Der Schokoladenschwindel


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Der Schokoladenschwindel

Wie ein Team um einen US-Journalisten mit einer wissenschaftlich unhaltbaren Diätstudie die Weltpresse narrte.

Soll angeblich beim Abnehmen helfen: Dunkle Schoggi.

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Bild: Georgios Kefalas/Keystone

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    Es klang eigentlich zu gut, um wahr zu sein: Wer mit einer kohlenhydratarmen Diät abnehmen will, kommt schneller zum Ziel, wenn er jeden Tag zusätzlich knapp eine halbe Tafel dunkle Schokolade isst. Dies war das Ergebnis einer im März im seriös klingenden Fachblatt «International Archives of Medicine» publizierten Studie. Eine professionell aufgesetzte Pressemitteilung brachte die gute Nachricht in die Redaktionsstuben auf der ganzen Welt.

    Die Studie war denn auch ein gefundenes Fressen für die schnelle Presse: «Wer Schokolade isst, bleibt schlank», titelte die deutsche BILD, das Magazin Focus sprach von einem «erstaunlichen Effekt» und «Schokolade hilft beim Abnehmen», und die «Huffington Post» frohlockte: «Excellent News: Chocolate Can Help You Lose Weight!»

    Das Institut existierte nur als Website

    Die zitierte Studie gibt es zwar tatsächlich (dazu später), doch weder der aufgeführte Erstautor (Johannes Bohannon) noch das angebliche «Institute of Diet and Health» in Mainz existieren in der Realität, Letzteres nur virtuell als rudimentäre Website. Und Johannes Bohannon heisst in Wirklichkeit John Bohannon und ist kein Ernährungswissenschaftler, sondern ein Wissenschaftsjournalist. Ihm und seinen Mitstreitern ging es mit der Studie denn auch überhaupt nicht darum, einen gesundheitsfördernden Effekt von Bitterschokolade nachzuweisen, sondern sie wollten primär die Fragwürdigkeit vieler Diätstudien aufzeigen und die Journalistenzunft testen, ob diese gute von schlechten Studien unterscheiden kann.

    Die Studie von Bohannon und Co. war absichtlich so miserabel angelegt, dass die Resultate wissenschaftlich wertlos waren und dass dies jedem Journalisten spätestens beim zweiten Blick hätte auffallen müssen. Doch unzählige Redaktionen nahmen sich nicht mal die Mühe, den Autor oder das virtuelle Institut zu googeln, geschweige denn die Studie runterzuladen und selber zu lesen. Und nur wenige Journalisten bemühten sich, den Autor zu kontaktieren. Die, die es taten, stellten dann nur irrelevante Fragen. Einen unabhängigen Experten, der die Relevanz der Studie hätte einschätzen können, kontaktierte kein Journalist.

    Diese Woche nun flog die Sache auf. In einem Essay unter dem Titel «I Fooled Millions into Thinking Chocolate Helps Weight Loss. Here's How» outete sich Bohannon auf der Blog-Seite iO9.com. Darin berichtet er, wie er von den beiden deutschen Reportern Peter Onneken und Diana Löbl angefragt wurde, an einem Dokumentarfilm über «Junk Science» in der Lebensmittelindustrie mitzuarbeiten. Der Film wird am 5. Juni auf Arte zu sehen sein, die Hintergründe veröffentlichte Arte ebenfalls diese Woche.

    Das Studiendesign verstiess gegen alle Regeln der Kunst

    Für die Durchführung der Studie holte das Team um Bohannon noch einen Arzt an Bord. Mit 150 Euro lockten sie freiwillige Teilnehmer für die Studie, 15 machten mit. Sie teilten die Probanden in drei Gruppen auf – 5 mussten 21 Tage lang eine kohlenhydratarme Diät befolgen, 5 dazu zusätzlich 42 Gramm dunkle Schokolade essen pro Tag, und die letzten fünf durften essen, was sie wollten. Während der Studiendauer massen die Forscher insgesamt 18 verschiedene Parameter bei den Teilnehmern.

    Mit diesem Studiendesign verstiessen die Forscher gegen alle Regeln der Zunft. Zum einen ist die Zahl der Studienteilnehmer für eine seriöse Aussage viel zu klein. Zum anderen erhöht sich (aus purem Zufall) die Chance, irgendwo einen statistisch signifikanten Wert zu finden, wenn man möglichst viele Parameter testet. Und genau das trat ein. Die Teilnehmer der Schokoladengruppe verloren minimal mehr Gewicht (minus 3,2 Prozent) als die Gruppe mit der kohlenhydratarmen Diät (minus 3,1 Prozent). Dies reichte für die Schlagzeile.

    Kritik von Kollegen

    Bohannon rechnet in dem Essay mit der Journalistenzunft und deren unersättlicher Gier nach knackigen Ernährungsschlagzeilen ab. Dass so etwas passieren könne, habe mit der unglaublichen Faulheit («incredible laziness») der Journalisten zu tun. Doch auch die Fachpresse kommt nicht gut weg. So war es für Bohannons Team ein Leichtes, die Studie zu publizieren, ohne dass sie durch den sonst üblichen «Peer-Review-Prozess» gegangen wäre und ohne dass der Herausgeber auch nur ein Wort an der Studie kritisiert hätte.

    Doch Bohannon stösst mit seiner Guerillaaktion nicht nur auf Gegenliebe. Der Zweck heilige die Mittel nicht immer, kritisierten diverse Kollegen. Menschen so an der Nase herumzuführen, hinterlasse ein mulmiges Gefühl, twitterte zum Beispiel Dr. Bethany Brookshire (@scicurious). Und ihr Kollege Ed Yong (@edyong209) findet es für einen Journalisten vollkommen unethisch, absichtlich falsche Informationen in Umlauf zu bringen. Bohannon lässt sich von solcher Kritik indes nicht beirren. Er glaube nicht, dass er Menschen unnötig einem Risiko ausgesetzt habe, sagte er der «Washington Post». Er hoffe vielmehr, dass er mit seiner Aktion die Menschen sensibler gemacht habe für diese Form von «Schrottwissenschaft». (baz.ch/Newsnet)

    Erstellt: 29.05.2015, 11:45 Uhr


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