Delikte greifen tief in die Seele


Darmstadt.

Ein Jahr nach dem Abschlussbericht des Runden Tisches der Bundesregierung zum Thema Kindesmissbrauch ist nach Ansicht des Kinderschutzbundes viel zu wenig erreicht worden. Ein Gesetzentwurf zur Änderung von Verjährungsfristen sei nicht weiter verfolgt worden, kritisierte Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers gestern in Darmstadt. "Die Politik handelt nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn."



Bei einer Tagung der Hochschule Darmstadt befassten sich rund 100 Teilnehmer damit, was aus dem Bericht geworden ist. Dessen Kern waren schnelle Hilfen für Opfer, Therapien und Entschädigungen. Organisator und Psychologie-Professor Volker Beck erklärte, es gebe "eine tiefe Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit". Notwendig sei ein zentrales Beratungsportal im Internet. "Sexueller Missbrauch ist ein allgegenwärtiges, andauerndes Problem in unserer Gesellschaft."

Ahndung als Verbrechen

Der Experte betonte: "Diese Delikte greifen tief in die Seele hinein." Die Strafen seien aber oft zu milde. "Sexueller Missbrauch muss generell als Verbrechen geahndet werden." Auf Antrag des Kinderschutzbundes - selbst Teil des Runden Tisches - soll das Gremium am 12. Dezember noch einmal zusammenkommen. "Wir fragen uns nämlich: Wann wird der Bericht denn umgesetzt?" sagte Hilgers. "Wir müssten ein Schwarzbuch schreiben, wo drin steht, was alles nicht getan wird."

Die Kriminalstatistik registrierte 2011 bundesweit rund 12 400 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern, davon 800 in Hessen. "Das ist eine klaffende und schmerzhafte Wunde mitten in unserer Gesellschaft", sagte Beck. "Jeder Fall ist einer zu viel."

Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals an der Odenwaldschule sei "ein sehr langer Prozess", sagte die kommissarische Schulleiterin Katrin Höhmann im Rahmen der Tagung. Dafür werde auch die Unterstützung der Forschung gebraucht. Die Türen der Schule stünden dafür immer offen. In der Schule im südhessischen Heppenheim sollen mehr als 130 Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sein. lhe

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