Die Betrunkenen am Konferenztisch

Schlaf gab es in Minsk letzte Nacht nicht. Über vierzehn Stunden verhandelten Angela Merkel und François Hollande mit Wladimir Putin und Petro Poroschenko über ein Friedensabkommen zur Ukraine. Für Merkel und Hollande war der Verhandlungsmarathon aber erst der Anfang: In Brüssel steht der EU-Gipfel an.

Eine Seltenheit sind die Freinächte für Politiker wie Merkel oder Hollande freilich nicht. Mehr noch: In den Führungsriegen von Wirtschaft und Politik wird gerne betont, man komme mit nur vier Stunden oder gar keinem Schlaf aus. In diesem Zusammenhang zitierte die «Süddeutsche Zeitung» auch die deutsche Kanzlerin: «Ich habe eine Art Kamelkapazität, mit Schlaf umzugehen», so Merkel. Sie komme mehrere Tage mit sehr wenig Schlaf aus, hole das Manko dann mit Ausschlafen wieder auf.

Wie mit einem Promille Alkohol im Blut

Wissenschaftler stehen Behauptungen wie jener von Angela Merkel kritisch gegenüber. Schlafforscher Christian Baumann äusserte sich bereits früher einmal gegenüber DerBund.ch/Newsnet zum Schlafentzug: «Stresshormone sorgen dafür, dass man oft länger durchsteht als erwartet.» Dennoch gibt Baumann zu bedenken: Die eine oder andere Entscheidung wäre wohl durchdachter, hätten die betreffenden Politiker keine Freinacht hinter sich.

Tatsächlich ist man sich in der Schlafforschung mittlerweile einig, dass wenig Schlaf Folgen für die Handlungsfähigkeit von Menschen hat. So sagte der Basler Chronobiologe Christian Cajochen gegenüber der «Süddeutschen Zeitung»: «Wer zehn Nächte nur sechs Stunden schläft, befindet sich, was Leistungsvermögen, Reaktionsfähigkeit, Gedächtnis und Urteilskraft angeht, in einem Zustand, als hätte er ein Promille Alkohol im Blut.»

Was die langfristigen Folgen von kurzen Nächten betrifft, vermutet die Wissenschaft, dass Schlafmangel die Menschen schneller altern lässt. Zudem hätten Versuche an Tieren gezeigt, dass Schlafmangel Krankheiten wie Alzheimer beschleunige, so Christian Baumann.

Das Nickerchen, die Lösung

Dass es ein einfaches Mittel gibt, mit dem Schlafmanko umzugehen, zeigt nun eine Studie von französischen Forschern. Im «Journal of Clinical Endocrinology Metabolism» schreibt das Team um Brice Faraut, dass sich bereits mit einem Powernap Energie tanken lasse.

Die Forscher weckten Probanden in einem Schlaflabor nach nur zwei Stunden Schlaf. Blutproben danach zeigten, dass das Level des Stresshormons Noradrenalin um das Zweieinhalbfache gestiegen war. Das Resultat: Das Herz schlägt schneller, Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen rascher. Diese Werte normalisierten sich jedoch bei jenen Probanden, die sich am Tag nach der kurzen Nacht für 30 Minuten hinlegen durften. Wollen Politiker Langzeitfolgen von nächtlichen Verhandlungsmarathons verhindern, gibt es also nur eins: ein kurzes Nickerchen am Nachmittag. (kpn)

(Erstellt: 12.02.2015, 16:18 Uhr)

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