Der komplizierte Weg zur Anerkennung

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14. März 2012

Ein Gesetz soll ausländische Berufsabschlüsse würdigen: Infos gab’s am Montagabend im BZ-Haus.

Bundesweit sind knapp 300 000 Menschen in ähnlichen Situationen wie der Mann und die Frau aus Syrien, die am Montagabend im voll besetzten BZ-Haus saßen: Sie haben studiert oder einen Beruf gelernt, doch ihr ausländischer Abschluss war in Deutschland nie etwas wert. Ändert sich das mit dem "Gesetz zur Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen", das ab April gilt? Fazit des Info-Abends vom Verein "Anwältinnen ohne Grenzen": Es gibt noch keine einfache Lösung, aber zumindest Fortschritte.

Der Mann aus Syrien ist frustriert: "Das Gesetz kommt zu spät." Er ist 45 und seit zwölf Jahren in Deutschland, hat in Syrien Erziehungswissenschaften studiert und in Freiburg immer nur als Leiharbeiter gearbeitet. "Zumindest psychisch bringt mir die Anerkennung aber viel", sagt die Frau neben ihm, die in Syrien Psychologie studiert hat und in Deutschland "bei Null" nochmal anfangen musste: Mit einer Ausbildung zur Erzieherin. Egal ob in Syrien oder einer Elite-Uni in den USA: Auch Heike Mensch auf dem Podium, die als Deutsche 1985 ihren Psychologie-Abschluss in Michigan gemacht hat, wurde vom Arbeitsamt in Ingolstadt lediglich als Kindergartenhelferin – also als Hilfskraft – eingestuft. Und ihre zehn Jahre als Richterin und sechs als Anwältin wurden Jasmina Prpic aus Bosnien – Vorsitzende der "Anwältinnen ohne Grenzen" – gerade mal als erstes Jura-Semester angerechnet.

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Vor allem dem Fachkräftemangel sei es zu verdanken, dass nun doch noch etwas in Bewegung gerate, bilanzieren die Anwältin Claudia Vogel und Peter Drakul vom Integrationsministerium Stuttgart. Vermutlich werden bald um die 300 000 Menschen, die bisher unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten oder arbeitslos sind, Anträge auf Anerkennung stellen. Die Unterlagen müssen in deutscher Übersetzung eingereicht werden, Kammern prüfen sie auf gleichwertige Inhalte und Dauer der Ausbildung. Das Gesetz verspricht zwar ein verlässliches Bewertungsverfahren, kompliziert wird es aber allemal: Besonders für "nicht reglementierte Berufe" – als "reglementierte Berufe" gelten unter anderem Ärzte, Ingenieure und Anwälte, aber auch Arbeitserzieher, Elektriker oder Orthopädie-Schuhmacher. Wie findet man heraus, in welche Kategorie ein Beruf fällt und wohin man sich wenden kann? Da sollen Beratungsstellen helfen, von denen der Bund nur zwei für ganz Baden-Württemberg vorgesehen hat: in Mannheim und Stuttgart. Peter Drakul sieht großen Nachbesserungsbedarf in der Beratung und auch bei der Nachqualifizierung, falls zur Anerkennung eines Abschlusses etwas fehlt.

Auf Landesebene sollen Netzwerke unter anderem mit Kammern, Wohlfahrtsverbänden und Arbeitsagenturen entstehen, um flächendeckend Beratung zu vermitteln. Wie aber soll jemand nötige Nachqualifizierungen finanzieren? In der Klärung solcher Fragen sei alles "noch ganz am Anfang", bedauert Peter Drakul.

Autor: Anja Bochtler

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