Die Logik der Börse

Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie, sagte der frühere Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard. Für die Börse gilt das erst recht. Und die Stimmung an den Aktienmärkten ist gut wie lange nicht. Der Deutsche Aktienmarkt etwa ist so stark ins Jahr gestartet wie in den vergangenen 30 Jahren nicht, das Börsenbarometer Dax legte seit Jahresbeginn um 15 Prozent auf 6767 Punkte zu.

Passt das in ein Umfeld, in dem hoffnungslos verschuldete Staaten aus bedeutenden Wirtschaftsräumen vor der Pleite stehen und etablierten Währungen kollektiv das Vertrauen entzogen wird? Nicht wirklich. Aber es wird passend gemacht. Die Märkte haben sich gerade entschieden, die Dinge positiv zu sehen. Sie haben die Schuldenkrise abgehakt, nehmen erfreut zur Kenntnis, dass die Notenbanken Liquidität, das unverzichtbare Schmiermittel der Wirtschaft, im Übermaß zur Verfügung stellen.

Und ein Teil dieses vielen Geldes fließt eben auch in die Aktienmärkte. Das liegt sicher mit daran, dass manche Alternative dazu in Misskredit geraten (Anleihen vieler Staaten) oder zu teuer geworden ist (Gold, Immobilien). Aktien vieler gut aufgestellter Konzerne sind dagegen günstig. So weit, so gut. Dass die Gelddruckorgien der US-Notenbank Fed und nun auch der EZB eines Tages zu starker Inflation führen dürften - nicht unser Problem, sagen die Märkte.

Getreu dem Börsenmotto "The Trend is your Friend" kann dieser Aufschwung durchaus noch etwas anhalten. Die Politik sollte die freundliche Stimmung nutzen, um die Probleme rund um den Euro nachhaltig zu lösen. Und zwar zügig - denn Rückschläge werden mit jedem Meilenstein, den die Märkte in dieser fragilen Gesamtlage auf dem Weg nach oben passieren, wahrscheinlicher. Und damit ein Stimmungswechsel. Niemand mag sich eine Euro-Debatte in einem Marktumfeld ausmalen, wie es etwa Anfang 2009 vorherrschte - da stand der Dax bei 3600 Punkten. Börse ist zu 50 Prozent Psychologie - die andere Hälfte muss die Politik liefern.

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