„Chef-Piratin“ gibt das Steuer ab

Marina Weisband

POTSDAM - Politiker, die an ihren Ämtern kleben, kennt die Republik zur Genüge. Aber wenn mal jemand freiwillig zur Seite tritt, ist das nach wie vor ungewöhnlich. Entsprechend groß war gestern der Respekt für die Entscheidung der 24-jährigen Piraten-Politikerin Marina Weisband, zunächst nicht mehr für den Bundesvorstand ihrer Partei zu kandidieren. Selbst Peter Altmaier, Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und neuerdings eifriger Twitterer, lobte die Kollegin per Internet-Kurzmitteilung.

Weisband ist erst seit acht Monaten politische Geschäftsführerin der Piraten und in dieser Zeit blitzschnell zum Medienstar geworden. Die Psychologie-Studentin mit der Langhaarfrisur ist ebenso klug wie schlagfertig, ihr Themenspektrum reicht weit über die klassische Internet- und Transparenz-Agenda der Piraten hinaus: Sie interessiert sich für Philosophie und Kunst, zeichnet und malt selbst gelegentlich und ist außerdem Anhängerin von Fantasy-Rollenspielen. Jetzt will sie ein Jahr Pause von der Politik machen und sich ganz auf ihre Diplomarbeit konzentrieren. Thema: die Werteinstellungen ukrainischer Kinder.

Die heftigen Reaktionen auf diesen Schritt kommentierte sie auf ihrem Blog leicht verwundert: „Es ist völlig normal, dass eine 24-Jährige ihr Diplom schreiben möchte. Das tun wir 24-Jährigen nunmal so.“ Ein akademischer Abschluss erlaube es ihr, jederzeit als Psychologin zu arbeiten. „So bin ich nicht darauf angewiesen, mich irgendwann mit aller Kraft an meinen Posten zu krallen.“ Außerdem mache sie die Pause persönlich unabhängig davon, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. „An so etwas darf man sich nicht gewöhnen.“

Die Piraten bemühen sich derweil, den einstweiligen Abgang ihres Zugpferds nicht zu dramatisieren. „Bei uns stehen Themen im Vordergrund, keine Personen. Daher wird uns diese Entscheidung politisch nicht schaden“, so Sprecher Christopher Lang gegenüber der MAZ. Außerdem gehe Weisband der Partei ja nicht verloren. Sie bleibe als Mitglied aktiv, werde lediglich auf dem Bundesparteitag Ende April in Neumünster (Schleswig-Holstein) nicht mehr für ein Führungsamt kandidieren.

Geboren wurde Marina Weisband in Kiew, als Sechsjährige zog sie mit ihrer Familie nach Wuppertal. 2006 begann sie in Münster Psychologie zu studieren. Dass ihre akademische Pause der endgültige Abschied von der großen politischen Bühne ist, glaubt in Berlin kaum ein Beobachter. Auch sie selbst verbittet sich „politische Abgesänge auf mich“. Zeit genug für einen Neustart hat sie ja. (Von Henry Lohmar)

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