Der Schweiz gehen die Ebola-Medikamente aus – Tages

Laurent Kaiser bereitete sich mit aller Sorgfalt auf die Aufnahme von Ebola-Patienten vor. Der Chefarzt der Abteilung für Infektionskrankheiten an den Genfer Universitätsspitälern (HUG) reiste unter anderem nach Liberia, um sich vor Ort ein Bild vom Ausmass der Epidemie zu machen. Und er erarbeitete ein Therapiekonzept mit Medikamenten, die er bei der Bekämpfung des Ebola-Virus einsetzen wollte. Dem Antikörpermittel ZMapp, eine Weiterentwicklung des Serums ZMab, wies er eine zentrale Rolle zu, obschon das Medikament wissenschaftlich nur in Tierversuchen eingesetzt und lediglich in einigen wenigen Einzelfällen an Menschen ausprobiert worden war.

Doch seit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie spielen unzureichende Kenntnisse und mangelnde Transparenz eine untergeordnete Rolle. In der Not setzen Virologen auch experimentelle Wirkstoffe ein, um die Ausbreitung der Ebola-Viren im menschlichen Körper zu stoppen. ZMapp gehört in diese Kategorie. Ärzte wenden es in Fällen von erkrankten internationalen Mitarbeitern an, aber halten ihre Beobachtungen mit dem Hinweis auf das Berufsgeheimnis unter Verschluss.

Auch WHO suchte nach ZMapp

Der Genfer Virologe Laurent Kaiser war sich nach dem Austausch mit Kollegen innerhalb eines internationalen Ärztenetzwerks sicher, dass ZMapp zumeist positive Ergebnisse liefert. Sein Problem war, das Medikament aufzutreiben. Weil es von den Gesundheitsbehörden nicht zugelassen ist, führen es Kliniken in ihren Apotheken nicht offiziell. Es ist nicht einmal bekannt, in welchen Mengen es produziert wurde. Es heisst, kurz nach dem Ausbruch der Ebola-Krise seien ­einige Dosen nach Westafrika geliefert worden, um erkrankte Helfer zu be­handeln.

Doch mittlerweile scheint ZMapp gar nicht mehr greifbar zu sein. Kaiser ­jedenfalls recherchierte hartnäckig. Er suchte das Serum beim ZMapp-Produzenten im kalifornischen San Diego, er kontaktierte Spitäler und bat die WHO, ihr Netzwerk zu aktivieren, um irgendwo auf der Welt eine Dosis zu finden. Vergeblich. Der Virologe musste in der Not auf das Vorgängerserum des ZMapp, ZMab genannt, ausweichen. Er fand geringe Mengen in Frankreich und Spanien.

Als der mit Ebola infizierte kubanische Arzt Félix Báez letzten Donnerstag in die HUG eingeliefert wurde, konnte er ihm das Medikament rasch injizieren. Seit Anfang Woche ist das Serum aufgebraucht. Die geringen Mengen, die zur Verfügung standen, wurden vollständig dem kubanischen Arzt verabreicht. Dem 43-Jährigen geht es nun langsam besser. Die Anzahl Viren in seinem Blut ist deutlich zurückgegangen. Das ist ein positives Zeichen. Denn die Krankheit verschlimmert sich zwischen dem fünften und zehnten Tag nach der Infektion normalerweise. Am Dienstag hatte Félix Báez bereits kein Fieber mehr. Die Ärzte sehen gute Chancen, dass der Kubaner die Infektion überleben wird.

Wie ein Zauberlehrling gefühlt

Die Frage ist nun, welche Rolle das ZMab im Heilungsprozess spielte. Das sei unmöglich zu sagen, sagt Laurent Kaiser. Er habe auch noch keine Zeit für eine genaue Analyse gehabt. Auch seien dem Patienten zeitgleich mehrere Medikamente verabreicht worden, so Kaiser. Nebst dem Antikörperserum ZMab wurden verschiedene antivirale Mittel eingesetzt.

Was die Verwendung von ZMab anbelangt, habe er sich als Arzt wie eine Art Zauberlehrling gefühlt, beschreibt Kaiser seine Erfahrung. Denn erstens müsse man die richtige Dosierung finden und zweitens wissen, an welchem Punkt man das Medikament absetzen sollte.

Nebst der Medikamentierung könnten sich im Fall des Ebola-Patienten Félix Báez andere Umstände positiv auf dessen Heilung auswirken. Gemäss der Aussagen seiner Genfer Ärzte könnte Báez aufgrund seiner genetischen Veranlagung über ein gutes Immunsystem verfügen, was seine Resistenz gegen das Virus stärkt. Und die Ärzte betonen, dem 43-Jährigen sei in Westafrika in einem sehr frühen Krankheitsstadium eine Infusion gesetzt worden, um zu verhindern, dass er zu viel Körperflüssigkeit verliert. Nach der Stabilisierung wurde er dann sehr rasch nach Genf transportiert.

Dass andere Patienten wie der betagte spanische Priester Miguel Pajares trotz ZMapp an Ebola starben, erklärt Laurent Kaiser mit dem Umstand, dass Pajares wohl durch Vorkrankheiten schon zu sehr geschwächt war.

Thomas Nierle, der für die NGO Ärzte ohne Grenzen (MSF) noch vor kurzem in den Ebola-Krisengebieten Guinea und Liberia im Einsatz war, sagt, es gebe inzwischen noch andere therapeutische Konzepte, an denen intensiv gearbeitet werde. Aus Blutplasma geheilter Ebola-Patienten würden Antikörper gewonnen, um sie Ebola-Kranken zu vera­breichen, so Nierle.

Er sagt: «Geheilte Ebola-Patienten gibt es in Westafrika viele. Sie werden stigmatisiert und wie Aussätzige behandelt. Würden sie im Kampf gegen Ebola eingesetzt, wäre das für Betroffene eine grosse Hilfe.»

(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

(Erstellt: 26.11.2014, 22:54 Uhr)

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