Die Kunst und ihre Möglichkeiten – ein deutscher Künstler in Barcelona

BARCELONA / KATALONIEN / SPANIEN: Seit dem ersten Atemzug der Menschheit äußerte sich der Mensch durch künstlerisches Tun.
Er drückte seine Seele aus, die gefüllt war mit inneren Bildern von Naturzusammenhang und religiöser Anbindung an höhere, für ihn unbegreifliche Naturzusammenhänge. Dies können wir in vielen Höhlenzeichnungen, in den plastischen Gestaltungen von Idolen, Vasen, usw. sehen. C.G. Jung, der berühmte , über S. Freud hinausgehende Psychologe, hat viele dieser archaischen Urbilder für die Psychologie fruchtbar gemacht.
Durch alle Zeiten hindurch versucht die Seele des Menschen sich vollständig auszudrücken, vollständiger als es dünne Worte von Erklärungsversuchen, als es der Verstand kann. Nicht umsonst sagt man, dass die Kunst da beginne, wo die Philosophie mit ihrer Erklärung der Welt ende.

Der ästhetische Sinn und der künstlerische Ausdruck liegt als Keim und Anlage im Menschen und es kommt darauf an, ob dieser Sinn durch die Sozialisation, durch die Erziehung gepflegt wird, oder ob er ein verkümmertes Dasein führt. Er ist auf jeden Fall als Bedürfnis und Sehnsucht im Menschen vorhanden, und sei es nur als Wunsch, den Tisch mit einer schönen Tischdecke zu belegen oder eine ansprechende Tapete auf die Wand aufzukleben. Der innere Reichtum des Menschen misst sich an diesem ästhetischen Empfindungs- und Gestaltungssinn.

Oft ist die Phantasiefähigkeit vieler Menschen durch einen falschen und unbedachten Satz eines früheren Lehrers oder der Eltern zum Verstummen gebracht worden, „ ...du kannst nicht zeichnen...“ , „ ...du kannst nicht singen....“ Diese im Kindesalter erzeugten Blockaden setzen sich oft für ein ganzes Leben in der Seele fest und fördern nicht gerade das Selbstvertrauen in die eigenen Möglichkeiten.

Was vermag Kunst? Was fordert und fördert der künstlerische Arbeitsprozess?
Schauen wir uns z.B. Bildhauerei oder Malerei an. Vor mir liegt ein ungestaltetes, rohes Material, ob Farbe oder Stein. Das Beobachten, die Anregung, dass ich plötzlich Gestaltungsmöglichkeiten darinnen sehe, das Entzünden eines Impulses, der zum Anfassen und zum Tun drängt, lässt mich den ersten Pinselstrich, den ersten Meiselschlag tun. Das erste Tun verändert das Material, fordert ein Zurücktreten, Beobachten und ein Rhythmus von Gestalten und Betrachten entsteht. Und so entwickelt sich allmählich ein Kunstwerk im individuellen Rhythmus. Ich treffe immer wieder neue Entscheidungen, brauche immer wieder Mut, immer wieder Überwindung, ich arbeite ohne Netz und vertraue meiner Intuition. Wann ist das Werk fertig , wann spüre ich, dass es etwas Eigenes entstanden ist, wann es abgerundet ist. – Individuelles Arbeiten, bei gleichzeitiger Kontemplation. Mut, Entscheidungskraft, Dialogfähigkeit mit dem Material, anwesend sein im prozesshaften Arbeiten, Erfassung von Teilschritten und dem Ganzen. All das wird ständig geübt. Die Möglichkeiten der Kunst , Fähigkeiten dieser Art zu entwickeln, hat man seit Jahren auch in modernen Firmen des Wirtschaftslebens erkannt. So arbeiten bekannte Firmen auf Management- und Abteilungsleiterebenen immer wieder mit Künstlern zusammen, um Fähigkeiten und Strukturen weiterzuentwickeln. Dadurch wird der Wille zu Innovation, Teamfähigkeit, individuelle Kompetenz, Entscheidungskraft, Mut , Verantwortung und Überblick geschult. Der künstlerische Prozess wird hier zum Vorbild für prozesshaftes Denken und Handeln.

In der Kunsttherapie werden die Möglichkeiten der Kunst im Allgemeinen und deren einzelne Disziplinen noch differenzierter angewandt. Ausgehend davon, dass der kranke Mensch aus einem ganzheitlich ausbalancierten Prozess herausgefallen ist, baut die künstlerische Tätigkeit wieder Brücken zur eigenen Seele und zum Körper. Beginnt der Mensch sich selbst zu verlieren , im Fortschreiten z.B. von Burnout oder Depression, dann setzt sich dies allmählich in jeder Zelle des Körpers fest und und es manifestiert sich als körperliche Krankheit. Der Mensch kann auf allen Ebenen nicht mehr integrieren, vieles was von aussen kommt nicht mehr verarbeiten und zu seinem Eigenen machen.
Erst wenn der Mensch ermuntert wird sich auf den Weg zu machen, sich selbst wieder ergreifen lernt, wenn er lernt und übt seinen eigenen individuellen Sinn zu entdecken, dann beginnt er den Weg der Gesundung zu beschreiten. Er bringt sich wieder in Balance. Es ist nicht damit getan sich Pillen verschreiben zu lassen. Der moderne Mensch ist aufgerufen aktiv an seiner Gesundung mitzuarbeiten. Er ist aufgerufen seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Erst das Spüren der eigenen inneren Kräfte und Möglichkeiten und der Glaube daran öffnet die Tore des Gesundwerdens. Und diesen Prozess kann die Kunsttherapie initiieren und unterstützen. Farben und Formen, spezielle Bewegungen aktivieren das Seelenleben, aktivieren bis auf die körperliche Ebene hinein einzelne Organe. Die kunsttherapeutische Herangehensweise wirkt gezielt auf die einzelnen Krankheiten.. Dazu gibt es auch einen Artikel in der katalanischen Zeitung ARA vom 9.10 2011 unter der Überschrift „ L’art pot curar“.

Die Kunst verleiht der Seele einen reichhaltigen Ausdruck, sie drückt sich in Farben und Formen, in Klängen, in Sprache, Gesang und Bewegung aus und ohne sie würden wir ein wahrlich kümmerliches Dasein führen. Was wäre Barcelona z.B. ohne seine künstlerische Architektur eines Gaudi, ohne die Künstler wie Miro oder Tapies, ohne seine wunderbaren alten Kirchen, ohne seine kulturellen Veranstaltungen. So will ich mit diesem Artikel anregen über die Kunst und deren vielseitigen Möglichkeiten nachzusinnen.

Klaus Christ ( Tel.: 653 871 867 ) klaus.christ.art@web.de
Quelle: www.barcelonafuerdeutsche.con

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