Das Hochstapler-Syndrom: Warum man glaubt, etwas nicht zu verdienen

Wenn ein Mann Erfolg hat, dann liegt das an seiner Kompetenz. Wenn er Misserfolg hat, dann aufgrund seines Umfelds. Bei Frauen ist es oft umgekehrt.




Den Erfolg teilen sie lieber mit den Kollegen. Bei Misserfolg zweifeln sie nur an sich selbst. Was man im täglichen Leben oft beobachten kann, nennt man in der Psychologie das „Hochstapler-Syndrom“. Woher es kommt, warum es meist Frauen betrifft und wie man es los wird, erzählt Mentalcoach Michael Altenhofer im OÖN-Gespräch.

„Das Hochstapler-Syndrom wurde in den 1970er-Jahren in den USA als eine spezielle Form des Minderwertigkeitskomplexes entdeckt“, sagt Altenhofer. Es gehe darum, dass man ein schlechtes Gewissen bekommt, weil man denkt, etwas nicht verdient zu haben. Man hat sozusagen Angst, als Hochstapler aufzufliegen. Laut einer Studie leide etwa jeder zweite Erwachsene zeitweilig an dem Syndrom.

Besonders häufig kommt es in Berufen vor, in denen man besonders souverän und selbstsicher auftreten muss, also etwa im Management, bei Architekten oder Ärzten. „Das sind historisch gesehen sehr männliche Berufe. Daher taucht das Hochstapler-Syndrom eher bei Frauen auf, weil sie ihre eigenen weiblichen Eigenschaften nicht so zeigen wollen“, sagt er.

Doch woher kommt das Hochstapler-Syndrom? „Es entsteht in der Kindheit“, sagt Altenhofer. Man kennt das: Die Eltern erzählen übertrieben stolz über die tollen Leistungen ihrer Kinder. Doch das Kind selbst weiß meist, dass andere auch so gut, wenn nicht noch besser sind, und bekommt ein schlechtes Gewissen.

Bei Männern taucht das Syndrom weniger auf, da sie meist selbstbewusster sind. „Männer wollen respektiert werden. Frauen wollen gemacht werden“, sagt der Experte. Frauen würden sich nicht extra darstellen. Sie vertrauen darauf, dass jemand merkt, dass sie gut sind, und dass sie deshalb trotzdem gesehen werden. Erfolge als Glück, Zufall oder Wohlwollen anderer abzutun, sei falsch. „Frauen sollten zudem Kritik auf keinen Fall persönlich nehmen“, sagt Altenhofer. „Sie müssen sich mehr zutrauen und sich auf ihre Qualitäten verlassen“, rät der Experte.

Noch ein paar Tipps: Auf die eigenen Leistung stolz sein, sich das auch sagen trauen – und sich das zur Gewohnheit machen. Wenn der Hochstapler-Gedanke aufkommt (ich habe das nicht verdient, das war gar nicht meine alleinige Leistung), sofort gegensteuern: „Die Ergebnisse verdanke ich mir und meinen Fähigkeiten.“ Das ändere sofort das Gefühl.

Das Problem sei, dass viele durchsetzungsstarke Frauen von ihrem Umfeld als zickig oder arrogant wahrgenommen werden. Daher nimmt Altenhofer auch die Männer in die Pflicht: „Statt die Frauen als Zicken abzutun, sollten Männer genau reflektieren: Was wäre denn, wenn der Vorschlag von einem Mann käme?“

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