Darf’s ein Kamel für den Wildunfall sein?

Vollbremsung - das war knapp. Doch Kai Foersts Brummi ist kurz vor dem Reh zum Stehen gekommen. Auch sonst wäre nichts Schlimmes passiert: Drei Leinwände zeigen Foersts Fahrbahn, dazu hat er ein originalgetreu nachempfundenes Lkw-Cockpit vor sich. Er sitzt in einem Fahrsimulator für Lkws und Busse. Besser noch: In seinem eigenen Simulator.

Die Leinwände rechts und links des Cockpits zeigen die Außenspiegel, der mittlere Bildschirm alles, was sich vor der Frontscheibe abspielt. Kuppeln, bremsen, schalten, lenken - alles funktioniert wie in einem echten Fahrzeug. Bei schlechtem Wetter rubbeln sogar zwei virtuelle Scheibenwischer durchs Sichtfeld.

Foerst, 46, ein Mann mit kurz geschnittenen blonden Haaren, führt das Lebenswerk seines Vaters weiter. Der baute Mitte der siebziger Jahre seinen ersten Auto-Rennsimulator, den "Nürburgring 1". Allein in einer Schreinerwerkstatt tüftelte er die Apparatur zusammen. Der Simulator wurde per Münzeinwurf gestartet. Die Computerbasis war ein Atari Pingpongspiel, mit dem Foerst Senior zuerst über Kirmesmärkte und Straßenfeste getingelt war. Später wurden Simulatoren wie seiner in Kneipen neben den Einarmigen Banditen aufgestellt.

Vom Daddelspiel zum Trainingsgerät

Doch seither hat sich das Geschäft stark verändert. Waren die Gesprächspartner früher Ingenieure, sind es heute Psychologen. Ging es in den Anfängen meist um Spielautomaten und Rennsimulatoren in Kneipen und auf Jahrmärkten, so baut Foerst heute komplexe Gerätschaften für Fahrschulen, Polizei, ADAC und Forschungsinstitute.

"Heute sind wir vor allem damit beschäftigt, Verkehrsszenarien zu entwickeln. Das heißt, unser Berufszweig geht immer mehr in Richtung Verkehrspsychologie," beschreibt Foerst den Wandel. Das ist auch lukrativer, als mit den Massenherstellern von Spielautomaten zu konkurrieren. Seine Simulatoren kosten zwischen 25.000 Euro und 100.000 Euro, je nach Sonderwünschen.



Auto-Ingenieure:
"Wir sind Weltverbesserer und Geschäftsleute"
Seine Arbeit hat deshalb immer weniger mit Technik zu tun. Er baut seine Anlagen beim Kunden auf, auch leihweise, und betreut auf Wunsch die ganze Veranstaltung. Gern beobachtet er Fahrschüler, wenn sie ihre erste Stunde am Pkw-Simulator absolvieren.

"Gerade junge Männer die glauben, sie können schon alles, wenn man sie auf den Verkehr loslässt," sagt der studierte Elektrotechniker mit Schwerpunkt Informatik und zitiert die Unfallstatistiken. "Wir haben die meisten Unfalltoten im Alter zwischen 18 und 23 Jahren. Der Simulator kann viele für die Überraschungen des Fahralltags sensibilisieren."

Simulator mit Auto

Zahlreiche Aufträge führen Foerst in die Vereinigten Arabische Emirate, ins Baltikum, nach Griechenland, Polen und in diverse asiatische Länder. Dort sind Simulatoren bei der Fahrausbildung Normalität, während sie in Deutschland kaum zum Einsatz kommen. Foerst kennt die Besonderheiten jedes einzelnen Landes - und passt die Simulatoren an: Kamele statt Rehe, Buckelpiste, Gebirgspässe oder Sanddünen. Er entwickelt, programmiert und testet mit seinem zehnköpfigen Team alle Szenarien. Roll- und Nickbewegungen, Brems- und Lenkverhalten, Vibrationen und Grafiken, alle Details müssen aufeinander abgestimmt sein.

Besonders stolz ist er auf einen Simulator, den er in Thessaloniki aufgebaut hat. Ein gelber Smart, aufgebaut auf einer hydraulischen Hebebühne und auf zwei Meter Höhe ausfahrbar, dazu fünf Leinwände. Er hat viel Arbeit in die Vibrationen gesteckt, in Nick- und Rollbewegungen: "Das war schon eine sehr vollständige Simulation."

  • Christopher Ruschmeier studiert Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und arbeitet als freier Journalist für regionale und überregionale Zeitungen.

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