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Die neue Dimension des Magerwahns

Mit dem neusten Hype aus Hollywood stösst der Diätwahn in ungeahnte Dimensionen vor: Gesunde machen Diäten, wie sie Kranke einhalten müssen. Was die Ärzte dazu sagen.

Beyoncé (links) ernährte sich 22 Tage lang vegan – und hat damit einen Trend ausgelöst. Jennifer Aniston (Mitte) hat aufgrund der Blutwerte einen Ernährungsplan zusammengestellt. Gwyneth Paltrow ist mit Kohlgemüsenicht nur Pfunde, sondern auch den Gatten losgeworden.

Beyoncé (links) ernährte sich 22 Tage lang vegan – und hat damit einen Trend ausgelöst. Jennifer Aniston (Mitte) hat aufgrund der Blutwerte einen Ernährungsplan zusammengestellt. Gwyneth Paltrow ist mit Kohlgemüsenicht nur Pfunde, sondern auch den Gatten losgeworden.

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22 Tage lang hielten sie durch. Dann gingen Beyoncé und ihr Gatte Jay-Z genüsslich essen, in ein Fischres­taurant. Der Fisch war das private Ende ihrer sehr öffentlich zur Schau gestellten veganen Phase: Im Dezember 2013 entschied das Musikerpaar, sich 22 Tage lang vegan zu ernähren. Auf ihren Social-Media-Kanälen posteten sie täglich Fotos ihrer Gerichte, woraufhin vielen ihrer Follower offenbar das Wasser im Mund zusammenlief: Im Januar 2014 soll es in den USA 40 Prozent mehr Teilzeitveganer gegeben haben. Und nachdem sich Beyoncé sichtlich erschlankt bei der Verleihung der ­Grammys zeigte, nahm der Anstieg im Februar nochmals zu. Der Teilzeit­veganisus schaffte es nach Europa, wo er seither etliche Nachahmer findet, etwa die 37-jährige Sandra aus Basel. Sie hat vier Wochen lang vegan gelebt und dabei drei Kilo verloren, wie sie sagt.

So läuft das mit den Trenddiäten. Die meisten müssen erst in Hollywood und New York abseits der Laufstege ­Anklang finden, bevor sie von Abnehmwilligen kopiert werden. Müssen von perfekt geformten Stars in den höchsten Tönen gelobt werden. Etwa die bei Models beliebte LCHF-Diät, bei der man wenig Kohlenhydrate und viel Eiweiss und Fett zu sich nimmt. Extremer treibts Actrice Gwyneth Paltrow, die sich vorwiegend von Kohlgemüse, dem Trendnahrungsmittel 2014, und anderem Grünzeugs ernährt. Sogar ihre Kinder wollte sie zur grünen Religion bekehren. Chris Martin soll daraufhin heimlich mit den Kindern Burger gegessen haben. Das hat die Beziehung wohl definitiv ausgehungert.

Essen wie die Blutgruppe

Jennifer Aniston wiederum setzt auf ihr Blut: Für die Metabolic-Methode wird aufgrund der Blutwerte ein Ernährungsplan zusammengestellt, der dem Körper nur noch das zuführen soll, was sein Stoffwechsel braucht. Ob das funktioniert, ist nicht erwiesen; wissenschaftliche Daten existieren nicht.

Seit sich Aniston dazu bekannt hat, erfreut sich die Blutgruppendiät trotzdem grosser Beliebtheit. Barbara Stalder, Beraterin bei «metabolic4you» in Basel, hat genug zu tun. «Besonders nach Weihnachten und vor den Sommerferien. In den vergangenen zwei Jahren hat der Zulauf deutlich zugenommen», sagt sie. Sie berät bis zu vier Personen pro Tag; zu 80 Prozent sind es Frauen, «manche schleppen ihre Männer mit», lacht sie. «Die meisten kommen zu mir, weil sie sich bewusster ernähren wollen. Mit der Methode werden auch Geschmacksverstärker und E-Stoffe vermieden, das entlastet den Körper.» Voraussetzung sei Disziplin, «dann ist die Erfolgsquote hoch». Das hat aber auch seinen Preis: Der Bluttest, die Erstellung des Ernährungsplans und ein Beratungstermin kosten zwischen 650 und 850 Franken. Für Jennifer Anist­on ein Trinkgeld, für den Normalbürger ein stattlicher Betrag.

Essen wie die Patienten

Mit dem neusten Hype aus Hollywood stösst der Diätwahn in neue, ungeahnte Dimensionen vor: Gesunde machen Diäten, wie sie Kranke einhalten müssen. Zu den Kranken gehören unter anderem Menschen mit Laktose-­Unverträglichkeit und jene mit Gluten­unverträglichkeit, der Zöliakie. In der Schweiz sind das zwanzig respektive ein Prozent der Bevölkerung. Im Menüplan sind jene mit Zöliakie stark eingeschränkt: Brot, Teigwaren und Fertigprodukte bleiben ihnen verwehrt, da das darin enthaltene Gluten ihre Darmschleimhaut reizen und dies zu Entzündungen führen kann. Also kein Brot, keine Teigwaren, keine Fertigprodukte. Auf die einfache Frage «Was koche ich heute?» folgt ein hochgradig kompliziertes Unterfangen.

Freiwillig tut sich das niemand an – möchte man denken. Doch der Trend aus Hollywood ist vor rund einem Jahr nach Europa herübergeschwappt, weil Stars wie Anne Hathaway und – schon wieder – Gwyneth Paltrow darauf schwören: Leute essen gluten- oder auch laktosefrei, weil sie denken, damit Gewicht zu verlieren. Die Pfunde sollen im Eiltempo purzeln, so das Versprechen. Das tun sie auch, aber nicht weil diese Ernährung gesünder wäre: «Man nimmt ab, weil man nicht mehr alles und überall essen kann. An die Stelle von Fast Food tritt Selbstgekochtes», sagt Caroline Kiss, Leiterin der Ernährungsberatung am Unispital.

Eine konsequent glutenfreie Ernährung ist äusserst aufwendig – und trotzdem kein Garant für die schlanke Linie: «Ich behandle auch Patienten mit Adipositas, also starkem Übergewicht, die an Zöliakie leiden und auf glutenhaltige Produkte schon länger verzichten müssen», sagt Kiss. Zumindest schadet die glutenfreie Ernährung bei jemandem ohne vorhandene Intoleranz nicht. «Viele Menschen in Asien, Südamerika und Afrika ernähren sich traditionell glutenfrei.»

Auch wer sich laktosefrei ernährt, muss einigen Aufwand in Kauf nehmen, ist der Milchzucker doch nicht nur in Milchprodukten enthalten, sondern auch in Crackern und Ähnlichem. «Milchzucker wird vielen anderen Nahrungsmitteln zugesetzt», so die Ernährungsberaterin. Aber auch hier werden keine medizinischen Schäden riskiert. «70 Prozent aller Erwachsenen können den Milchzucker nicht vollständig spalten und aufnehmen. Das macht aber nichts, denn während ein Säugling ohne Laktose nicht überlebt, brauchen sie Erwachsene nicht mehr.»

Essen wie die Höhlenmenschen

In der Steinzeit kannte man diese Probleme nicht. Da standen Getreide und Milchprodukte sowieso nicht auf dem Speiseplan. «Unsere Gene sind seit der Steinzeit dieselben, deshalb kann auch nur das für den Körper gut sein, was es damals schon gab», sagt die 35-jährige Moni N. aus Basel. Sie ernährt sich seit über einem Jahr nach der ­Paleo-Methode, isst «clean», wie sie sagt. Da isst man wie in der Steinzeit, und das ist die im Moment wohl gefragteste aller Diäten: Bei der Zeitgeiststudie von Google holte sich die Ernährung nach Paleo Platz 1 der meistgesuchten Diäten 2013. Hollywood-Akteur Matthew McConaughey hungerte sich so von 82 auf 60 Kilo herunter, um glaubwürdig den aidskranken Ron Woodruff in «Dallas Buyers Club» zu spielen. «Es ist weniger eine Diät als viel mehr ein Lifestyle, weil man zum Ziel hat, dauerhaft fitter zu werden», sagt die Baslerin. Bei Paleo ernährt man sich von frischem Gemüse, Obst, Biofleisch, Fisch, Eiern, Nüssen, Samen und Kräutern. «Ab und an mache ich natürlich Ausnahmen und esse ein Stück Pizza oder Brot», so Moni N. Sie kenne aber einige, die sich ganz strikt daran halten würden.

In Basel ist die Diät besonders bei Crossfittern beliebt – bei Männern wie auch Frauen. «In meinem Crossfit-Club hat man mir diese Ernährungsweise ans Herz gelegt, weil man sich gesünder fühlt und dadurch mehr Energie für den Sport hat. Die Energie nehmen wir nicht aus den Kohlehydraten, sondern aus den Fetten», sagt Moni N. Sie habe, seit sie sich so ernähre, keine Blähungen und keine Verdauungsprobleme mehr und sei seltener müde. Da man Zucker und künstliche Inhaltsstoffe ganz auslasse, würden mit der Zeit die Gelüste nach Zucker – etwa nach einem schweren Essen – verschwinden. «Das führt zu Gewichtsverlust.» Auf diese Weise hat sie innert einem Jahr 35 Kilo abgenommen – natürlich auch dank dem täglichen Crossfit-Training. «Abgesehen davon hat mir Paleo insofern viel gebracht, dass ich die Zusammensetzung von Lebensmitteln kritischer betrachte. In einem grossen Teil unseres Essens ist etwa ganz viel Zucker enthalten – zu viel.»

Auch Caroline Kiss vom Unispital sieht in dieser Ernährungsumstellung Vorteile: «Die Leute essen bewusster, probieren neue Lebensmittel aus und kochen wieder vermehrt selber.» Jedoch nütze nur eine Umstellung der ­Ernährung, basierend auf einer neuen Wunderdiät, herzlich wenig. Kiss hat das einfachste Rezept von allen, das nicht Hollywood erfunden hat und das wir schon immer kannten: «Weniger essen und mehr Bewegung – damit nimmt man ab.» (Basler Zeitung)

Erstellt: 14.08.2014, 10:00 Uhr


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