Die Psychologie der Geschwisterrivalität

Zu Beginn von "Exodus: Götter und Könige" sehen wir Moses und Ramses, die beiden Söhne des Pharaos von Ägypten, wie sie Seite an Seite gegen eine Horde Plünderer kämpfen. Bühne frei für eine Geschichte über Geschwisterliebe und Freundschaft.

 Ist Rivalität unter Brüdern vorherbestimmt? (Bild: Thinkstock)

Natürlich kommt es dann ganz anders. Moses war vom Pharao adoptiert worden, und die komplizierte Beziehung zwischen dem zukünftigen biblischen Helden und seinem ägyptischen Bruder verschlechterte sich zunehmend und gipfelte in Plagen, einer Massenrevolte und der Teilung des altbekannten Meeres.

Eines der Hauptprobleme zwischen Moses und Ramses war, dass sie Brüder waren. In einer 1970 von Brian Sutton-Smith und B. G. Rosenberg durchgeführten Studie mit dem Namen „The Sibling“ (Deutsch: "Die Geschwister") wurde aufgezeigt, dass die Rivalität zwischen Brüdern besonders ausgeprägt ist, vor allem bei geringem Altersunterschied. 1968 ergaben die Untersuchungen von Bert Adams, dass zwischen zwei Jungen mehr Eifersucht und Konkurrenz herrscht.

Aber warum? Sie sollten sich doch gegenseitig lieben und respektieren und sich unabhängig vom Geschlecht über die Errungenschaften des anderen freuen? Nicht, wenn ein Gefühl der Entthronung vorhanden ist, so Alfred Adler im Jahr 1959. Genau dies ist der Fall in "Exodus: Götter und Könige". Ramses ist der leibliche Sohn und rechtmäßige Erbe, sein Vater bevorzugt jedoch Moses, den er für königlicher hält und als besseren Menschen erachtet. Jedes ältere Kind, das nach Ankunft eines Geschwisterkindes etwas weniger beachtet wird, kennt dieses Gefühl.

Es ist eine erfreuliche Tatsache, dass starke Rivalität zwischen Geschwistern nicht notwendigerweise auftreten muss. Der an der Purdue University tätige Psychologe Victor Cicirelli befragte 1981 Erwachsene im mittleren Alter, von denen zwei Prozent angaben, häufig auf ihre Geschwister neidisch gewesen zu sein, hingegen 93 Prozent selten.

Wenn die Geschwisterrivalität Ausmaße wie zwischen Ramses und Moses annimmt (Ramses beschließt, angetrieben von seiner Mutter, Moses zu töten), kann sie brutale Züge annehmen. Izzy Kalman schreibt in der Zeitschrift "Psychologie Heute" über die falsche Verwendung des Begriffs der Rivalität, die ihrer Ansicht nach oft nicht ernst genug genommen wird. Geschwister streiten sich, Eltern und Sozialwissenschaftler nennen es Rivalität und belassen es dabei.

Ihr zufolge ist jede Art von Geschwisterrivalität schädlich und muss von den Eltern im Keim erstickt werden. Wenn das eigene Kind in der Schule tagtäglich gemobbt und gequält wird, tut man schließlich auch etwas dagegen. Warum sollte das anders sein, wenn das Kind vom Bruder oder der Schwester gemobbt wird?

Es ist möglicherweise ganz normal, dass Geschwister sich um die Xbox oder um die Fernbedienung streiten, wenn man allerdings nicht vorsichtig ist, kann dies schnell ausarten und eine extreme Form annehmen, die das ganze Leben lang anhalten kann.

Eine 2012 im "Child Development Journal" von Wissenschaftlern der Universität Missouri veröffentlichte Studie erlegte Eltern die Verantwortung dafür auf, Konflikte im Auge zu behalten, und hält einen Plan parat, der dafür sorgt, dass alle Kinder zu Hause gleich behandelt werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, so die Ergebnisse der Studie, dass Kinder später verstärkt an Depressionen und Angstzuständen leiden.

Forscherin Nicole Campione-Barr erklärt die Ergebnisse der Studie gegenüber der Daily Mail: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Eingriffe in den persönlichen Raum und Besitz zu Konflikten führen, die nach dem Verlauf eines Jahres verstärkte Angstgefühle und ein vermindertes Selbstwertgefühl hervorrufen können. Auseinandersetzungen zum Thema Gleichberechtigung und Fairness werden im Verlauf eines Jahres mit zunehmenden Depressionen in Verbindung gebracht."

Die elterliche Verantwortung ist oft schwierig umzusetzen. Nicht, weil sie nicht alle Kinder gleich lieben, sondern, so Victor Cicirelli, weil Kinder innerhalb einer Familie "eine qualitativ unterschiedliche Erziehung erhalten". Anders ausgedrückt: das drittgeborene Kind erhält nicht so viel Aufmerksamkeit als Baby wie dies etwa bei den älteren Geschwistern der Fall war – ganz einfach aus Zeitgründen. Wenn die kleine Schwester geboren wird, ist die ältere Schwester vielleicht schon ein Schulkind und wird im Vergleich zum Einzelkind schon eher behandelt wie eine Erwachsene. Cicirelli schreibt dazu: "Bereits von Geburt an wird ein Kind je nach Platz in der Geschwisterreihenfolge von den Eltern und anderen Bezugspersonen unterschiedlich behandelt."

Diese Beziehungen ändern sich im Laufe der Zeit unweigerlich. Der Kampf um die Playstation wird nicht mehr so erbittert geführt, wenn beide Brüder ihr eigenes iPhone haben. Zur Pubertät hin kann sich die Nähe zwischen den Geschwistern vertiefen, da sie ihre Geschlechtsidentität annehmen. Sie möchten nicht unbedingt die Eltern um Rat fragen, wie man ein Mädchen küsst, sondern wenden sich lieber an den Bruder.

Allerdings:

Bruder 1: "Sitzt da drüben nicht Erika?"

Bruder 2: "Sie ist so toll, ich spreche sie an."

Bruder 1: "Das machst du nicht. Ich spreche sie an."

Bruder 2: "Ich habs zuerst gesagt."

Bruder 1: "Aber ich bin älter. Sie steht sowieso nicht auf dich."

Bruder 2: "Ich hasse dich."

Die Beziehung zwischen Moses und Ramses ist also gar nicht so schwer zu verstehen.

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