«Die aggressivste Form der Kommunikation ist Schweigen» – Tages


Tages-Anzeiger

Startseite ·
Abo ·
Immo ·
Job


jobwinner


alpha


·
Auto ·
Anzeigen ·
Partnersuche

Züritipp ·
Das Magazin ·
Wetter: wechselnd bewölkt



Werbung

Vincenzo Capodici
Reporter


«Die aggressivste Form der Kommunikation ist Schweigen»

Der Kriminalpsychologe Thomas Müller wirkte an der Aufklärung von spektakulären Mordfällen mit. Er nimmt aber auch die Arbeitswelt unter die Lupe – und erklärt destruktives Verhalten am Arbeitsplatz.

«Ein vereinsamter und unzufriedener IT-Techniker wird wohl eher seinen Arbeitgeber schädigen wollen als der, der sich auch psychologisch am Arbeitsplatz sicher fühlt»: Thomas Müller.

«Ein vereinsamter und unzufriedener IT-Techniker wird wohl eher seinen Arbeitgeber schädigen wollen als der, der sich auch psychologisch am Arbeitsplatz sicher fühlt»: Thomas Müller.

Heute in Zürich

Kriminalpsychologe Thomas Müller hält am Dienstagabend beim Zürcher Efficiency Club im Hotel Widder einen Vortrag: Thema: Krisensituationen und deren psychologische Gesetze. Beginn des Referats: 18.30 Uhr.

Zur Person

Thomas Müller

Als Kriminalpsychologe im Bereich des Profilings ist Thomas Müller international bekannt. Der 48-jährige Österreicher war mit seinen Tatortanalysen, die Rückschlüsse auf die Täter erlaubten, an der Aufklärung von aufsehenerregenden Fällen beteiligt. Dazu gehörten der Serienmörder Jack Unterweger und der Briefbomber Franz Fuchs in Österreich oder auch der Frauenmörder Mischa E. in der Schweiz. Müller ist auch Verfasser der Bestseller «Bestie Mensch» und «Gierige Bestie». Der Kriminalpsychologe, der eine Spezialausbildung beim FBI in den USA gemacht hatte, sprach bei den Recherchen für seine Bücher mit Schwerverbrechern wie Serienmördern und Vergewaltigern.

Müllers Wissen ist auch in der Wirtschaft gefragt. So wird er von Unternehmen beigezogen, wenn es um Probleme in der Arbeitswelt geht – Probleme wie Mobbing, Datendiebstahl oder Datenklau. Müller befasst sich insbesondere mit dem Phänomen der «Workplace Violence» – einem durch Stress, Mobbing und Unzufriedenheit verursachten Problem. (vin)

Artikel zum Thema

  • Wie Banker zu Datendieben werden
  • Die fiesen Kolleginnen
  • Schafft die Krise mehr Kriminelle?

Ein Modell des psychischen Gleichgewichts

Work, Interaction und Ego

Nach Ansicht des Kriminalpsychologen Thomas Müller speist sich das Selbstwertgefühl des Menschen aus drei Bereichen: Work, Interaction und Ego. Im Bereich Work geht es um die Frage, was man herauszieht aus der beruflichen Tätigkeit, aus der Rückmeldung, die man bekommt. Der zweite Bereich, der das Selbstwertgefühl nährt, ist der Umstand der Interaktion mit anderen Menschen, mit Freunden, in der Familie, in der Partnerschaft. Im dritten Bereich geht es um all jene Entscheidungen, die wir nur für uns machen – dass man sich selbst wichtig ist.

Entscheidend ist laut Müller, das Selbstwertgefühl in Balance zu halten. Denn wenn ein Bereich einbricht, etwa das Berufsleben, hat man immer noch die Bereiche Interaction und Ego. Wenn jedoch ein Bereich zu stark betont wird, zum Beispiel das Privatleben, und die anderen vernachlässigt werden, wird es kritisch für das Selbstwertgefühl – und für die psychische Gesundheit. (vin)

Teilen und kommentieren


Ihre E-Mail wurde abgeschickt.

Korrektur-Hinweis

Melden Sie uns sachliche oder formale Fehler.




';

} else if (google_ads.length 1) {

s += '

Google-Anzeigen

'

/*
* For text ads, append each ad to the string.
*/

for(i = 0; i

' +
google_ads[i].line1 + '

' +
google_ads[i].line2 + ' ' +
google_ads[i].line3 + '

' +
google_ads[i].visible_url + '

';
}
}
}

document.write(s);
return;
}
google_ad_client = 'pub-5337254158372699'; // substitute your client_id (pub-#)
google_ad_channel = '5646939940'; // TAGI
google_ad_output = 'js';
google_max_num_ads = '2';
google_ad_type = 'text_html';
google_feedback = 'on';
// --

Als Kriminalpsychologe und Experte für Gewaltverbrechen befassen Sie sich auch mit Problemen in der Arbeitswelt, wie zum Beispiel Mobbing oder Datendiebstahl. Wie geht das zusammen?
Thomas Müller: Kein Mensch wacht in der Früh auf und freut sich darauf, ein destruktives Verhalten am Arbeitsplatz zu zeigen, und am Abend denkt er sich: Es war ein schlechter Tag, ich mache das nie mehr wieder. In der Regel ist jede Form von Arbeitsplatzkriminalität ein langsamer, voranschreitender Prozess, der eine Ursache und dann eben eine Wirkung hat. Als Psychologe interessiert mich die Ursache, dann kann ich an der Wirkung – in diesem Fall einer sehr destruktiven – etwas ändern.

Können Sie anhand eines konkreten Falls erklären, welchen Nutzen Ihr Wissen über Schwerverbrecher für den normalen Arbeitsalltag haben kann?
Wer, glauben Sie denn, wäre der beste Ansprechpartner, um zu erfahren, ob Ihr Haus gegen Einbruch gut geschützt ist? Ich würde einen, nein nicht einen, ich würde den besten Einbrecher fragen. Er könnte mir seine Sicht der Dinge über die Qualität meines Schlosses, der Fenstersicherheit und meiner sichtbaren subjektiven Sicherheit erzählen. Und so frage ich – und verstehen Sie das bitte jetzt nicht wertend – die besten Datendiebe, um von ihnen zu lernen. Sie können von niemandem mehr über die Ursachen erfahren als von jenen, die sie verursacht haben. Das ist eben der kriminalpsychologische Ansatz.

Was können die Auslöser von destruktiven Verhaltensweisen am Arbeitsplatz sein? Und welche Warnsignale gibt es?
Wir wissen aus der wissenschaftlichen Aufarbeitung vieler Fälle von Arbeitsplatzkriminalität, dass drei Dinge in ihrer Summe eine enorm negative Auswirkung auf das Verhalten von Menschen gegenüber ihrer Firma haben können: länger andauernder Stress, fehlende Identifizierung mit dem Arbeitgeber, dem Produkt, dem Vorgesetzten etc. und eine persönliche Problemstellung wie etwa eine Scheidung, eine Krankheit, ein Todesfall usw. oder eine Summe all dieser Dinge. Warnsignale sind eine schleichende Verhaltensänderung der Firma, den Mitarbeitenden und schliesslich sich selbst gegenüber, zum Beispiel eine beginnende Vernachlässigung der eigenen Hygiene. Insgesamt konnten wir zwischenzeitlich über 15 Merkmale identifizieren, die entsprechend beobachtet und bewertet, ein starkes Warnzeichen dafür abgeben können, ob jemand bereits an seinem beruflichen Selbstgefühl zweifelt oder nicht.

Nehmen wir ein Beispiel aus der Schweizer Finanzwelt: Banken fürchten sich vor Datendieben, die Kundeninformationen an ausländische Steuerbehörden verkaufen. Wie würden Sie das Problem des Datenklaus angehen?
Keine verantwortungsbewusste Bank in der Schweiz beharrt heute noch ausschliesslich auf einer reinen physischen Sicherheit. Firewalls, Sperrverhältnisse, dicke Eisentüren und ein Betriebskontinuitätsmanagement sind das eine. Die psychologische Sicherheit aller Mitarbeitenden etwas anderes. Ein isolierter, vereinsamter, unzufriedener und/oder sich missverstandener IT-Techniker wird wohl eher seinen Arbeitgeber schädigen wollen als der, der sich auch psychologisch am Arbeitsplatz sicher fühlt: Habe ich einen objektiven Ansprechpartner in allen Fragestellungen, erhalte ich jene Wertschätzung, die ich brauche, wird meine Tätigkeit auch von meinem Vorgesetzten geschätzt? Ich kenne keinen Fall von Datendiebstahl der letzten Jahre, wo ein zufriedener und gut aufgestellter Mitarbeiter «seine» Institution geschädigt hat – und ich kenne viele Fälle, auch jene, die man nie erfahren wird. Ein sauberes Sicherheitskonzept kennt den interdisziplinären Ansatz von einer physischen und einer psychischen Sicherheitsstruktur. Vergessen Sie nicht: 9 von 10 Fällen von Datendiebstählen sind persönlich motiviert und nicht monetär – diesbezüglich spricht die Statistik allein schon eine sehr klare Sprache.

Wie entscheidend sind die Chefs bei der Prävention von Workplace Violence?
Ein Vorgesetzter hat einen oder mehrere Mitarbeiter fachlich, aber auch menschlich psychologisch zu führen – und er vergisst dabei nicht die persönliche Form der Kommunikation. Mit E-Mails, SMS und Cloud-Foren kann man keine qualitative Wertschätzung vermitteln.

Sie haben sich mit den psychologischen Gesetzen von Krisensituationen auseinandergesetzt. Welche Lehren haben Sie aus dem Studium von Krisen gezogen?
Dass wir nicht weise werden, indem wir ständig Erfolg haben, sondern lernen, an unserem Misserfolg zu wachsen. Und trotzdem strebt jeder von uns nach Glück, Anerkennung und Erfolg. Aber genau das Gegenteil lehrt uns, wie wir uns weiter zu entwickeln haben.

Sie haben ein Modell für das psychische Gleichgewicht entwickelt. Dieses beinhaltet drei Bereiche: Work, Interaction und Ego (siehe Infobox). Was ist die Grundidee dieses Modells? Und inwiefern kann es schwere Straftaten erklären, wie zum Beispiel das Massaker von Friedrich Leibacher im Zuger Parlament im Jahr 2001?
Es geht um die Diversifizierung unseres Selbstwertgefühles. Wenn wir aus einem der drei Bereiche mehr Selbstwertgefühl beziehen als aus der Summe der beiden anderen zusammen, wird es dann gefährlich, wenn genau in jenem Bereich etwas passiert – das müssen wir auch nicht selbst verursacht haben –, wo wir sehr viel unserer persönlichen Wertschöpfung erlangen. Leibacher hatte den klassischen Entwicklungsverlauf genommen: Aus einem prinzipientreuen Menschen wurde zunächst ein intoleranter und dann ein querulatorischer Mensch. Und als man im Sommer 2001 sieben seiner Eingaben negativ beschied, zog er sich zurück. Nun könnte man diesen Rückzug als Einsicht interpretieren – war es aber nicht. Es war der Beginn der Planung. Sehen Sie: Das zum Beispiel lernen Sie nur von jenen, die diese Entwicklung bereits hinter sich haben – wir sprechen mit Tätern, um präventiv vielleicht etwas dagegenstellen zu können, dass andere erst gar nicht zu Tätern werden.

In Ihren Büchern «Bestie Mensch» und «Gierige Bestie» zeichnen Sie ein düsteres Bild des Menschen. Sind die Menschen wirklich so schlecht? Oder haben Sie berufsbedingt einen skeptisch-pessimistischen Blick auf die Welt?
Ganz im Gegenteil: Lesen Sie meine Bücher vielleicht nochmals. Es geht um Schuld und Sühne. Genauso um die Frage, wie man andere Menschen behandeln soll. Wir lernen von Shakespeare genauso wie vom perfiden Franz Moor aus «Schillers Räubern». Meine Bücher sind Lesebücher für Erwachsene und sind alles andere als düster. Sie sind eine Laudatio für die persönliche Weiterentwicklung.

Wir begegnen täglich der Bestie Mensch. Wie können wir sie erkennen?
Können Sie nicht – oder vielleicht doch. Ex factis non ex dictis amici pensandi – Titus Livius wusste es: Nicht an den Worten, sondern an den Taten sollst du deine Freunde messen. Öffnen Sie die Augen und beobachten Sie, und versuchen Sie nicht, Menschen anhand Ihrer eigenen ethischen und moralischen Vorstellung zu beurteilen. Das führt nur in ein Vorurteil, aber nicht in eine objektive Analyse.

Als Kriminalpsychologe und Profiler haben Sie viele spektakuläre Schwerverbrechen mit aufgeklärt und damit internationale Berühmtheit erlangt. Welcher Fall hat Sie am meisten erschüttert? Und warum?
Ich betrachte mich – mit Verlaub – nicht als berühmt. Und ich sollte es tunlichst vermeiden, dass mich Fälle erschüttern. Und trotzdem: Die Frau, die ihren Mann erstach, weil er Jahre nicht mehr mit ihr sprach, hat mich doch sehr nachdenklich gestimmt. Und ich habe verstanden, dass die aggressivste Form der Kommunikation nur eines sein kann: das Schweigen.

Wie weit sind Sie beim Vorhaben, den Code des Bösen zu entschlüsseln?
Hauke Goos vom «Spiegel» war wohl der Meinung, dass dieses Vorhaben ein Traum von mir sei. Aber es geht nicht – ganz einfach, weil menschliches Verhalten zu komplex ist, als dass Sie es in einem Leben begreifbar machen können. Seien wir froh darüber. Das ist ja auch das Schöne an meinem Beruf. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute ist anders und bietet neue Betrachtungsweisen.

Sie haben unzählige Interviews gegeben. Welche Frage würden Sie sich selber stellen? Und was würden Sie antworten?
Bin ich jetzt müde? Die Antwort ist: ja. Denn ich schreibe meine Antworten um 1.45 Uhr morgens. Also: Ich entferne mich jetzt in mein Unterbewusstsein – dorthin, wohin mir niemand folgen kann. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Erstellt: 19.02.2013, 17:42 Uhr


Ihre E-Mail wurde abgeschickt.

Leave a Reply