Die Psychologie der Niederlage



Wir haben die Eichstätter Heilpraktikerin für Psychotherapie, Iris Kühnl, gefragt: Wie würde ein Psychologe diese Aufgabe angehen, wie würde er sich vorbereiten und einstellen auf einen Gegner, dem er meist leistungsmäßig überlegen, aber vom Selbstvertrauen her unterlegen ist?

Nehmen wir einen Boxer, der in den vergangen fünf Kämpfen zu Boden ging und jetzt auf einen unterklassigen Seriensieger, aber eigentlich schwächeren Gegner trifft. Wie sollte er dem begegnen?

Iris Kühnl: Selbstbewusst und in Erinnerung an seine Stärke. Er sollte die Gefühle wieder aktivieren, die er von seinem letzten Sieg kennt, sich an die guten Tage erinnern und mit diesem Gefühl in den Ring steigen. Und außerdem versuchen, Ängste und Zweifel schwinden zu lassen.

Nun ist ein Boxer nur ein einzelner Sportler, im Fußball dagegen steht eine ganze Mannschaft auf dem Platz. Wie ist die wieder aufzurichten?

Kühnl: Bei einer Mannschaftssportart kommt als Zusatzkomponente dazu, dass der einzelne Spieler sich auf seine Teamkollegen einstellen muss. Jeder muss versuchen, sich respektvoll auf die anderen einzulassen. Das setzt aber etwas voraus. Nur wenn ich die anderen Mitglieder meines Teams schätze, kann ich auch respektvoll auf sie zugehen. Das ist ganz oft der Schlüssel, um Probleme zu beseitigen.

Ist die Schwierigkeit denn nicht vor allem, die verschiedenen Charaktere zu einen. Denn mit Siegen gehen die meisten Menschen weitgehend gleich um, mit Niederlagen ganz unterschiedlich?

Kühnl: Umso wichtiger ist, dass die Besonderheit jedes einzelnen Spielers seinen Platz findet. Dass jeder so sein darf, wie er ist. Wenn eine Mannschaft wieder gewinnen will, darf sie nicht so sehr die Schuld bei sich suchen, weil das zu destruktiv ist. Besser ist es, sich zu sagen, es ist „dumm gelaufen“, aber wir haben das Potenzial. Wir stellen ganz sicher keine Schuldfrage.

Was würde ein Psychologe von einem Trainer erwarten? Sollte er knallhart Leistung fordern und die individuellen Schwächen ignorieren, um den Fokus auf das eine, entscheidende Spiel zu lenken. Oder mit Einzelgesprächen versuchen, die Spieler persönlich aufzubauen?

Kühnl: Es gibt in diesem Fall kein entweder – oder, das ist beides wichtig. Der Trainer muss einerseits optimistisch, und zielorientiert auf die Mannschaft einwirken, andererseits Schwächen sachlich sehen, nicht dramatisieren und die Spieler unterstützen. Und dazu sind auch Einzelgespräche wichtig.

Wie würden Sie persönlich als Nichtfußballerin ein Fußballteam motivieren?

Kühnl: Ich würde Einzelgespräche führen, die Ängste suchen und auflösen. Und immer die Ressourcen, die Träume und Visionen, die ein Spieler hat, mit ihm zusammen wieder ausgraben. Es ist doch klar, dass eine Mannschaft eine höhere Wahrscheinlichkeit hat zu gewinnen, wenn sie auch wirklich daran glaubt.

Wenn es am Ende doch nicht klappt, der entscheidend Elfmeter danebengeht und alles verloren ist. Männer trinken dann meistens Bier. Hätten Sie eine Alternative?

Kühnl: Einfach mal die eigenen Kinder fragen: Die müssen in der Schule auch oft Niederlagen einstecken – und können höchstens Kaba trinken.



Von Gerhard von Kapff

Leave a Reply