Das krankmachende Problem der Arbeitwelt

Burn-out

Bei einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie in Heidelberg werden die Folgen einer zunehmenden Arbeitsverdichtung und der wachsende Stress in der Arbeitswelt diskutiert.

Von Ingeborg Bördlein

Schlapp, kaputt, müde: Burn-out ist nicht das Problem Einzelner.

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HEIDELBERG. Vor einer Verkennung des Burn-outs als Krankheit und der Verschiebung dieses Problems in die gesundheitliche Versorgung haben Mediziner, Psychologen und Gewerkschafter in Heidelberg gewarnt.

"Burn-out ist nicht das Problem des Einzelnen, sondern Symptom einer krankmachenden Lebens- und Berufswelt", sagte der Heidelberger Medizinpsychologe Professor Rolf Verres auf dem Kongress "Burn-out? Burn-on!" der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie in Heidelberg.

In anderen europäischen Ländern werde dies längst als Problem der Arbeitswelt wahrgenommen, nicht aber in Deutschland. Hierzulande werde der Blick vornehmlich erst auf die Symptome wie Depressivität oder psychosomatische Erkrankungen gelenkt.

"Wir Ärzte können die arbeitsbedingten Stresserkrankungen diagnostizieren und versuchen zu helfen, aber das Grundproblem der Belastungen am Arbeitsplatz nicht lösen", betonte Verres.

Gleichwohl seien Ärzte in der Pflicht, das in die Gesellschaft zu tragen, "was wir beobachten", forderte der Psychiater Dr. Joachim Galuska, Ärztlicher Direktor der psychosomatischen Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen.

Wenn beispielsweise in einer psychosomatischen Klinik 40 bis 50 Prozent der Patienten mit Burn-out-Symptomen Lehrer seien und nach Studien jeder fünfte Mediziner vom Burn-out betroffen sei, so müsse dies die Gesellschaft wissen.

Immer mehr Arbeitsdruck

Dass Burn-out nicht nur Prominentenschicksal oder ein Phänomen der Sozial- und Gesundheitsberufe sei, wie in den Medien häufig verbreitet, sondern in Fabrikhallen, Werkstätten und Büros gleichermaßen anzutreffen sei, betonte Dr. Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall aus Frankfurt bei dem Heidelberger Kongress.

Nach einer Online-Befragung der Gewerkschaft vor einem Jahr bei Betriebsräten werde der Anstieg der psychischen Erkrankungen und Burn-out-Fälle als ernst zu nehmendes Problem gesehen.

Etwa 40 Prozent der Befragten gab eine starke oder sehr starke Zunahme in ihren Betrieben an. Zwei Drittel bekundeten, dass arbeitsbedingter Stress und Leistungsdruck in ihrem Unternehmen erheblich gestiegen seien und dass es keine oder zu wenig Hilfen für Burn-out-Betroffene gäbe.

Urban zufolge sind psychische Störungen bei der Frühverrentung inzwischen Spitzenreiter. Auf diesem Hintergrund fordert die IG Metall im Verbund mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde vom Gesetzgeber eine verpflichtende Arbeitsschutzregelung auch für psychischen Stress.

Mit einer von der IG Metall initiierten Anti-Stress-Verordnung soll erreicht werden, dass in die Arbeitsschutzgesetze auch psychosozialer Stress am Arbeitsplatz in die gesundheitliche Gefährdungsbeurteilung eingeht, wie dies in anderen EU-Ländern bereits der Fall ist.

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