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Der «komische Kauz» wird Projektleiter

Gerhard Gaudard galt als Problemfall, bevor er mit 36 Jahren die Diagnose Asperger-Syndrom erhielt. Wo er in der Arbeitswelt trotzdem seine Erfüllung fand.

Hat seit zwei Jahren eine «Traumstelle»: Gerhard Gaudard.

Hat seit zwei Jahren eine «Traumstelle»: Gerhard Gaudard.

Bild: Ruben Wyttenbach (13 Photo)

Asperger-Syndrom

Probleme mit Gestik und Gefühlen
Das Asperger-Syndrom ist eine Störung des sogenannten autistischen Spektrums, an dem laut Untersuchungen rund 0,7 Prozent der Kinder leiden. Zusammen mit Erwachsenen sind es in der Schweiz geschätzte 50 000 Betroffene. In der Praxis gehen Fachleute davon aus, dass ein Fünftel davon unter einem Asperger-Syndrom leidet, der Rest überwiegend unter frühkindlichem Autismus. Asperger-Betroffene haben Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen. Gerhard Gaudard beschreibt es so: «Es ist, wie wenn ich im Glashaus mit abgetönten Scheiben hocken würde: Schall dringt durch, nicht jedoch Gestik und Gefühle.» Um wenigstens einen Hinweis auf die Verfassung seines Gegenübers zu bekommen, versucht Gaudard dessen Stimme zu interpretieren: Klingt er traurig, böse oder fordernd?

Gaudard will auch «keinen grossen Kollegenkreis, das ist mir zu anstrengend». Viele Betroffene interessieren sich gar nicht für andere Menschen. Einige hingegen schon, wissen aber nicht, wie sich anstellen, und ziehen sich zurück, weil sie nicht verstanden werden. Typisch für Asperger-Betroffene sind auch Auffälligkeiten bei der Kommunikation: Eine ungewöhnliche Sprechmelodie, altkluge Sprechweise, fehlender Blickkontakt oder unnatürliche Mimik und Gestik gehören zu den Symptomen, die häufig vorkommen. Betroffene haben zudem oft einen Hang zu Ritualen und bekommen Schwierigkeiten, wenn sie sich auf Neues einstellen müssen. Typisch ist auch ein ausgeprägtes Interesse insbesondere für technische oder systematische Dinge, die viel Zeit beanspruchen. Es findet sich immer wieder eine sogenannte Inselbegabung, etwa umfassende Fahrplankenntnisse oder brillantes Kopfrechnen. (fes)

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Sind sie grün, blau, braun? Selbst nach einem einstündigen Gespräch über persönliche Dinge bleibt die Augenfarbe von Gerhard Gaudard ein Geheimnis. Er blickt sein Gegenüber nicht an, egal wie gut oder schlecht er ihn kennt. Das mag irritierend sein, für Gaudard ist es das Normalste der Welt. «Ich habe einfach kein Bedürfnis, den Menschen in die Augen zu sehen», sagt er.

Gaudard ist betroffen vom sogenannten Asperger-Syndrom, einer Unterform aus dem Autismusspektrum. Der 38-Jährige wusste bis vor kurzem nichts von seiner Behinderung. Seine Diagnose erhielt er erst vor zwei Jahren. Davor hat Gaudard sich mehr schlecht als recht als «komischer Kauz» in der Welt der sogenannt Normalen durchgeschlagen. Auch im Beruf. Nach der Lehre hat er immer wieder die Arbeitgeber gewechselt. Seit 2011 hat Gaudard erstmals einen auf ihn zugeschnittenen Arbeitsplatz. «Eine Traumstelle», sagt er.

Gaudard sitzt im T-Shirt und mit Kurzhaarschnitt im ersten Stock eines Altbaus an der viel befahrenen Bernerstrasse in Zollikofen bei Bern. Es ist das Besprechungszimmer der Firma Specialisterne, bei der Gaudard nun als Projektleiter arbeitet. «Ich möchte auf keinen Fall mehr auf einer dieser Muggelstellen arbeiten», sagt er. «Muggels» sind in den Fantasy-Romanen «Harry Potter» Menschen, die keine magische Begabung haben und deswegen hilflos sind.

SAP will ein Prozent Autisten

Erst seit wenigen Jahren beginnen Arbeitgeber das Potenzial von Autisten wie Gerhard Gaudard als Arbeitskräfte zu entdecken. Bislang versuchten erst Nischen-Unternehmen im IT-Bereich solche Leute einzustellen. Etwa die Firma Asperger Informatik in Stäfa.

Diesen Frühling hat nun die Integration von autistischen Menschen in die Arbeitswelt einen kräftigen Schub erhalten: SAP, der grösste europäische Softwarehersteller, verkündete Ende Mai, dass Menschen mit Autismus künftig einen festen Platz in der Belegschaft bekommen sollen. Ziel ist es, dass bis 2020 ein Prozent der Arbeitnehmer Autismusbetroffene sind. Bei momentan fast 66'000 Mitarbeitern wären dies etwa 660 Stellen. Innovation entstehe an den Rändern, so SAP-Vorstand Luisa Delgado in einer Mitteilung. «Nur wenn wir Mitarbeiter einstellen, die anders denken und so Innovationen fördern, kann SAP den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen.»

Ein anderes Unternehmen, das die Fähigkeiten von Menschen mit Autismus nutzen will, ist die ursprünglich dänische Firma Specialisterne. Sie steckt hinter dem Vorhaben von SAP und wird die Softwarefirma dabei unterstützen. «Es braucht nicht viel, damit es funktioniert», sagt Thomas van der Stad, er ist Geschäftsführer von Specialisterne Schweiz. Vorgesetzte müssen über die Behinderung Bescheid wissen und eine gute Beziehung zu den Betroffenen pflegen. Problematisch sind hingegen enge Raumverhältnisse, mobile Arbeitsplätze und akustische oder optische Reizüberflutung. «Grundsätzlich geht es darum, Qualität zu nutzen, statt Quantität zu fordern», sagt van der Stad. Dass dies funktionieren kann, hat bei SAP ein Pilotprojekt in Indien gezeigt, bei dem sechs Mitarbeiter mit Autismus als Softwaretester gute Arbeit leisteten.

Diagnose als Befreiung

Für Betroffene wie Gerhard Gaudard ist diese Entwicklung ein Segen. Als er im April 2011 die Diagnose Asperger-Syndrom erhielt, musste er zuerst Nachschlagen, was das überhaupt ist. «Es war für mich eine Befreiung», erinnert er sich. «Die Diagnose hat mir Antworten auf viele Fragen gegeben und erklärt, warum gewisse Dinge in meinem Leben geschehen sind», sagt er.

Bei früheren Stellen habe er nie verstanden, was der Chef oder die Kollegen von ihm wollten. Und weil ihn der Umgang mit anderen Menschen überfordert, mied er Kaffeepausen, Apéros und Sitzungen – und bekam deshalb nicht alles mit. «Wirklich zum Problem wurde es aber, wenn ich mehrere Dinge gleichzeitig und unter Zeitdruck tun musste», sagt Gaudard. Wegen seiner Behinderung kann er dann nicht Nein sagen und auch nicht über die Situation sprechen. «Dann ist es so wie ein Schalter, der umgelegt wird.» Er wird hektisch und chaotisch, bekommt eine komische Stimme. «Fürs Umfeld wird es dann schwierig.»

Berufliche Integration

Das passiert ihm zwar manchmal heute noch. Doch bei Specialisterne weiss man damit umgehen. Und seiner Freundin hat Gaudard gesagt: Nimm mich in den Arm und sage etwas Liebes, wenn das passiert. Dann beruhigt er sich wieder.

Doch ist es mehr als PR, wenn Firmen wie SAP Mitarbeiter mit Asperger-Syndrom einstellen? «Es geht sicher auch darum, nach Aussen soziales Engagement als ein Stück Unternehmenskultur zu vermitteln», sagt van der Stad. Nach innen signalisiere das Unternehmen ausserdem, dass Menschen mit anderem Hintergrund und ungewöhnlichen Ideen erwünscht sind. Daneben hat eine Firma wie SAP einen handfesten Nutzen: Die neuen Mitarbeiter kommen vorwiegend in der Softwaretestung zum Einsatz. «Das ist ein Bereich, der bei Softwareentwicklern nicht beliebt ist, für den man aber trotzdem kompetente Leute braucht, auf die man sich verlassen kann», so van der Stad.

Specialisterne selber geht es vor allem um die berufliche Integration von Autismusbetroffenen. Thorkil Sonne, ehemaliger Manager bei Nokia, gründete die Firma 2004. Er hatte zuvor bei seinem eigenen autistischen Sohn realisierte, dass dieser keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben wird, obwohl er über besondere analytische Fähigkeiten verfügt. Inzwischen hat Sonnes Firma Ableger in verschiedenen europäischen Ländern und den USA. Specialisterne Schweiz wurde 2012 von der Stiftung Autismuslink gegründet. Schwerpunkt ist die IT: Software schreiben, Webseiten entwerfen und die Verwaltung von Datenbanken, Servern und Netzwerken. Die meisten Angestellten in Zollikofen sind Einzelarbeiter, Gerhard Gaudard ist in seiner Position als Projektleiter die Ausnahme.

Hilflos im Alltag

Das Asperger-Syndrom wird gemeinhin häufig mit Hochbegabung gleichgesetzt. Doch in der Realität sind die meisten Betroffenen normal begabt. Bei ihnen geht es weniger um den besonderen Nutzen für den Arbeitgeber als um Integration. Auch Gaudard sieht vor allem die Beeinträchtigungen seiner Behinderung: «Manchmal will ich Dinge machen, von denen ich aber weiss, dass ich das nicht kann», sagt er. So kann er nicht alleine ins Einkaufscenter, um sich etwas zu besorgen. «Es ist hektisch, lärmig, ich reagiere auf Licht und Lärm empfindlich.» Er muss alles genau planen.

Alleine geht er nur in die Migros. Dort kauft er immer das Gleiche und ist in fünf Minuten wieder draussen. «Es geht nur um die Nahrungsaufnahme, da muss ich mich nicht verwirklichen», sagt Gaudard. Dies tut er bei der Arbeit, über die er glücklich ist: «Es ist wie der Jackpot, alles passt.» (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 18.07.2013, 15:35 Uhr


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