Die Egos müssen draussen bleiben

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Die ZSC Lions haben begriffen, dass Teams den Titel gewinnen, nicht Individuen.

Eine Einheit geworden: Die Spieler der ZSC Lions opfern ihren persönlichen Ruhm für das Team.

Eine Einheit geworden: Die Spieler der ZSC Lions opfern ihren persönlichen Ruhm für das Team.
Bild: Keystone

Meistermacher und brillanter Kolumnist: Kent Ruhnke führte Biel (1983), den ZSC (2000) und Bern (2004) zum Titel. (Bild: Keystone )

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  • ZSC Lions 

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Ich bin fasziniert vom diesjährigen Playoff. Nicht wegen des Eishockeys, das gespielt wird. Sondern wegen der Psychologie, die hinter der erstaunlichen Auferstehung der ZSC Lions steckt. Vor sechs Wochen waren sie verloren in der Wildnis – sie wussten nicht, wer sie waren und wohin ihr Weg führen würde. Inzwischen haben sie sich in die Favoritenposition auf den Meistertitel gespielt. Wie kann das sein?

Es hat alles zu tun mit etwas, das wir in unterschiedlicher Ausprägung in uns tragen. Einige können es besser kontrollieren als andere. Es kann einem im Leben helfen, aber es kann auch destruktiv wirken, wenn man gemeinsam mit anderen etwas erreichen will. Man bezeichnet es als Ego (oder als Ich), und der Psychoanalytiker Sigmund Freud beschrieb es am besten in seinem Werk «Das Ich und das Es» von 1923. Die Lions haben im Playoff ihre Egos unterdrückt und sich ganz in den Dienst der Mannschaft gestellt. Das ist die simpelste und beste Erklärung für ihren plötzlichen Erfolg.

Krueger schickte die Spieler weg

Die Legende besagt, dass Ralph Krueger bei seinem ersten Meeting mit dem Schweizer Nationalteam die Spieler aufforderte, den Raum zu verlassen und erst zurückzukehren, wenn sie ihre Egos draussen deponiert hätten. Nach 20 Minuten kamen die meisten Spieler wieder rein, doch zwei blieben vor der Tür. Sie argumentierten, man könne dieses Spiel nicht auf hohem Niveau spielen, wenn man kein starkes Ego habe. «Das ist okay für mich», sagte Krueger. Er wünsche ihnen viel Glück. Er schloss die Tür und brach auf zu einem der erfolgreichsten Jahrzehnte des Schweizer Nationalteams.

Kruegers Ziel war es, die Wahrnehmung der Spieler davon zu verändern, was es hiess, für die Nationalmannschaft zu spielen. Danach war im Unterbewusstsein jedes Einzelnen verankert, dass von ihm verlangt würde, seinen persönlichen Ruhm für das Team zu opfern. Und genau dies passiert nun in Zürich. Jeff Tambellini spielt eine defensive Rolle und liebt das. Junge Spieler wie Reto Schäppi oder Patrick Geering sind aufgeblüht, Lukas Flüeler ist aus dem langen Schatten von Ari Sulander getreten. Doch es fällt schwer, den Erfolg an einer Person festzumachen. Weil es ein Erfolg des ganzen Teams ist.

Die Wandlung von Bärtschi

Niemand versinnbildlicht für mich diese Wandlung so sehr wie Patrik Bärtschi, den ich übrigens 1984 in meinen Armen hielt, als er erst eine Woche alt war. Ich habe das Gefühl, dass er, auf der Jagd nach seinem ersten Meistertitel, nun wirklich begriffen hat, worum es geht. Er ist gerade deshalb so erfolgreich, weil er auf eine selbstlose Weise spielt. In einem Fernsehinterview nach dem dritten Halbfinalspiel, sein Gesicht von Wunden übersät, funkelten seine Augen vor Freude. Und er sprach nur vom Team. Er ist der erfolgreichste Torschütze des Playoff, weil er nur ein Teil des Puzzles ist und nicht das Puzzle allein.

Der SCB, Zürichs Gegner im Final, hat die gleiche Lektion gelernt. Die Berner treten diszipliniert, geduldig und teamorientiert auf. Der EV Zug hingegen konnte seine Spielweise nicht anpassen und bezahlte damit, im Halbfinal gedemütigt zu werden. Bei Gottéron hat man, wohl zu spät, erkannt, dass es nichts nützt, gegen die Berner «Betontaktik» so zu spielen wie immer. Und indem sich die Freiburger am Samstag fünf Minuten lang weigerten, den Puck aus der eigenen Zone zu spielen, warfen sie die Berner aus der Bahn. So absurd es aussah, es war eine brillante Taktik, weil sie den SCB überraschte. Und indem sie bei den Bernern ein bisschen Zweifel gesät hatten, verschafften sie sich den kleinen, entscheidenden psychologischen Vorteil, um die Serie zu verlängern.

Der Grund, wieso ich so fasziniert bin von der Psychologie des Spiels, ist wohl, dass auch meine Coaching-Philosophie stets darauf abzielt, bei meinen Teams eine starke Identität zu fördern. Und die Spieler dazu zu bringen, ihre Egos zurückzustellen.

Das Handicap der Talentierten

Das ist keine leichte Aufgabe in der Schweiz. Denn das Junioreneishockey ist nicht ausgeglichen genug – und so lernen die Talentiertesten schon früh, Stars zu sein, aber meist nicht, Teamspieler zu werden. Und wenn sie zu uns auf die höchste Stufe kommen, müssen sie zuerst einige schmerzhafte Erfahrungen machen, bevor sie realisieren, dass Mannschaften Meisterschaften gewinnen, nicht Individuen.

Nachdem wir 1999 mit den ZSC Lions im Viertelfinal gegen Kloten ausgeschieden waren, fragte ich Dan Hodgson, was er lieber hätte: eine grossartige Saison oder ein grossartiges Playoff ? Wir hatten wunderbare Monate hinter uns gehabt, waren von einem Abstiegskandidaten zu einem Titelaspiranten geworden. Und was antwortete Hodgson? «Keine Frage, ich würde eine grossartige Saison vorziehen.»

Aber wie stolz ist man in Zug nun auf die grossartige Saison? Und reicht es, nur ein gutes Playoff zu spielen? 1999 wurde ich nach der Enttäuschung gegen Kloten fast entlassen. Als Trainer würde ich ein grossartiges Playoff vorziehen. Denn damit kann man fast alles vergessen machen, was vorher war.

Erstellt: 28.03.2012, 07:50 Uhr

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