie besser verstehen".

Böckle arbeitet dabei mit natur- und geisteswissenschaftlichen Methoden. "Die gegenseitige Befruchtung macht meine Arbeit so interessant", sagt der gebürtige Bregenzer, der nach seinem ersten Studienabschnitt in Biologie an der Uni Innsbruck nach Liechtenstein zog, um dort an der Internationalen Akademie für Philosophie Philosophie zu studieren. An der Uni Wien schloss er Philosophie ab und promovierte in Biologie mit Schwerpunkt Zoologie.

Sein Spezialgebiet: die Kognitionswissenschaft, die Verhalten erforscht. Mit intentionalem Verhalten beschäftigen sich viele Disziplinen, jede versteht darunter etwas anderes. Hier setzt ein weiteres Forschungsprojekt von Böckle an, das er in Kooperation mit der Universität Wien macht und mit dem Jubiläumsfonds der Stadt Wien finanziert. Der 35-Jährige arbeitet an einer philosophisch-theoretischen Definition von zielgerichteter Intentionalität. Damit könnten vergleichende Studien zwischen Menschen und Tieren gemacht werden.

Böckle forscht nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Tieren. Besonders Raben haben es ihm angetan, denn sie können intentional handeln. In seiner Dissertation konnte erstmals zeigen, dass Raben ein Langzeitgedächtnis haben und sich erinnern, ob sie einem Raben freundlich oder feindselig eingestellt sind.

Doch eine große Frage ist noch offen geblieben: Verwenden Raben den sogenannten Futterruf affektiv oder zielgerichtet? Raben stoßen den Ruf aus, wenn sie Futter finden, sich aber nicht trauen, es zu holen, weil etwa ein Wolf in der Nähe ist. So werden andere Raben angelockt, und sie holen gemeinsam das Futter. Unklar ist, ob der Rabe geplant Hilfe holt oder als emotionale Reaktion kräht. "Es ist ein funktionaler referenzieller Ruf, der sich auf das Futter bezieht, wobei aber unklar ist, ob der Raabe seine Artgenossen geplant herbeiruft", sagt Böckle. Diese Frage möchte er in Zukunft weiterbearbeiten. (Selina Thaler, DER STANDARD, 22.4.2015)

Leave a Reply