Die geplante Novelle zum Psychologengesetz stößt auf heftigen Widerstand

Wer sich auf die Couch legt, um therapiert zu werden, sollte es sich künftig besser überlegen - sagen Psychotherapeuten: Die geplante Gesetzesnovelle zum Psychologengesetz schade den Patienten.fotolia
Wer sich auf die Couch legt, um therapiert zu werden, sollte es sich künftig besser überlegen - sagen Psychotherapeuten: Die geplante Gesetzesnovelle zum Psychologengesetz schade den Patienten.fotolia

Wien. Es sei eine "beispiellose Nacht-und-Nebel-Aktion", in der das neue Psychologengesetz durchgezogen werden soll - so lautet die Kritik der Psychiater und Psychotherapeuten, die sich am Mittwoch erstmals zur geplanten Gesetzesnovelle geäußert haben: Die Berufsgruppe der Psychologen werde damit massiv bevorzugt. Kernpunkt der Kritik: Der Gesetzesentwurf sehe einen Tätigkeitsvorbehalt bezüglich der Diagnostik psychischer Erkrankungen für klinische Psychologen vor - was bedeute, dass künftig nur diese Diagnosen an psychisch Kranken stellen dürfen, bevor es Psychiatern oder Psychotherapeuten erlaubt sei, ihre Arbeit aufzunehmen. Ärzte und Therapeuten orten "eine Gefahr für psychisch Kranke", fordern die Rücknahme des Vorhabens und einen Runden Tisch, um gemeinsam ein konsensfähiges Modell zu erarbeiten.

Konkret soll das neue Psychologengesetz eine österreichweit einheitliche Ausbildung (Master) bringen. Zudem soll künftig schärfer zwischen Gesundheits- und klinischen Psychologen unterschieden werden: Während Gesundheitspsychologen ihren Schwerpunkt in der Beratung und Prävention setzen, sind klinische Psychologen für psychische Störungen zuständig.

Hier hakt allerdings auch die Österreichische Gesellschaft für Psychologie (ÖGP) ein. Die "nicht begründbare" Überhöhung einer Teildisziplin wie der Gesundheitspsychologie gehe mit einer Abwertung der übrigen Teildisziplinen einher. Zudem sei der Gesetzesentwurf nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert.

"Das Gesetzesvorhaben wird nicht gestoppt"
Gefahr sei im Verzug, soll doch das neue Gesetz im Juli im Nationalrat beschlossen werden. Die Begutachtungsfrist läuft nur noch bis 24. Juni - einen Tag später soll es im Ministerrat sein. Dieses "Durchpeitschen" des Gesetzes wurde auch vom grünen Gesundheitssprecher Kurt Grünewald kritisiert: Aufgrund des knappen Zeitfensters sei eine seriöse Erstellung der Regierungsvorlage mittels Einarbeitung der Stellungnahmen nicht möglich, sagte er.

Sowohl das Gesundheitsministerium als auch der Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) reagierten mit Unverständnis auf die Vorwürfe. Einen Stopp für das Gesetzesvorhaben schloss man im Ministerium aus. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger nahm das geplante Psychologengesetz ebenfalls in Schutz: Es diene vor allem der Qualitätssicherung und bringe Anpassungen an in der Schweiz und Deutschland bereits übliche Standards, sagte er. Die Kritik wurzelt seiner Ansicht nach in der Unkenntnis des Vorhabens.

Dementi auf Vorwurf der "Nacht-und-Nebel-Aktion"
Aus dem Büro von Gesundheitsminister Alois Stöger hieß es: Was Tätigkeitsbilder und Diagnosemöglichkeiten betreffe, ändere sich nichts gegenüber dem bestehenden Psychologengesetz von 1991. Es werde lediglich ausformuliert, was bereits jetzt im Gesetz stehe. Auch der Vorwurf der mangelnden Einbindung anderer Berufsgruppen stimme nicht.

"Fassungslos" zeigte sich BÖP-Präsidentin Ulla Konrad: Am Recht der Psychiater zur Diagnosestellung ändere sich natürlich nichts. Der Vorwurf der "Nacht-und-Nebel-Aktion" mache sie sprachlos, schließlich arbeite man in einem offenen Prozess seit zehn Jahren an der Novelle.

Unumstritten ist wohl, dass der Gesetzesentwurf weniger zur Vereinfachung als zu noch mehr Verwirrung geführt hat. Die Begriffe Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie werden oft vermengt.

Zur Entwirrung: Die Psychologie ist die Lehre von der Seele und ein fünfjähriges Studium, nach dem man sich etwa auf klinische Psychologie spezialisieren kann.

Die Lehre von psychischen Krankheiten und Formen ihrer Behandlung, die Psychiatrie, ist eine Facharzt-Ausbildung nach dem Medizinstudium.

Die Psychotherapie, die Lehre von der therapeutischen Behandlung seelischer Leidenszustände, ist eine fünfjährige Ausbildung, die an einer von rund 30 Schulen in Österreich absolviert werden kann und mehrere 10.000 Euro kostet. Psychotherapeuten sind vom Quellberuf her oft Psychiater oder Psychologen.

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